Kolonkarzinom: Auch betagte Patienten profitieren von der Chemotherapie

Manuela Arand, Foto: thinkstock

Therapeutischer Gesamtnutzen als neuer Endpunkt definiert - Die Focus-Studie soll Aufschluss geben über den Nutzen der Chemotherapie bei älteren Patienten, die vom Onkologen als austherapiert galten.

Das durchschnittliche Sterbealter von Patienten mit fortgeschrittenem Kolonkarzinom liegt in den Industrieländern bei über 75 Jahren, vier von zehn Verstorbenen sind über 80 Jahre alt. Viele Patienten sind in einem so schlechten Allgemeinzustand, dass Onkologen ihnen keine Volldosis-Chemotherapie zumuten wollen. Eine richtige Entscheidung?

Betagte Patienten bekamen Standardvolldosisregime

In der FOCUS-Studie* lag trotz weitgefasster Einschlusskriterien das mediane Alter der Patienten mit kolorektalem Karzinom bei 64 Jahren. Um zu prüfen, inwieweit sich die Resultate auch auf betagte Patienten übertragen lassen, haben die Autoren FOCUS 2 aufgelegt: Rekrutiert wurden 459 Patienten mit unbehandeltem fortgeschrittenem Kolonkarzinom, deren behandelnder Onkologe sie als zu alt oder zu gebrechlich für ein Standardvolldosisregime eingestuft hatte.

Das mediane Alter der Patienten lag bei 74 Jahren, 13 % waren über 80 Jahre alt. 29 % der Patienten hatten einen Performance-Status von 2. Drei Neuerungen wurden ins Studiendesign eingeführt:

  • die Therapie wurde zunächst – wie in der klinischen Praxis durchaus üblich – mit 80 % der Standarddosis der verwendeten Zytostatika begonnen (vier verschiedene Therapieregime).
  • Bei jedem Patienten wurde ein ausführliches geriatrisches Assessment vorgenommen, das dabei helfen sollte, Prädiktoren zu finden, anhand derer sich Erfolg versprechende Therapiestrategien bei diesen Patienten planen lassen.
  • Definiert wurde auch ein neuartiger Endpunkt, der therapeutische Gesamtnutzen (overall treatment utility, OTU), in den objektive und subjektive Nutzen- und Schadenskriterien einfließen.

Dosiseskalation nur bei weniger als der Hälfte der Patienten durchgeführt

Die Patienten starteten mit einem dosierten Therapieregime, dem sie randomisiert zugeteilt worden waren, und wurden nach sechs Wochen auf die volle Chemotherapie-Dosis umgestellt, sofern dies nach Urteil des jeweiligen Arztes möglich war. Von den 419 Patienten, die zu diesem Zeitpunkt noch lebten, erfolgte bei mehr als jedem Dritten (37 %) eine Dosiseskalation. Allerdings konnte diese Dosiseskalation nicht einmal in der Hälfte der Fälle über weitere sechs Wochen beibehalten werden.

Wirksamkeitsanalayse: Oxaliplatin erhöht Response-Rate und Krankheitsstabilisierung

Bei 215 Patienten (49 %) musste die Dosisintensität schon nach sechs Wochen verringert oder die Therapie abgebrochen werden. Nach zwölf Wochen wurde auch eine Wirksamkeitsanalyse anhand der RECIST-Kriterien vorgenommen, der zufolge Oxaliplatin die Responserate und die Rate der Krankheitsstabilisierung erhöhte – im Gegensatz zu Fluorouracil mit Capecitabin.

