Lipidtherapie als Hoffnungsträger

Manuela Arand

Zurzeit werden verschiedenste Medikamente wie Statine in Hinblick auf ihre Wirksamkeit bei einer Coronainfektion untersucht. Zurzeit werden verschiedenste Medikamente wie Statine in Hinblick auf ihre Wirksamkeit bei einer Coronainfektion untersucht. © iStock/NiseriN

Ob Statine sich bei COVID-19-Patienten eher positiv oder eher negativ auswirken, war anfangs umstritten. Eines scheint inzwischen klar: Absetzen sollte man sie nicht.

Infektionen und Inflammation modifizieren Lipide und Lipoproteine – und umgekehrt. Bei allen Arten von Infektionen, ob durch Bakterien, Viren, Pilze oder Parasiten ausgelöst, sinken Gesamt-, LDL- und HDL-Cholesterin, während die Triglyzeride steigen, so Professor Dr. Kenneth­ Feingold­ von der University of California in San Francisco. Je schwerer die Infektion, desto stärker weichen die Lipidwerte vom individuellen Normalzustand ab, wobei das Ausmaß der Abweichung prädiktiv für Organversagen und Sterberisiko ist. Hat der Patient die Infektion überstanden, kehren auch die Blutfette zum Ausgangszustand zurück.

Zytokine wie Interleukin 1 und 6, TNF-α und Interferone spielen eine wichtige Rolle als Bindeglieder zum Lipidmetabolismus. Infektionen mit SARS-CoV-2 machen da keine Ausnahme, so Prof. Feingold: „Was bei COVID-19 passiert, ist praktisch identisch mit dem Geschehen bei anderen (Virus-)Infektionen insgesamt.“

„Alte“ Wirkstoffe neu adressiert

Im Zuge der Pandemie hat das „Drug Repurposing“, das Umwidmen bekannter Wirkstoffe, wieder an Attraktivität gewonnen. Statt das Rad neu zu erfinden, setzt man auf die Vorzüge etablierter Substanzen: bekanntes Risikoprofil, wenig Probleme bei Entwicklung, Galenik und Zulassung, überschaubare Kosten. „Aber die Hauptsache ist natürlich das Tempo, mit dem sich alte Wirkstoffe bei neuen Indikationen erproben lassen“, sagte Dr. Alan­ Remaley­, National Institutes of Health in Bethesda, Maryland.

Statine galten von Beginn der Coronapandemie an als interessante Kandidaten, wenn es auch anfangs Bedenken gab, sie könnten die Infektion sogar fördern. Denn Statine regulieren die Expression des ACE2-Rezeptors hoch, über den SARS-CoV-2 die Wirtszellen entert. Das Virus besitzt eine sehr hohe Affinität zu diesem vor allem auf Alveolar- und Epithelzellen lokalisierten Rezeptor. Das erklärt den Lungentropismus und macht es so infektiös.

Auf der anderen Seite erscheint es durchaus plausibel, dass Statine protektiv wirken können. In Reagenzglasversuchen ließ sich zeigen, dass sie in einen späten Schritt der Replikation eingreifen, wenn die Viren zusammengebaut, in Lysosomen verpackt und ausgeschleust werden. Außerdem entfalten sie eine Reihe von Wirkungen, die COVID-19-Begleiterscheinungen abmildern könnten – Stichwort pleiotrope Effekte: Sie hemmen Zytokinausstoß, Koagulation und Plättchenaktivierung, fördern die Angiogenese, reduzieren oxidativen Stress, Endotheldysfunktion, Fibrose und Inflammation. „Das könnte erklären, warum Statine – auch abseits von COVID-19 – so breite Wirkungen zeigen“, meinte Dr. Remaley.

Die klinische Beobachtung der Statine begann schon früh in der Pandemie mit einer retrospektiven Fall-Kontrollstudie aus Wuhan, der zufolge COVID-19-Patienten eine geringere Mortalität hatten, wenn sie mit Statinen behandelt worden waren. Die 28-Tage-Sterberaten lagen bei 9,4 % ohne bzw. 5,2 % mit Statin. Inzwischen liegen mindestens 20 Arbeiten vor, die einen positiven Effekt der Substanzen bei COVID-19 und anderen pulmonalen Infektionen nahelegen. In einer Metaanalyse betrug die Hazard Ratio für schwere COVID-19-Verläufe und Tod 0,7.

Das seien aber alles Beobachtungsstudien, warnte Dr. Remaley­ vor übertriebenem Enthusiasmus. „Statine sind zweifellos bei SARS-CoV-2-Infektion sicher, aber der Benefit muss definitiv bewiesen werden. Eines lässt sich jedoch schon sagen: Sie abzusetzen, ist keine gute Idee.

Zum Beweis der Wirksamkeit brauche es randomisierte kontrollierte klinische Studien. Eine ganze Reihe davon zu lipidsenkenden Therapien bei COVID-19 laufen aktuell. Fast 20 zu Statinen, 14 zu Omega-3-Fettsäuren, je fünf zu Fibraten und Niacin und sogar eine mit dem CETP-Inhibitor Dalcetrapib, der als HDL-steigernde Medikation gescheitert war und nie zugelassen wurde. Aber die meisten sind gerade erst gestartet und nur wenige haben zumindest vorläufige Ergebnisse mitgeteilt.

EPA reduzierte kritischen Biomarker und COVID-19-Symptome

Eine Studie mit Icosapent-Ethyl (EPA), das gerade für die kardiovaskuläre Prävention bei Hochrisikopatienten zugelassen wurde, hat kürzlich Interimsergebnisse vorgelegt (s. Link). Danach reduziert EPA nicht nur den Biomarker hs-CRP, sondern auch die Symptome von COVID-19, gemessen mit dem Patientenfragebogen FLU-PRO. Dr. Remaley gab sich vorsichtig optimistisch: „Die Lipidtherapie wird sicher nicht die Magic Bullet werden, aber hoffentlich eine additive Therapieoption für COVID-19 und andere Virusinfektionen.“

Kongressbericht: 81st Scientific Sessions der American Diabetes Association (ADA)

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Zurzeit werden verschiedenste Medikamente wie Statine in Hinblick auf ihre Wirksamkeit bei einer Coronainfektion untersucht. Zurzeit werden verschiedenste Medikamente wie Statine in Hinblick auf ihre Wirksamkeit bei einer Coronainfektion untersucht. © iStock/NiseriN