Medizinische Hilfe in der „Dritten Welt“: Gut gemeint, oft schlecht durchdacht

Dr. Michael Brendler

Der Junge hatte eine Amputation des rechten Unterarms und schwerste Verbrennungen am linken Arm erlitten sowie sein rechtes Auge verloren. Der Junge hatte eine Amputation des rechten Unterarms und schwerste Verbrennungen am linken Arm erlitten sowie sein rechtes Auge verloren. © Mediengruppe Oberfranken - Fachverlage GmbH & Co. KG, Kulmbach

Viele Ärzte verbringen so ihren Urlaub: Im Auftrag von medizinischen Hilfsorganisationen versuchen sie, in ärmeren Ländern Menschenleben zu retten. Nicht immer sind diese Bemühungen aber von Erfolg gekrönt, gerade auf lange Sicht. Einige Grundregeln könnten dabei helfen, Rückschläge zu vermeiden.

Der Mann weiß, wovon er redet: 32 Mal war Professor Dr. Hans-Peter Richter als Allround-Arzt, wie er es nennt (Chirurg, Neurochirurg und Hochschullehrer), in Afrika und Asien unterwegs. Nun fasste er die Faktoren zusammen, die sich seiner Ansicht nach auf den Erfolg oder das Versagen solcher Entwicklungshilfe auswirken. So blieben viele Projekte Eintagsfliegen, kritisiert der emeritierte Ordinarius für Neurochirurgie der Uniklinik Ulm. Gut gemeint heißt eben auch in der medizinischen Nothilfe nicht immer auch gut durchdacht.

Kann sich die Familie die Op. überhaupt leisten?

Hätte man zum Beispiel den jemenitischen Jungen mit plexiformem Neurofibrom bei Neurofibromatose tatsächlich mehrfach operieren müssen? Der Eingriff gilt schon in Europa als hochriskant und führt oft nicht zu befriedigenden Ergebnissen. Der Tumor des Patienten sieht jedenfalls kaum anders aus als vorher.

Zu den größten Herausforderungen in der „Dritten Welt“ gehört für den Kollegen das Arrangieren mit dem allgegenwärtigen Mangel. Wenn nicht alles, was zu Hause stattfinden kann, vor Ort das medizinisch Beste ist, muss der Not­helfer regelmäßig selektionieren und schwere Entscheidungen treffen. Lässt sich die Therapie mit den vorhandenen Mitteln überhaupt leisten? Wie steht es mit den Voraussetzungen für die Nachbehandlung; ist wirklich damit zu rechnen, dass der Fixateur externe auch wieder entfernt werden wird? Und können sich Patient und Familie die Operation überhaupt leisten?

Bei einem Kind mit lumbosakraler Myelomeningozele und massivem Hydrocephalus entschied sich Prof. Richter nach Abwägen all dieser Gesichtspunkte schließlich schweren Herzens gegen eine Operation. Zu groß waren die Zweifel, dass die zu erwartenden urologischen und orthopädischen Folgeprobleme im Jemen medizinisch adäquat versorgt werden würden. Erfahrene Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen versuchen deshalb, ihren Mitarbeitern solche schwierigen Situationen zu ersparen. Ausrüstung und streng vorgegebene Behandlungspfade beschränken von vorneherein die Entscheidungsmöglichkeiten.

Welche Vorteile das hat, verdeutlicht Prof. Richter noch einmal am Fall eines sieben-jährigen Mädchens mit Medulloblastom und neurologischen Ausfällen. Bei ihr schien zumindest eine Operation in Deutschland denkbar. Der Neurochirurg ließ das Kind trotzdem zurück. Zu unsicher schien ihm die Prognose und vor allem die spätere Weiterversorgung im Jemen.

Selbst die Gründung einer Klinik bringt manchmal nichts

Ein Arzt in der Entwicklungshilfe muss eben stets mindestens einen Schritt weiter vorausdenken als zu Hause, so die Kernbotschaft des Autors. Selbst die Gründung eines neuen Krankenhauses aus Spendenmitteln heißt noch lange nicht, dass man damit den Betroffenen vor Ort tatsächlich etwas Gutes tut. Oft werden gerade solche Initiativen zu wenig mit den offiziellen Stellen abgesprochen. Spätestens wenn die Hilfe aus Europa versiegt, sei deshalb das Schicksal vieler solcher Selbstgründungen besiegelt.

Schulung der Ärzte vor Ort ist eigentliche Hürde

„Die eigentliche Herausforderung eines auf langfristige Verbesserung angelegten Projektes ist nicht so sehr die materielle Ausstattung, als vielmehr die Änderung der Sicht- und Verhaltensweisen der örtlichen Ärzte und Pflegekräfte sowie deren Schulung“, schreibt Prof. Richter. Schon dieser Weg sei langwierig und steinig und setze vor allem Vertrauen voraus. Weil es gerade daran oft fehle, bleiben viele gute Taten das, was der Kollege so beklagt: Eintagsfliegen.

Quelle Text und Abb.: Richter HP. internistische praxis 2017; 57: 661-672; © Mediengruppe Oberfranken - Fachverlage GmbH & Co. KG, Kulmbach

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Der Junge hatte eine Amputation des rechten Unterarms und schwerste Verbrennungen am linken Arm erlitten sowie sein rechtes Auge verloren. Der Junge hatte eine Amputation des rechten Unterarms und schwerste Verbrennungen am linken Arm erlitten sowie sein rechtes Auge verloren. © Mediengruppe Oberfranken - Fachverlage GmbH & Co. KG, Kulmbach
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