Long-QT-Syndrom rechtzeitig erkennen und ursachenspezifisch gegensteuern

Dr. Dorothea Ranft

Ein genauerer Blick auf das EKG kann schon Aufschluss geben. Ein genauerer Blick auf das EKG kann schon Aufschluss geben. © wikimedia/Bionerd (CC BY 3.0)

Eine verlängerte QT-Zeit kann auch bei ansonsten Gesunden jederzeit zum plötzlichen Herztod führen. Für die Risikostratifizierung ist es entscheidend, das Intervall im EKG korrekt zu messen und eine Alteration kausal zuzuordnen. Mancher Kollege tut sich aber genau damit schwer.

Die frequenzkorrigierte QT-Zeit (QTc-Zeit) ist ein guter Marker für das Arrhythmierisiko. Ihre Messung und Interpretation gehören zu einer vollständigen Befundung des Oberflächen-EKGs, schreiben Dott. Alessandro Castiglione­ vom Universitäts-Herzzentrum Freiburg-Bad Krozingen, und Professor Dr. Katja E. Odening, Inselspital Bern. Von einem Long-QT-Syndrom (LQTS) spricht man, wenn die QTc-Zeit bei Männern ≥ 470 ms liegt und bei Frauen ≥ 480 ms.

Bei einem verlängerten Intervall muss man unbedingt nach sekundären Ursachen fahnden. Schließlich ist die kardiale Repolarisation sehr anfällig für endogene und exogene Störfaktoren, so die Autoren. Ein erhöhtes Risiko für eine erworbene Veränderung (meist Verlängerung) bergen z.B. zahlreiche Medikamente vom Antiarrhythmikum bis zum Psychopharmakon. Nähere Informationen liefern Internet-Datenbanken (s. Link rechts vom Text). Auch Elek­trolytstörungen (z.B. Hypokaliämie), hormonelle Einflüsse und begleitende Erkrankungen können die QTc-Zeit beeinflussen.

Gerade bei Jüngeren sollte man zudem eine kongenitale Genese in Betracht ziehen – insbesondere nach Synkopen und/oder Fällen von plötzlichem Herztod in der Familie. Mehr als 90 % der angeborenen Long-QT-Syndrome lassen sich auf drei Subtypen (LQT1, LQT2 und LQT3) zurückführen. Die geschätzte Gesamtinzidenz bewegt sich zwischen 1:2000 und 1:2500.

Genotyp entscheidet über Arrhythmierisiko

An nächster Stelle steht die Einschätzung des individuellen Arrhythmierisikos – bei Patienten mit angeborenem LQTS kein leichtes Unterfangen. Denn selbst innerhalb der gleichen Familie kann der Phänotyp variieren. Neben Fällen mit häufigen arrhythmogenen Synkopen gibt es auch asymptomatische Mutationsträger mit normaler QTc-Zeit.

Ein wichtiger Prädiktor ist der Genotyp. Beim LQT2 treten besonders oft ventrikuläre Tachykardien auf. Beim LQT1 sind diese immer noch häufiger als beim LQT3, aber Letzterer hat eine höhere Mortalität als die anderen Subtypen. Vor allem Patienten, die bereits in der Kindheit LQTS-Symptome hatten, müssen mit erneuten Arrhythmien rechnen. Weit weniger gefährdet sind Mutationsträger, die bis zum 40. Lebensjahr keine Rhythmusstörungen entwickeln.

Die Geschlechtshormone und in diesem Zusammenhang auch das Alter (z.B. Pubertät) spielen ebenfalls eine Rolle. Östrogene erhöhen die Arrhythmiegefahr, Testosteron vermindert sie. Wichtig ist die Frage nach hormonell wirksamen Medikamenten (Kontrazeptiva, Krebstherapie). Die Autoren empfehlen darüber hinaus, die QTc-Zeiten zu verschiedenen Phasen des Zyklus zu messen.

