Mit Altem und Neuem gegen die chronische Hepatitis B

Dr. Dorothea Ranft

Das Hepatitis-B-Virus hat einen Durchmesser von ca. 22 nm und ist nur schwer wieder loszuwerden. Das Hepatitis-B-Virus hat einen Durchmesser von ca. 22 nm und ist nur schwer wieder loszuwerden. © Science Photo Library/Cavallini, James

Die chronische Hepatitis B wird oft lange übersehen. Für die Patienten bedeutet das ein hohes Risiko für Leberschäden – die potenziell tödlich sein können. Früh therapiert lässt sich die chronische Infektion meist gut in Schach halten. Das senkt auch das Risiko für Komplikationen wie Zirrhose oder Karzinom.

Das Symptomspektrum der Hepatitis B reicht von minimalen Beschwerden trotz massiver Virusreplikation bis zu schwersten Leberschäden. Bei Erwachsenen heilt die Erkrankung bei intaktem Immunsystem im Allgemeinen von selbst ab. Von den perinatal Infizierten entwickeln mehr als 90 % eine chronische Leberentzündung, ­schreiben Prof. Dr. Geoffrey­ Dusheiko­ vom King’s College Hospital London und Kollegen.

Anhand der Laborparameter werden verschiedene Phasen der Erkrankung unterschieden. Die HBeAg*-positive Infektion tritt vor allem bei jungen Patienten auf. Die Alanin-Aminotransferase (ALT) ist trotz ausgeprägter Vir­ämie fast normal. 

Die HBeAg-positive immunaktive Erkrankung ist durch erhöhte HBV-DNA-Spiegel und Transaminasen gekennzeichnet, sie kann eine Leberfibrose auslösen. Eine spontane HBeAg-Serokonversion tritt jährlich bei etwa 15 % der Patienten auf. Der Übergang in einen HBeAg-negativen Status spricht zwar für ein geringeres Progressionsrisiko, dennoch sollten diese Patienten langfristig nachkontrolliert werden. Auch eine Serokonversion des HBsAg** ist prognostisch günstig, aber selten und nur in 1–2 % der Fälle pro Jahr sontan. Hepatozelluläre Karzinome treten fast nur bei Patienten mit Zirrhose auf, die jährliche Inzidenz liegt in diesem Fall bei bis zu 10 %. 

Erhöhte HBV-DNA ist ein Prädiktor für eine Zirrhose

Die Indikation für eine Therapie hängt von den Transaminasewerten, dem HBV-DNA-Spiegel und der Ausprägung der Leberschäden ab. Studien zufolge ist eine erhöhte HBV-DNA (> 2.000 IU/ml) ein wichtiger Prädiktor für Zirrhose und Karzinom. Patienten mit Werten unter 2.000 IU/ml und normaler ALT tragen ein geringeres Risiko. In den Leitlinien ist man sich einig, dass sämtliche Patienten mit Zirrhose und nachweisbarer HBV-DNA behandelt werden sollten. Die Therapie aller Patienten mit einer Virus-DNA über 2.000 IU/ml bietet diverse Vorteile, sie verhindert unter anderem den Übergang in eine aktive Erkrankung. 

In der Behandlung der chronischen Hepatitis B haben sich Nukleosidanaloga wie Tenofovir, Tenofoviralafenamid (TAF) und Entecavir als wirksam und sicher erwiesen. Ziel der Therapie ist eine Reduktion der HBV-DNA unter die Nachweisgrenze sowie eine Normalisierung der ALT und eine Reduktion von Entzündung und Fibrose. Außerdem werden Nukleosidanaloga zur Therapie von fulminanter Hepatitis B und dekompensierter Zirrhose genutzt. Sie eignen sich auch zur Prävention der HBV-Reaktivierung unter einer immunsuppressiven Therapie bzw. nach einer Lebertransplantation. Tenofovir wird bei Schwangeren eingesetzt, um die Virämie zu reduzieren und so das Risiko der Mutter-Kind-Transmission zu senken.

Nukleosidanaloga führen nur in etwa 20 % bis 30 % der Fälle zu einem HBeAg-Verlust nach ein bis zwei Jahren. Die HBsAg-Serokonversion erreicht man durch die Therapie deutlich seltener (0,2 % pro Jahr). Das Karzinomrisiko wird zwar reduziert, aber nicht vollständig eliminiert.

Der optimale Zeitpunkt für das Beenden der Therapie ist noch unklar. Die US-amerikanische Fachgesellschaft für Leber­erkrankungen plädiert dafür, die Nukleosidanaloga erst abzusetzen, wenn sich kein HBsAg mehr nachweisen lässt, wobei eine Zirrhose als Kontraindikation für den Therapiestopp gilt. Das Absetzen führt bei den meisten Patienten zu einem Rückfall, unter Tenofovir früher als unter Entecavir. Da dies das Risiko für eine hepatische Dekompensation erhöht, sollen die Vor- und Nachteile eines solchen Vorgehens sorgfältig abgewogen werden. 

Außerdem muss man die Begleitmedikation der Patienten im Auge behalten. Denn zahlreiche Medikamente können die Infektion reaktivieren, darunter Zytostatika, Immunsuppressiva, Checkpoint- und TNF-Inhibitoren. Besonders riskant ist eine Behandlung mit Rituximab, deshalb wird bei Menschen mit hohem Risiko eine präventive antivirale Therapie empfohlen. 

Auch Interferon-a (IFN-a) eignet sich zur Therapie von Patienten mit Hepatitis B, es ist ein wichtiger Immunmodulator. Bei Patienten, die darauf ansprechen, steigen unter der Therapie häufig die Aminotransferasewerte. In einer kontrollierten Studie mit Tenofovir plus pegyliertem Interferon-a-2a kam es in 9 % der Fälle zu einem Verlust des HBsAg, häufiger als mit einer Monotherapie. 

Derzeit werden zahlreiche weitere antivirale Wirkstoffe erforscht. Sie sollen den Bedarf für eine lebenslange Therapie reduzieren und eine funktionelle Heilung ermöglichen. Letztere wird angenommen, wenn der Patient eine anhaltende HBsAg-Serokonversion erreicht, also der Spiegel unter die Nachweisgrenze von 0,05 IU/ml sinkt. Außerdem sollte die HBV-DNA nach dem Ende der Behandlung nicht mehr detektierbar sein. Bei den potenziellen neuen Optionen gehen die Untersuchungen bisher allerdings meist nicht über die Phase 2 hinaus. 

Quelle: Dusheiko G et al. N Engl J Med 2023; 388: 55–69; DOI: 10.1056/NEJMra2211764

* e-Antigen des Hepatitis-B-Virus
** Oberflächenprotein der Virushülle von HBV (sAg = surface antigen)

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Das Hepatitis-B-Virus hat einen Durchmesser von ca. 22 nm und ist nur schwer wieder loszuwerden. Das Hepatitis-B-Virus hat einen Durchmesser von ca. 22 nm und ist nur schwer wieder loszuwerden. © Science Photo Library/Cavallini, James