Mein Name ist Hasenpest

Dr. Elke Ruchalla

Auch Ulzera wie auf dem Handrücken dieses Patienten können die Tularämie begleiten. Auch Ulzera wie auf dem Handrücken dieses Patienten können die Tularämie begleiten. © Science Photo Library/Science Source

Üblicherweise wird Francisella tularensis direkt oder indirekt von Hasenartigen oder Nagetieren übertragen. Doch auch ohne eine entsprechende Anamnese sollte man an die Tularämie denken, insbesondere bei unklaren Befunden mit ausgeprägt vergrößerten Lymphknoten.

Die Kollegen haben schwer gerätselt: Ein 17-Jähriger kam als Notfall mit einem Kreislaufzusammenbruch in die Klinik. Außerdem hatte er hohes Fieber, Pharyngitis, geschwollene, gerötete Mandeln und beidseitig eine zervikale Lymphadenopathie. Eine mehrtägige Therapie mit oralem Cefuroxim zeigte keinen Effekt, schreiben Dr. Moritz Klug von der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Klinikum Dritter Orden München und sein Team.

Im Anamnesegespräch erklärte der Junge, weder Auslandsreisen gemacht noch sich außerhalb des Münchener Stadtgebiets aufgehalten zu haben. Lediglich habe er in städtischen Parks mit Freunden sein Abitur gefeiert. Drogen und Geschlechtsverkehr wurden verneint. Ebenso gab es keine Erkrankungen im nahen Umfeld, keine Wildtierkontakte, keine Zecken- oder Insektenstiche. Die Laborwerte waren unauffällig.

Bei Verdacht auf eine bakterielle Tonsillopharyngitis erhielt er Ampicillin/Sulbactam, wegen einer Allergie kurz darauf Clindamycin. Doch der Zustand des jungen Mannes verschlechterte sich weiter. Er wurde desorientiert. Bildgebung und Liquoruntersuchung fielen negativ aus. Die zunehmende Verschlechterung seines Zustandes – hinzu kamen unter anderem Dyspnoe, Schluckstörungen und ein multiformes Exanthem – ließ sich auch durch die Therapieeskalation mit Metronidazol nicht aufhalten. Eine Biopsie der mittlerweile auf bis zu 5 cm vergrößerten Lymphknoten (auch zum Ausschluss eines Lymphoms) brachte schließlich an Tag 11 einen entscheidenden Hinweis: epitheloidzellige Granulome mit zentraler Nekrose ohne Malignomzeichen.

Befunde erst nach zwei Monaten normalisiert

Das ließ die Kollegen an eine Tular­ämie denken. Zwar war die Anamnese untypisch (kein Kontakt mit den klassischen Wirten, keine Arthropoden-Stiche, keine exotischen Aufenthalte), aber die Reverse-Transkriptase-PCR am Biopsat bestätigte den Erreger Francisella tularensis.

Antibiotische Therapie der Tularämie
Medikament
Dosis und Applikationsart
Dauer
erste Wahl

Ciprofloxacin

 

 

+ Gentamicin (in schweren Fällen)

15 mg/kgKG i.v. zweimal täglich (Tabletten nur in leichteren Fällen, bis 1 g/d)

 

 

5 mg/kgKG i.v. einmal pro Tag

14 Tage

 

14 Tage

zweite Wahl: Doxycyclin
ungeeignet: Betalaktamantibiotika und Cephalosporine

Daraufhin stellten die Ärzte die Antibiose um (s. Tabelle). Das brachte innerhalb von zwei Tagen die ersehnte Besserung. Nach insgesamt 17 Tagen konnte der junge Patient nach Hause. Allerdings brauchte er zwei Monate, bis sich alle Befunde normalisiert hatten, und noch länger, um körperlich wieder richtig fit zu werden. Bei unklaren Befunden mit ausgeprägt vergrößerten Lymphknoten sollte man trotz ihrer Seltenheit (72 Fälle im Jahr 2019) eine Tular­ämie nicht ausschließen, raten die Experten. Eine Infektion muss dem Gesundheitsamt namentlich gemeldet werden, und man sollte das zuständige nationale Referenzlabor informieren. Eine sichere Dia­gnose gelingt mittels RT-PCR aus infiziertem Material (hier: Lymphknoten) sehr gut, weswegen sie der Kultur vorzuziehen ist. Die Erreger wachsen im Labor nur in Spezialmedien. Trotzdem ist die Kultur für ein Antibiogramm sinnvoll. Aber Achtung: Wenn Sie Probenmaterial einschicken, machen Sie ausdrücklich auf den Tularämie-Verdacht aufmerksam – damit die Mitarbeiter Schutzmaßnahmen gegen das hochinfektiöse Bakterium ergreifen können. 10–50 Bakterien reichen für eine Infektion aus. Antikörper bilden sich erst nach etwa zwei Wochen, die Serologie hilft aber beim Screening von Kontaktpersonen.

Hauskaninchen waren nicht die Quelle

Woher der junge Mann in diesem Fall seine Bakterien hatte, ließ sich übrigens nicht mehr herausfinden. Familienmitglieder hatten sich nicht infiziert. Und auch in den städtischen Parks konnte man weder bei untersuchten Tieren noch bei Besuchern einen Hinweis finden. Die zwei Hauskaninchen des Jungen wurden aufgrund fehlender Symptome vom Referenzlabor als Infektionsquelle ausgeschlossen.

Quelle: Klug M et al. Monatsschr Kinderheilkunde 2021; 169: 500-503; DOI: 10.1007/s00112-020-01053-0

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Auch Ulzera wie auf dem Handrücken dieses Patienten können die Tularämie begleiten. Auch Ulzera wie auf dem Handrücken dieses Patienten können die Tularämie begleiten. © Science Photo Library/Science Source