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Mutter oder Kind? Schwere Entscheidung bei Brustkrebs in der Schwangerschaft
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Primär zählt der Wille der Mutter, betonte Geburtshelfer Professor Dr. Ekkehard Schleußner, Universitäts-Frauenklinik Jena. Die Tumortherapie in der Schwangerschaft kann das Leben der Mutter retten, ein Therapieaufschub oder Therapieverzicht dem Kind eine Chance geben.
Die Beratung in dieser schwierigen Situation sollte immer interdisziplinär mit Onkologen, Geburtshelfern, Neonatologen, Psychologen und der Patientin und ihrem Partner erfolgen. Dabei ist die werdende Mutter als Expertin für sich selbst in ihrer Selbstbestimmung zu respektieren und in ihrer Autonomie zu fördern. "Es geht nicht um unsere eigenen Wertvorstellungen", betonte Prof. Schleußner, "sondern um die der Mutter, der Familie."
Eine operative Tumortherapie ist in der Schwangerschaft immer möglich, so Prof. Schleußner, eine Chemotherapie zumindest ab dem zweiten Trimenon auch. Mit dem Kindeswohl nicht vereinbar sind dagegen eine Strahlentherapie, eine endokrine Therapie, die Gabe von Methotrexat oder eine Anti-HER2-Therapie mit Trastuzumab oder Bevacizumab sowie Bisphosphonate und Tyrosinkinaseinhibitoren.
Möglichst bis zur 24. SSW abwarten
Wenn man mit dem Beginn der Chemotherapie noch warten kann, empfiehlt Prof. Schleußner, zu versuchen, die 24. Schwangerschaftswoche zu erreichen, dann sobald wie möglich die Entbindung durchzuführen und anschließend mit der Chemotherapie zu beginnen.
Wenn dies nicht möglich ist und die Chemotherapie schon im ersten Trimester begonnen werden muss, wäre aus medizinischer Sicht eine Abruptio anzuraten. Diese Entscheidung fällt den betroffenen Frauen aber oft schwer, sei es aus religiösen Gründen oder weil dieser aktive Akt gegen das Ungeborene unmöglich erscheint. "Dann muss man das nicht verlangen", findet Prof. Schleußner. Der bei Chemotherapie im ersten Trimenon folgende Abort wird seiner Erfahrung nach häufig eher als etwas Naturgegebenes akzeptiert, als selbst über den Tod des Kindes zu entscheiden.
Bei einer Chemotherapie ab dem zweiten Trimenon besteht weiterhin eine Gefahr für den Fötus, denn die infrage kommenden Chemotherapeutika – Anthrazykline und Taxane – sind alle plazentagängig. "Die Mutter profitiert aber von der Beendigung der Schwangerschaft nicht, das sollte man klar sagen", betonte Prof. Schleußner.
Die Behandlung sollte wie bei Nichtschwangeren dem Standard folgen. Er empfahl, die Schwangerschaft so lange zu führen, wie es der Krankheitsverlauf erlaubt. Drei Wochen vor dem angesetzten Geburtstermin sollte die Chemotherapie ausgesetzt werden und etwa fünf Tage nach Geburt wieder beginnen, also möglichst ohne Verzögerung in den Zyklen durchgeführt werden.
Der zeitliche Abstand vor der Geburt ist entscheidend
Der Abstand vor der Geburt ist wichtig, weil die Entgiftung des fetalen Blutes bis zur Geburt noch ganz über die Mutter läuft und das ab der Geburt das Neugeborene übernehmen muss. "Da wollen wir nicht, dass dann noch höhere Dosen drin sind", erläuterte Prof. Schleußner. Nach Ergebnissen einer Fall-Kontroll-Studie müsse im Übrigen nicht mit einer überdurchschnittlich häufigen Beeinträchtigung von kognitiven und kardialen Funktionen oder Verzögerungen in der allgemeinen Entwicklung gerechnet werden.1
Entscheidend ist allerdings die Reife des Kindes zum Zeitpunkt der Geburt: Wie bei Kindern, deren Mütter nicht an Krebs litten, ist auch hier eine Frühgeburt mit einem schlechteren kognitiven Ergebnis assoziiert, das aber nicht von der Krebstherapie abhängig ist.
1 Amant F et al. N Engl J Med. 2015; 373: 1824–1834
Quelle: DGHO-Jahrestagung 2016
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