Die Daten von 440 Patienten konnten für die Nebenwirkungsanalyse ausgewertet werden. Dabei zeigte sich, dass Oxaliplatin die Rate der Nebenwirkungen nicht signifikant erhöhte, allerdings wurde bei mehr Patienten eine Neuropathie, Diarrhö, Übelkeit, Erbrechen und eine Neutropenie registriert. Capecitabin, im Vergleich zu Fluorouracil erhöhte das Risiko für Nebenwirkungen vom Schweregrad 3 – insbesondere Übelkeit, Erbrechen, Anoxie und das Hand-Fuß-Syndrom.
Neuer Endpunkt: Gesamtnutzen

Für FOCUS2 wurde ein neuer kombinierter Endpunkt definiert, der therapeutische Gesamtnutzen, kurz OTU. Er kombiniert klinische Wirksamkeit (überlebt der Patient?), klinische Verträglichkeit (wurden schwere Nebenwirkungen vermieden?), Arztmeinung (bin ich froh, diese Therapie angeboten zu haben?) und Patientenmeinung (war die Therapie es wert?). Dieser Endpunkt erscheint gerade in komplexen Situationen wie der palliativen Behandlung älterer, fragiler Patienten gut geeignet abzuschätzen, ob eine Therapie in einer bestimmten klinischen Situation von Nutzen ist.


Die Daten von 440 Patienten konnten für die Nebenwirkungsanalyse ausgewertet werden. Dabei zeigte sich, dass Oxaliplatin die Rate der Nebenwirkungen nicht signifikant erhöhte, allerdings wurde bei mehr Patienten eine Neuropathie, Diarrhö, Übelkeit, Erbrechen und eine Neutropenie registriert. Capecitabin, im Vergleich zu Fluorouracil erhöhte das Risiko für Nebenwirkungen vom Schweregrad 3 – insbesondere Übelkeit, Erbrechen, Anoxie und das Hand-Fuß-Syndrom.

OTU-Wert korreliert stark mit progressionfreiem Überleben

Beim OTU schnitten nach zwölf Wochen 42 % der Patienten gut und 32 % intermediär ab, 26 % hatten einen schlechten Score. Ein guter OTU-Wert korrelierte stark mit dem progressionsfreien Überleben und dem Gesamtüberleben. Weitere prädiktive Faktoren für ein schlechtes Outcome waren Symptomscore zu Studienbeginn, Leber- und andere Metastasen und ein schlechter Performance-Status. Das Alter spielte keine Rolle.

Alter und körperliche Gebrechlichkeit müssen kein Grund sein, Patienten mit fortgeschrittenen Krebserkrankungen eine Chemotherapie vorzuenthalten, folgern die Autoren. Die Entscheidung, mit 80 % der Standarddosis zu beginnen, spiegelt die gängige klinische Praxis wider und hat sich auch in dieser Studie als praktikabel erwiesen. Dem kombinierten Endpunkt OTU wünschen die Autoren weitere Verbreitung in klinischen Studien, weil er sich als ausgesprochen nützlich erwiesen hat, um die Therapiegruppen zu vergleichen.

Therapieregime:

Gruppe A: Levofolinat 175 mg als 2-Stunden-Infusion, Fluorouracil 320 mg/m2 als Bolus, dann infusional 2240 mg/m2 über 46 Stunden; alle 14 Tagen   
Gruppe B: Levofolinat 175 mg/m2 plus Oxaliplatin 68 mg/m2 als 2-Stunden-Infusion, Fluorouracil 320 mg/m2 als Bolus und infusional 1920 mg/m2 über 46 Stunden; alle 14 Tage   
Gruppe C: Capecitabin zweimal täglich 1000 mg an Tag 1–15, alle drei Wochen   
Gruppe D: Oxaliplatin 104 mg/m2 als 2-Stunden-Infusion plus zweimal täglich Capecitabin 800 mg an Tag 1–15; alle drei Wochen. Die Dosierung entspricht 80 % der verabreichten Dosis des XELOS-Regimes. Bei Patienten mit einer glomulären Infiltrationsrate zwischen 30–50 ml/min wurde die Dosis um weitere 25 % reduziert.


* Fluorouracil, Oxaliplatin, CPTH (Irinotecan) Use and Sequencing

Quelle: Seymour MT et al., Lancet 2011; 377: 1749-1759

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