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Starke Immunsuppressiva können Hepatitis B aufflammen lassen

In der Kasuistik US-amerikanischer Kolleginnen um Professor Dr. Jessica P. Hwang von der University of Texas in Houston geht es um einen 70-Jährigen. Er stellte sich wegen Erschöpfung, Nachtschweiß und starkem Gewichtsverlust in der Abteilung vor. Er erzählte, dass er täglich große Mengen an Nahrungsergänzungsmitteln und Vitaminen einnehme.
Es wurde eine stark symptomatische chronische lymphatische Leukämie (CLL) diagnostiziert mit B-Symptomen, stark vergrößerten Lymphknoten und einer Leukozytenzahl von 916 x 109/ml. Der Mann erhielt eine Chemoimmuntherapie mit Fludarabin, Cyclophosphamid, und Rituximab.
Ein asymptomatischer Anstieg der ALT auf 326 U/l nach vier Zyklen bei unauffälligem Bilirubin normalisierte sich nach Absetzen der Ergänzungspräparate. Etwa eineinhalb Jahre später stiegen die ALT-Werte wieder auf 290 U/l. Nun wurde eine Virusdiagnostik veranlasst, die positiv ausfiel für HBV Hüll- und Kernproteine (HBsAg und Anti-HBc-Antikörper). Die HBV-DNA-Konzentration im Blut betrug mehr als 170 000 000 IU/ml. Enzymwerte und DNA fielen unter einer Behandlung mit täglich 0,5 mg Entecavir rasch und dauerhaft ab.
Prophylaktische Antivirostatika schützen fast alle Patienten
Die drei Autorinnen weisen darauf hin, dass unter immunsuppressiver Therapie die Wahrscheinlichkeit einer Reaktivierung von HBV-Infektionen besteht, was in schweren Fällen zu Leberversagen und Tod führen kann. Eine Erhöhung der ALT-Spiegel muss dabei nicht zwingend auftreten.
Die Gefahr einer Reaktivierung fällt höher aus bei chronischer Infektion (HBsAg-positiv), sie kommt jedoch auch bei HBsAg-negativen und HBc-positiven Patienten vor – insbesondere unter starker Immunsuppression mit z.B. Rituximab.
Geringer, aber dennoch vorhanden ist das Risiko beim Nachweis von HBs-Antikörpern. Konkret liegt es unter Rituximab ohne antivirale Prophylaxe zwischen 33 % und 65 % bei HBsAg-positiven Patienten. Für HBsAg-negative, aber HBc-positive Personen beträgt es 6–24 %. Eine prophylaktische Gabe antiviraler Medikamente kann eine Reaktivierung zu 80–100 % verhindern und ist effektiver, als die Therapie erst aufgrund einer Manifestation zu beginnen.
Die Behandlung des vorgestellten Patienten liegt einige Jahre zurück – mittlerweile wird in Leitlinien vor der Einleitung von CD20-Antikörpern ein Screening auf HBsAg und HBc-Antikörper empfohlen. Fällt einer der beiden Tests positiv aus, so sollte eine Prophylaxe mit Entecavir oder Tenofovir erfolgen. Die antivirale Therapie erfolgt für mindestens ein Jahr nach der letzten Dosis Rituximab.
Quelle: Hwang JP et al. Lancet 2021; 397: 510; DOI: 10.1016/S0140-6736(21)00210-5
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