Mit Medikamenten zum Rauchstopp

Manuela Arand

Fünf vor zwölf heißt nicht, bereits zu spät: Tabakabstinenz lohnt sich auch für Lungenpatienten. Fünf vor zwölf heißt nicht, bereits zu spät: Tabakabstinenz lohnt sich auch für Lungenpatienten. © Science Photo Library/ Maslo, Miriam; iStock/bert_phantana

Verhaltens- und Pharmakotherapie kombinieren bzw. beide zum richtigen Zeitpunkt einsetzen: Durch diese Strategie verdoppelt sich die Chance auf einen erfolgreichen Tabakentzug. Wie sie in der Praxis funktioniert, verrät die Leitlinie der US-amerikanischen Kollegen.

Die medikamentöse Therapie trägt entscheidend dazu bei, dass der Ausstieg aus der Tabaksucht gelingt. Beratung allein bringt 3 % der Raucher zum endgültigen Verzicht, Verhaltenstherapie weitere 10 %. Die Kombination mit Medikamenten setzt noch einmal 10–15 % drauf, erläuterte Professor Dr. Joelle Fathi, Universität Seattle. Sie hat an der neuen Leitlinie der American Thoracic Society (ATS) zur medikamentösen Therapie der Nikotinabhängigkeit mitgearbeitet.

Denkfallen hindern Ärzte daran, zu intervenieren

Damit Tabakentwöhnungsprogramme erfolgreich sein können, müssen Ärzte ihre Patienten unterstützen und motivieren. Denn die stehen dem Rauchstopp oft ambivalent gegenüber: „Ich möchte so gerne aufhören wollen“, zitierte Professor Dr. Frank T. Leone, Universität Philadelphia, eine Patientin. Nach seinem Verständnis ähnelt Rauchen einer Zwangsstörung und ist ebenso schwer zu besiegen. Was hält die Kollegen davon ab, Patienten beim Ausstieg zu helfen? Eine Befragung in den USA ergab, dass sie kein Problem darin sehen, ihre Patienten auf die NIkotinsucht anzusprechen und sie in puncto Ausstieg zu beraten. Auch die Überlegung, dass die Erfolgsraten des Tabakentzugs eher niedrig ausfallen, ist offenbar kein wesentlicher Hemmschuh, obwohl ein gewisser therapeutischer Nihilismus aufscheint. Dass Patienten aufhören würden zu rauchen, wenn sie nur richtig beraten und mehr Ressourcen auf Rauchentwöhnung verwendet würden, glaubt kaum ein Kollege. Das Team von Prof. Leone hat eine Reihe von Denkfallen ausgemacht, die Ärzte davon abhalten, Ausstiegsprogramme samt medikamentöser Unterstützung umzusetzen:
  • Der Misserfolg beim letzten Patienten lässt die Effektivität des ganzen Programms fragwürdig erscheinen.
  • Andere Baustellen scheinen gerade wichtiger, zum Beispiel die optimale Blutdruckeinstellung, obwohl sich der Rauchstopp langfristig mindestens ebenso auszahlt.
  • Die Vorstellung, man könne den Patienten verlieren, lässt zögern, das Rauchstoppthema anzusprechen.
  • Die Angst vor Nebenwirkungen verhindert, dass eine wirksame unterstützende Medikation verordnet wird.

