
Kopfzerbrechen um die Plättchenhemmung
Viele niedergelassene Kollegen fühlen sich mit der Therapie bei koronar gestenteten Patienten überfordert. Es gilt zu entscheiden, wie lange eine duale Thrombozytenaggregationshemmung fortgeführt werden soll und womit. In manchen Fällen stellt sich auch die Frage nach einer Tripletherapie. Und über allem hängt das Damoklesschwert der Blutungsgefahr. Der Bremer Allgemeinarzt Dr. Günther Egidi schildert die aktuellen Strategien an drei exemplarischen Fällen aus der Freitagnachmittags-Sprechstunde1.
- Fall Nr. 1: Patient, 60 Jahre alt, hat bei stabiler KHK einen Drug-Eluting-Stent (DES) erhalten. Empfehlung der Klinik: Duale Plättchenhemmung (DAPT) mit ASS und Ticagrelor für ein Jahr.
- Fall Nr. 2: Patientin, 55 Jahre, kam wegen eines akuten Koronarsyndroms mit NSTEMI in die Klinik. Eine hochgradige Stenose des R. interventricularis anterior wurde mit DES versorgt. Empfehlung der Klinik: ASS plus Prasugrel für ein Jahr.
- Fall Nr. 3: Patientin, 65 Jahre, mit stabiler KHK, hat ebenfalls einen beschichteten Stent erhalten. Zudem steht sie seit Jahren wegen Vorhofflimmerns unter oraler Antikoagulation. Empfehlung der Klinik: Tripletherapie (ASS plus Clopidogrel für ein Jahr zusätzlich zu Apixaban).
Kein Prasugrel nach akutem Koronarsyndrom einsetzen
Für diese Situationen hat die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM) die Leitlinie "Neue Thrombozytenaggregationshemmer – Einsatz in der Hausarztpraxis" herausgegeben. Stichwort Clopidogrel: Die Kombination mit ASS soll nach "Einbau" eines unbeschichteten Koronarstents für vier Wochen gegeben werden. Hat ein Patient einen beschichteten Stent erhalten, verlängert sich die DAPT-Dauer bis zu einer Grenze von sechs Monaten. Eine Behandlung mit ASS + Clopidogrel über ein halbes Jahr hinaus bringt keinen Vorteil im Hinblick auf Myokardischämien, geht aber mit einem erhöhten Risiko für schwere Blutungen einher. Nach Absetzen der DAPT erhalten Stent-Patienten weiter ASS solo (100 mg/Tag).
Was die Auswahl zwischen den einzelnen P2Y12-Rezeptorantagonisten (Clopidogrel, Prasugrel und Ticagrelor) angeht, gibt es ebenfalls eindeutige Vorgaben. Prasugrel sollte nach akutem Koronarsyndrom (ACS) nicht verwendet werden, unterstreichen die Autoren. Nach aktueller Datenlage wiege die Reduktion klinisch relevanter Infarkte die Zunahme der schwerwiegenden Blutungen nicht auf. Auch gebe es keine verlässliche Evidenz für Vorteile gegenüber Clopidogrel.
Anders stellt sich die Lage für Ticagrelor dar: Alle ACS-Patienten sollten die Substanz zusätzlich zu ASS für zwölf Monate einnehmen, heißt es. Diese Empfehlung beruht auf nachgewiesenen Vorteilen gegenüber Clopidogrel im Hinblick auf kardiovaskulären Tod, Herzinfarkt oder Schlaganfall im Verlauf nach dem ersten Akutereignis.
Was ist aber nun mit Patienten, bei denen gleichzeitig eine Indikation zur doppelten Plättchenhemmung und zur oralen Antikoagulation besteht? In der Literatur finden sich überwiegend nicht randomisierte Studien zur Tripletherapie mit Phenprocoumon, ASS und Clopidogrel, so Dr. Egidi. Geringere Gesamtsterblichkeit, vermindertes Insultrisiko, aber verdoppelte Rate schwerer Blutungen lautet das kurzgefasste Ergebnis.
Eine kleine randomisierte Studie verglich die Tripletherapie mit dem Duo "Antikoagulation plus Clopidogrel" und fand sogar eine erhöhte Sterblichkeit unter der Dreifachkombi. In die gleiche Richtung gehen die Daten einer dänischen Kohortenstudie.
Wie ging es mit den Patienten weiter?
Nach Auffassung der Allgemeinmediziner eignen sich neue orale Antikoagulantien (NOAK) nicht als Partner für die Tripletherapie. Die Kardiologen sehen das etwas anders. Die 2015 aktualisierte Leitlinie der European Heart Rhythm Association nennt klar NOAK als Partner für ASS und Clopidogrel nach Revaskularisierung oder ACS2.
Dr. Egidi löste vor dem Hintergrund der geschilderten Daten die eingangs beschrieben Fälle wie folgt:
- Fall Nr. 1: Der 60-jährige Patient erhält eine duale Plättchenhemmung – abweichend von der Empfehlung der Klinik – mit ASS und Clopidogrel für ein halbes Jahr.
- Fall Nr. 2: Die 55-jährige Patientin soll ASS plus Ticagrelor für ein Jahr einnehmen.
- Fall Nr. 3: Die 65-jährige Patientin bekommt kein Apixaban, sondern die Tripletherapie mit ASS plus Clopidogrel plus Phenprocoumon für drei bis sechs Monate (je nach Stentbeschichtung). Danach verordnet man Phenprocoumon plus Clopidogrel und nach insgesamt einem Jahr ausschließlich die orale Antikoagulation.
Quelle: 1. Egidi G. internist. prax 2016; 56: 1-8
2. Heidbuchel H et al. Europace. 2015; 17: 1467-507
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