Morbus Addison sollte heute nicht mehr tödlich enden

Dr. Dorothea Ranft

Typische Zeichen eines adrenalen Hormondefizits sind unbeabsichtigter Gewichtsverlust, orthostatische Hypotonie, Müdigkeit, Bauch- und Muskelschmerzen sowie eine Hyponatriämie. Typische Zeichen eines adrenalen Hormondefizits sind unbeabsichtigter Gewichtsverlust, orthostatische Hypotonie, Müdigkeit, Bauch- und Muskelschmerzen sowie eine Hyponatriämie. © iStock/ljubaphoto

Nach wie vor sterben Patienten an einer Addison-Krise – nicht zuletzt, weil ihre Erkrankung zu Lebzeiten unentdeckt blieb. Dabei ist die Nebenniereninsuffizienz inzwischen gut behandelbar. Egal, welche Form vorliegt.

Typische Zeichen eines adrenalen Hormondefizits sind unbeabsichtigter Gewichtsverlust, orthostatische Hypotonie, Müdigkeit, Bauch- und Muskelschmerzen sowie eine Hyponatriämie. Gerade Letztere sollte ohne weitere fassbare Gründe an die Nebennierenunterfunktion denken lassen, schreiben Professor Dr. Eystein Husebye vom Department of Clinical Science der Universität Bergen und Kollegen.

Eine primäre Insuffizienz (Morbus Addison) kann viele Ursachen haben, häufig handelt es sich aber um ein autoimmunes Geschehen. Die Patienten brauchen in der Regel die externe Zufuhr von Gluko- und Mineralkortikoiden, Tumoren der Hypophyse(-Region) sind die häufigsten Auslöser einer sekundä­ren Insuffizienz, seltener liegt eine Blutung oder ein Insult zugrunde. Die tertiäre Form kann sich nach einer Steroidbehandlung entwickeln, für die sekundäre und tertiäre Variante genügt meist der Ausgleich des Glukokortikoid-Mangels.

Die Supplementierung erfolgt bevorzugt mit Hydrocortison (15–25 mg/d für Erwachsene). Die meis­ten Patienten teilen die Applikation in zwei oder drei Portionen auf, manche sogar auf vier oder mehr, um eine gleichmäßige Versorgung zu erreichen. Die erste und größte Dosis sollte morgens direkt nach dem Aufstehen eingenommen werden. Die Letzte steht vier bis sechs Stunden vor dem Zubettgehen an, um Schlafstörungen zu vermeiden. Patienten, die sich trotz optimierter Standardtherapie nicht wohlfühlen, können von Tabletten mit verzögerter Freisetzung profitieren, die sie nur einmal täglich nehmen müssen.

Sicherheit fürs Baby

Im dritten Trimenon haben Schwangere einen erhöhten Hydrocortison-Bedarf. Auch die Fludrocortison-Dosis muss in diesem Zeitraum oft gesteigert werden. Die ausreichende Versorgung sollte man anhand von Salzhunger, Blutdruck und Serumelektrolyten überprüfen. Die Plasmareninaktivität eignet sich wegen des physiologischen Anstiegs während der Gravidität nicht dazu.

Die Therapiekontrolle erfolgt anhand der Symptomatik – Plasma-ACTH und Serum-Cortisol eignen sich dafür nicht. Für eine zu geringe Substitution sprechen Übelkeit, Appetitmangel, Gewichtsverlust und verstärkte Pigmentierung.

