Leptospirose: Aus der Kanalisation gekrochen

Ulrike Koock

Übertragen werden die Bakterien insbesondere durch Nagetiere, die in der Kanalisation zu finden sind. Übertragen werden die Bakterien insbesondere durch Nagetiere, die in der Kanalisation zu finden sind. © fotolia/Mulderphoto; wikimedia/CDC, NCID, HIP, Janice Carr

Gemeldet werden jährlich etwa 88 Fälle. Doch diese Zahl bildet wahrscheinlich nur die Oberfläche der tatsächlichen Infektionen mit Leptospiren ab. Gefährdet sind zahlreiche Berufsgruppen. Bei einem 49-Jährigen führte die Suche nach dem Auslöser direkt in die Kanalisation.

Hohes Fieber bis 42 °C, abdominelle Schmerzen und wässrige Diarrhöen mit Stuhlfrequenzen von über 20 pro Tag führen einen 49-jährigen Kanalarbeiter in die Notaufnahme. Vorerkrankungen sind nicht bekannt. Bei der körperlichen Untersuchung finden die Ärzte keine pathologischen Auffälligkeiten. Die Laborwerte zeigen jedoch eine deutliche Entzündungskonstellation mit einer Leukozytose, einem stark erhöhten CRP von 326 mg/l sowie einem erhöhten Procalcitonin von 27 µg/l. Transaminasen sind leicht, Kreatinkinase ist stark erhöht.

Alle übrigen Untersuchungen fallen bis auf eine mäßige Splenomegalie von 13,4 cm, eine Cholezystoli­thiasis und eine leichte Steatosis hepatis unauffällig aus. In Stuhl- und Urinkulturen wachsen keine Keime. Die behandelnden Ärzte entschließen sich zu einer kalkulierten Antibiotikatherapie mit Ceftriaxon 2 g einmal täglich. Rasch geht es dem Patienten wieder gut, sodass er entlassen wird und wieder arbeiten kann.

Typischer zweiphasiger Krankheitsverlauf

Nach zwei Wochen stellt er sich erneut in einer Klinik vor, diesmal bei Dr. Thomas Theo Brehm vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und seinen Kollegen. Starke Muskel- und Gelenkschmerzen – vorwiegend lumbosakral und in den Hüften – quälen den Mann nun. Erneut finden die Kollegen nichts außer erhöhten Entzündungsparametern. Diesmal können sie serologisch IgM-Antikörper gegen Leptospiren nachweisen – und eine symptomatische Behandlung einleiten.

Dieser typische zweiphasige Verlauf kennzeichnet die (meldepflichtige) Infektion mit Leptospira interrogans. Nach einer Inkubationszeit von 7 bis 14 Tagen kommt es zu einer Akutphase, an die sich nach einer kurzen Pause von etwa einer Woche die Immunphase anschließt (s. Kasten). Bei Letzterer sorgt die Immunreaktion für etwaige Organschäden und nicht die Bakterien selbst.

Mögliche Symptome der zwei Krankheitsphasen

Septikämische Krankheitsphase:
  • hohes Fieber
  • grippeähnliche Allgemeinsymptome, Muskel- und Gelenkschmerzen, Kopfschmerzen
  • Bindehauthyperämie, ggf. mit konjunktivalen Einblutungen
  • Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Diarrhöen
Immunphase:
  • ikterische Hepatitis
  • akutes Nierenversagen
  • Meningitis, Meningoenzephalitis
  • pulmonale Hämorrhagien

Die Leptospirose gilt als weltweit verbreitetste Zoonose. U.a. Nagetiere scheiden die Bakterien über den Urin aus und kontaminieren Böden und Gewässer über Wochen bis Monate – eine Gefahr insbesondere für bestimmte Berufsgruppen. Über kleine Hautverletzungen, Schleimhäute und Konjunktiven dringen die Erreger in den Organismus ein. Erntehelfer, Schlachter, Jäger, Tierärzte, Landwirte oder der beschriebene Kanalarbeiter sind prädestiniert, sich so zu infizieren. Für diese Risikogruppen wird die Leptospirose als Berufskrankheit anerkannt. Nicht immer sind die Symptome so ausgeprägt wie in der vorgestellten Kasuistik. Eine Vielzahl an subklinischen oder milden Verläufen macht eine hohe Dunkelziffer wahrscheinlich, schreiben die Kollegen. Offiziell werden dem RKI deutschlandweit im Mittel 88 Infektionen pro Jahr übermittelt. Die Bedeutung importierer Infektionen durch internationales Reisen scheint zu steigen. Therapeutisch kommen in der Akutphase schwerer Verläufe Doxycyclin, Penicillin G oder Ceftriaxon zum Einsatz. Ob eine antibiotische Therapie die Mortalität und Morbidität der Leptospirose senkt, ist allerdings nicht abschließend geklärt, geben die Autoren zu bedenken.

Quelle: Brehm T. Hamburger Ärzteblatt 2019; 4: 32-34

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