Grundsätzlich lohnt ein genauerer Blick auf das EKG. Je länger das QTc-Intervall, desto gefährlicher. So ist das Risiko für einen plötzlichen Herztod bei einer Zeit > 550 ms sechsfach erhöht. Für eine Änderung des individuellen Arrhythmierisikos sprechen unterschiedliche Zeiten in den Verlaufsuntersuchungen.

QTc-Zeit korrekt erfassen

 Die QT-Zeit lässt sich am besten in Ableitung II bestimmen, je nach Morphologie der T-Welle bieten sich auch andere Ableitungen an. Zunächst zeichnet man eine Tangente an den steilsten Abschnitt der absteigenden T-Welle. Dort, wo diese die isoelektrische Linie schneidet, endet das QT-Intervall (Tangetenmethode). Anschließend wird die QT-Zeit mithilfe der Bazett-Formel (berücksichtigt RR-Abstände) auf die Herzfrequenz korrigiert.

Therapeutisch geht es u.a. um die Kontrolle beeinflussbarer Faktoren. Bei erworbenem LQTS genügt es oft schon, Elektrolytstörungen zu beheben und nicht absolut notwendige, QT-Zeit-verlängernde Medikamente abzusetzen. Schwieriger gestaltet sich die Situation, wenn die Substanzen unentbehrlich sind und beim angeborenen Long-QT-Syndrom. Patienten mit LQT1 gefährden sich durch intensive körperliche Aktivität. Besonders hoch ist das Risiko beim Schwimmen, weshalb der Wassersport genauso wie jeglicher Leistungssport vermieden werden sollte. Beim LQT2 löst vor allem eine plötzliche Sympathikusaktivierung Arrhythmien aus (Erschrecken, emotionaler Stress). Betroffene sollten deshalb auf Wecker und lautes Telefonklingeln sowie auf lärmträchtige Sportarten verzichten. Wer ein LQT3 hat, benötigt evtl. einen Schrittmacher, um proarrhythmische Bradykardien zu vermeiden. Zusätzlich werden bei diesem Genotyp Natriumkanal­blocker eingesetzt.

Betablocker mitunter trotz Beschwerdefreiheit sinnvoll

Als medikamentöse Erstlinientherapie sollte man allen mit symptomatischem LQTS einen Betablocker verordnen, raten die Experten. Auch bei (bisheriger) Beschwerdefreiheit kann deren Einsatz sinnvoll sein. Betablocker reduzieren arrhythmogene Sympathikustrigger, verkürzen die QTc-Zeit aber i.d.R. nur geringfügig. Aktuellen Daten zufolge sind Nadolol und Propranolol den eher selektiven Präparaten wie Metoprolol überlegen. LQTS-Patienten, die aufgrund einer ventrikulären Arrhythmie reanimiert werden mussten oder ein Hochrisikoprofil aufweisen, sollten einen implantierbaren Kardioverter-Defibrillator erhalten. Gleiches gilt, wenn trotz adäquater Medikation noch Rhythmusstörungen auftreten. Der ICD schützt vor dem plötzlichen Herztod bei Kammerflimmern, kann aber das Auftreten von Arrhythmien nicht verhindern, erinnern die Kollegen. Als Alternative kommt gerade bei pausenassoziierten Torsade-de-Pointes-Tachykardien ein Zweikammer-Schrittmacher in Betracht.

Quelle: Castiglione A, Odening KE. Dtsch Med Wochenschr 2020; 145: 536-542; DOI: 10.1055/a-0969-6312

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Ein genauerer Blick auf das EKG kann schon Aufschluss geben. Ein genauerer Blick auf das EKG kann schon Aufschluss geben. © wikimedia/Bionerd (CC BY 3.0)
EKG mit verlängerter QT-Zeit EKG mit verlängerter QT-Zeit © wikimedia/Bionerd (CC BY 3.0)