Neuropsychiatrische Probleme sind vom Tisch

Als lang wirksame Controller stehen Vareniclin und das ursprünglich als Antidepressivum entwickelte Bupropion zur Verfügung. Nikotinersatzproduk­te können sowohl als Controller als auch in kurz wirksamer Formulierung als Reliever bei akutem Craving verwendet werden. Alle erhöhen die Verfügbarkeit von Dopamin im zentralnervösen Belohnungssystem, wirken aber unterschiedlich am Nikotinrezeptor α4β2nAChR: Nikotinersatz stimuliert ihn, Bupropion blockiert ihn partiell, Vareniclin wirkt teils agonistisch, teils antagonistisch. Die zwischenzeitlich aufgetauchten Bedenken, Bupropion und Vareniclin könnten neuropsychiatrische Probleme auslösen, wurden vor fünf Jahren durch die große Doppelblindstudie EAGLES mit mehr als 8.000 psychiatrischen und nicht-psychiatrischen Patienten entkräftet.  Als Kernpunkte der neuen Leitlinie nannte Prof. Fathi die folgenden:
  • Vareniclin ist Controller der ers­ten Wahl vor Bupropion und Nikotinersatz, wobei die Leitlinie dazu rät, Vareniclin mit Nikotinpflaster zu kombinieren.
  • Vareniclin erhält klar den Vorzug vor E-Zigaretten als Ausstiegs­hilfe.
  • Selbst wenn der Patient (noch) nicht bereit ist, völlig aufs Rauchen zu verzichten, ist es sinnvoll, die Behandlung mit Vareniclin zu beginnen.
  • Auch Patienten mit neuropsych­iatrischen Erkrankungen sollte der Nikotinentzug durch Vareniclin erleichtert werden.
  • Die Behandlung soll prolongiert für länger als zwölf Wochen erfolgen, weil das die Chance auf einen Langzeiterfolg substanziell erhöht. (Eine Dauer von sechs bis zwölf Wochen gilt als Standard.)
Neben ihrer Dauermedikation sollten die Patienten unbedingt Reliever bereithalten, um gegensteuern zu können, wenn akute Entzugssymptome auftreten. „Das ist immens wichtig für den Rauchstopp“, betonte Prof. Fathi. „Es vermittelt den Patienten das Gefühl, auch in diesen Situationen die Kontrolle zu behalten.“

Wie klappt der Vape-Stopp?

Für den Rauchausstieg gibt es reichlich evidenzbasierte Strategien, aber was hilft, von der E-Zigarette loszukommen? Vor allem angesichts der Vaping-Epidemie unter den amerikanischen Jugendlichen ist die Frage relevant, betonte Professor Dr. Michelle Eakin, Johns Hopkins University, Baltimore. Die Hersteller haben den Nikotingehalt der ENDS (Electronic Nicotine Delivery Systems) über die Jahre stetig erhöht, jedenfalls in den USA. Der stärkste „Pod“ enthält heute 90 mg Nikotin – so viel wie rund 90 herkömmliche Zigaretten. Außerdem liegt Nikotin in den Liquids nicht als freie Base, sondern als Salz vor, was die Passage durch die Bluthirnschranke beschleunigt und den Flash verstärkt. Zugleich sinken die Spiegel schneller, das verstärkt Entzugssymptome und Craving. „Das alles erhöht das Abhängigkeitspotenzial beträchtlich“, so Prof. Eakin. Für Jugendliche sind ENDS aus vielen Gründen noch gefährlicher, weil sie rascher abhängig werden und das junge Hirn sensibler auf neurotoxische Effekte von Nikotin reagiert. Ein Problem sieht die Kollegin darin, dass es keine erprobten Behandlungsverfahren gibt, die Ärzte jenen jungen Menschen anbieten können, die zwar vom Vaping lassen wollen, es aber allein nicht schaffen. Und davon gibt es viele: Ein aktueller Report zeigt, dass jeder dritte junge Vaper im vergangenen Jahr den Ausstieg probiert hat. Erste digitale Ausstiegsprogramme sind entwickelt. In Studien geprüft ist noch keines davon, aber die Erfolgsraten scheinen gut zu sein.

Unterstützungssysteme off- oder online nutzen

Ist der Ausstieg geschafft, gilt es Rückfälle zu verhindern. Personalisierte Interventionen mit regelmäßigen Kontakten erleichtern es dem Patienten, abstinent zu bleiben. Außerdem sollte der Kontakt zu Unterstützungssystemen wie Selbsthilfegruppen off- oder online vermittelt werden. Eine intensivere Betreuung wird notwendig, wenn bei dem Patienten weitere psychische oder psychiatrische Störungen bestehen.

Kongressbericht: ATS 2021 International Conference (Online-Veranstaltung)

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Fünf vor zwölf heißt nicht, bereits zu spät: Tabakabstinenz lohnt sich auch für Lungenpatienten. Fünf vor zwölf heißt nicht, bereits zu spät: Tabakabstinenz lohnt sich auch für Lungenpatienten. © Science Photo Library/ Maslo, Miriam; iStock/bert_phantana