Therapie mit Fludrocortison und Salzstreuer

Typische Zeichen einer zu hohen Dosis sind Gewichtszunahme, kutane Infektionen und Glukoseintoleranz. Wenn Beschwerden wie Müdigkeit oder mangelnde Kondition nur zu gewissen Tageszeiten auftreten, kann eine Vorverlagerung der ersten Applikation (ggf. schon zwei bis drei Stunden vor dem Aufstehen) und eine weitere Aufteilung auf mehrere Portionen für Abhilfe sorgen. Der Mineralokortikoid-Mangel beim M. Addison lässt sich mit Fludrocortison ausgleichen (0,05–0,20 mg einmal täglich). Gegen die Hyponatriämie empfehlen die Autoren einen Kochsalzverzehr nach Belieben. Der Erfolg der Hormongabe wird auch hier anhand der Klinik kontrolliert. Dabei sollte man gezielt nach Symptomen der Unterdosierung wie persistierendem Salzhunger und Schwindel fragen, den Blutdruck im Liegen und Stehen messen und nach etwaigen Ödemen fahnden. Eine Abschätzung des individuellen Bedarfs anhand der Renin-Werte ist nicht zuverlässig. Diuretika und andere Wirkstoffe mit Einfluss auf Blutdruck und Elektrolyte können mit Fludrocortison interagieren. Deshalb empfehlen die Experten, Patienten, die zusätzlich an einer essenziellen Hypertonie leiden, mit einem ACE-Hemmer oder Kalziumantagonisten zu behandeln (Hormondosis ggf. reduzieren). Lakritze und Grapefruitsaft verstärken u.U. den Mineralokortikoid-Effekt und sollten deshalb gemieden werden. Ein Ausgleich des Androgendefizits erzielt meist nur einen geringen Effekt. Er kann aber in Tagesdosen von 10–25 mg die Libido und das emotionale und mentale Wohlbefinden verbessern. Allerdings wird Dehydroepiandrosteron teilweise in Östrogen metabolisiert, was möglicherweise das Risiko für KHK, Krebs und Thromboembolien erhöht. Langzeitdaten zur Sicherheit stehen noch aus. Akute Lebensgefahr besteht bei der Addison-Krise, die etwa jeden zweiten Patienten irgendwann trifft. Häufigste Auslöser: Gastroenteritiden, Infektionen und chir­urgische oder zahnmedizinische Eingriffe. Die Entgleisung macht sich typischerweise mit schwerem Krankheitsgefühl, Erbrechen, Pseudoperitonitis, Dehydration (Blutdruckabfall) und Vigilanzstörungen (bis zum Koma) bemerkbar. Nur eine sofortige Therapie kann den Patienten retten. Dafür empfehlen die Autoren die intravenöse Applikation von 100 mg Hydrocortison als Bolus. Das Flüssigkeitsdefizit lässt sich durch die Infusion physiologischer Kochsalzlösung (initial 1 l pro Stunde) ausgleichen. Zur Prävention sollte man nach der Ursache der Krise (z.B. Infektion, Noncompliance, mangelnder Salzkonsum) fahnden und falls möglich, hier einem Rezidiv vorbeugen. Zusätzlich wird eine Impfung gegen Influenza und bei über 60-Jährigen auch gegen Pneumokokken empfohlen. Außerdem sollte der Patient lernen, sich im Fall der Fälle selbst Hydrocortison zu spritzen (Pen) und seine Ärzte über seine Steroidabhängigkeit informieren. Bei Infekten mit Fieber (> 38,5 °C), grippeähnlicher Erkrankung oder Diarrhö emp­fiehlt es sich, die Glukokortikoid-Dosis für 24 Stunden zu verdoppel. Auch während medizinischer Eingriffe ist eine vermehrte Hormoneinnahme sinnvoll.

Extraportion Hydrocortison für anstrengende Zeiten

Viele Patienten benötigen in Stress­situationen, längerer körperlicher Anstrengung oder Sportwettkämpfen eine Extraportion Glukokortikoid. Dafür nennen die Autoren eine Dosis von 2,5–5 mg Hydrocortison vor und alle zwei bis vier Stunden während der Belastung. Ausdauer-Athleten und Reisende in warme Länder benötigen evtl. auch mehr Fludrocortison bzw. eine erhöhte Salzzufuhr.

Quelle: Husebye ES et al. Lancet 2021; DOI: 10.1016/S0140-6736(21)00136-7

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Typische Zeichen eines adrenalen Hormondefizits sind unbeabsichtigter Gewichtsverlust, orthostatische Hypotonie, Müdigkeit, Bauch- und Muskelschmerzen sowie eine Hyponatriämie. Typische Zeichen eines adrenalen Hormondefizits sind unbeabsichtigter Gewichtsverlust, orthostatische Hypotonie, Müdigkeit, Bauch- und Muskelschmerzen sowie eine Hyponatriämie. © iStock/ljubaphoto