
Antikörper-Psychose: Fehlgeleitetes Immunsystem sorgt für Übererregung im Gehirn

Als sich der Patient in der Notaufnahme vorstellte, war er fest davon überzeugt, mit HIV infiziert zu sein. Zudem forderte er eine Rückenmarktransplantation. Bei dem Mann dominierte ein desorganisiertes Wahnsystem, erläuterte Professor Dr. Ludger Tebartz van Elst von der psychiatrischen Universitätsklinik in Freiburg. Der neurologische Untersuchungsbefund fiel normal aus. Zwar zeigte die Kernspintomographie eine Läsion im rechten frontalen Marklager, doch die wurde als unspezifisches Artefakt eingestuft.
Man nahm den Patienten in die psychiatrische Abteilung auf und behandelte ihn zunächst antipsychotisch. Als er am vierten Tag eine Aphasie und räumliche Desorientierung entwickelte, führte man eine Liquorpunktion durch. Die Analyse ergab eine erhöhte Zellzahl (72/µl), immunologische und mikrobiologische Parameter waren jedoch unauffällig. Erst im weiteren Verlauf konnte man erhöhte Titer von Antikörpern gegen Antigene des Komplexes spannungsabhängiger Kaliumkanäle (VGKC) identifizieren. In der Folge charakterisierte man sie als VGKC-assoziierte LGI1-Proteine. Das sicherte die Diagnose einer nicht-paraneoplastischen limbischen Enzephalitis. Die Immuntherapie mit Steroiden und Plasmapherese führte bei dem Patienten langsam über Monate zur fast kompletten Remission der neuropsychiatrischen Symptome.
Autoimmune Psychose: wahrscheinlich oder definitiv?
- Pleozytose > 5 Zellen/µl
- bilaterale Abnormalitäten im Temporallappen in der T2-FLAIR-MRT-Bildgebung
- EEG-Abnormalitäten (z.B. Spikes, Spike-Wave-Aktivität, rhythmische langsame Aktivität (intermittierende, rhythmische Delta- oder Theta-Wellen), fokale Pathologien, „extreme delta brush“
- oligoklonale Banden oder erhöhter IgG-Index im Liquor
- anti-neuronale Serumantikörper in zellbasierten Assays
EEG hilfreicher als das Kernspin
Die Diagnose einer Autoimmunenzephalitis ist oft schwierig. In mehr als 40 % der Fälle ergibt sich in der MRT ein unauffälliger Befund, gelegentlich erkennt man eine diskrete Hirnatrophie, häufiger unspezifische Läsionen der weißen Substanz, berichtete Prof. Tebartz van Elst. Klinisch sei das EEG hilfreicher als die MRT, auch wenn sich häufig nur unspezifische Verlangsamungen, seltener spezifischere „extreme delta brushs“ zeigten. Eine Zellzahlerhöhung im Liquor spricht für eine immunologische Störung.Verbesserungen bis zu 18 Monate nach Therapiestart
Eine gestörte Blut-Hirn-Schranke kommt bei mehr als 20 % aller Patienten mit Psychosen und Depressionen vor. Der einzige hochrelevante Liquorbefund ist der Nachweis spezifischer Antikörper wie Anti-NMDA- oder Anti-VGPC/LGI1.Lohnende Antikörpersuche
- Antikörper gegen neuronale Oberflächenantigene (z.B. NMDA-Rezeptor, VGPC-Komplex, D2-Rezeptoren)
- Antikörper gegen intrazelluläre synaptische oder onkoneurale Antigene (z.B. Glutamat-Decarboxylase, GAD)
- anti-TPO- und anti-TG-Antikörper (Hashimoto-Enzephalopathien)
- andere Antikörper
* Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde
Quellen:
1. Tebartz van Elst L et al. J Clin Psychiatry 2011; 72: 722-723; DOI: 10.4088/JCP.10l06510
2. Titulaer MJ et al. Lancet Neurol 2013; 12: 157-165; DOI: 10.1016/S1474-4422(12)70310-1
3. Pollak TA et al. Lancet Psychiatry 2019; 2020; 7: 93-108; DOI: 10.1016/S2215-0366(19)30290-1
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