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Neue Nomenklatur beruht auf Krankheitsmechanismen

Neue diagnostische Möglichkeiten auf molekularer und genetischer Ebene haben dazu geführt, dass allergische Erkrankungen zunehmend anhand von Biomarkern und immunologischen Signalwegen und weniger aufgrund von Symptomen und Organfehlfunktionen charakterisiert werden. Die Europäische Akademie für Allergie und klinische Immunologie (EAACI) schlägt deshalb eine neue Nomenklatur vor, die auf den Krankheitsmechanismen basiert. Dies erleichtert ein gezieltes und personalisiertes Krankheitsmanagement, schreibt der Ärzteverband Deutscher Allergologen (AeDA) in einer Pressemitteilung zum EAACI-Positionspapier. „Wir gehen davon aus, dass die neue Klassifikation den Behandlungsansatz allergischer Erkrankungen grundlegend verändern wird“, heißt es weiter in der AeDA-Meldung. Wie sieht die neue EAACI-Einteilung genau aus? Die Experten unterscheiden neun Formen allergischer Erkrankungen (s. Tabelle).
Neue Nomenklatur allergischer Erkrankungen nach EAACI 2023
Allergie | ||||||||
durch Inflammation/Immunsystem gesteuert – antikörpervermittelt | durch Inflammation/Immunsystem gesteuert – zellvermittelt | gewebegesteuerte Mechanismen | direkte Antwort auf chemische Substanzen | |||||
Typ I | Typ II | Typ III | Typ IVa | Typ IVb | Typ IVc | Typ V | Typ VI | Typ VII |
z.B. allerg. Rhinitis, Asthma, atop. Dermatitis | z.B. medikamenten-induzierte Zytopenie | z.B. medikamenten-induzierte Vaskulitis, Serumkrankheit | z.B. allerg. Kontaktdermatitis, allerg. Rhinitis, Zöliakie | z.B. Asthma, allerg. Rhinitis, atop. Dermatitis (Typ-2-Endotypen) | z.B. neutrophiles Asthma | z.B. Asthma, eosinophile Ösophagitis | z.B. Asthma plus Adipositas, histamingesteuerte Störungen | z.B. AERD |
Typ I – Allergie vom Sofort-Typ
IgE-abhängige Typ-I-Reaktionen treten bei Patienten mit allergischer Rhinitis bzw. Rhinokonjunktivitis, Asthma, atopischer Dermatitis, akuter Urtikaria/Angiödem, Lebensmittel-, Insektengift- und Medikamentenallergie auf. Eine wichtige Rolle spielen bei diesem Allergietyp bestimmte Interleukine (IL; IL-4, IL-5, IL-9, IL-13) sowie verschiedene Mediatoren, die aus Mastzellen und Basophilen freigesetzt werden.
Typ II – antikörpervermittelte zelluläre Zytotoxizitätsreaktion
Dabei handelt es sich oft um medikamenteninduzierte Reaktionen, von denen man annimmt, dass sie allergische Zytopenien verursachen. Doch werden Typ-II-Reaktionen auch bei verschiedenen Autoimmunerkrankungen beobachtet. Bei der Typ-II-Reaktion schädigen IgG und IgM Zellen über verschiedene Mechanismen, z.B. über die Aktivierung des Komplementsystems oder über die Aktivierung von Eosinophilen.
Typ-III – immunkomplexvermittelte Reaktion
Hierzu zählen die akute Phase der extrinsischen allergischen Alveolitis, die medikamenteninduzierte Vaskulitis, die Serumkrankheit und die Arthus-Reaktion. Ausgelöst werden Typ-III-Reaktionen durch die Bindung von IgM- und IgG-Antikörpern an lösliche Antigene, die als Allergene fungieren. Diese Antigen-Antikörper-Komplexe lagern sich in verschiedenen Geweben ab und führen dort zur Inflammation. Das triggert wiederum eine Aktivierung des Komplementsystems und in der Folge lokal entzündliche Reaktionen und Gewebeschäden.
Typ-IV – zellvermittelte Reaktion
Gedächtnis-T-Lymphozyten, die mit ILC (innate lymphoid cells), natürlichen Killerzellen, Neutrophilen, Eosinophilen und Makrophagen interagieren, sind die Treiber der Typ-IV-Reaktion (früher: Allergie vom Spättyp). Typ IVa (T1-Immunantwort): Ein Beispiel ist das allergische Kontaktekzem, an dessen Entstehung Th1- und Tc1-Zellen beteiligt sind. Typ IVb (T2-Immunantwort): Beispiele sind atopische Dermatitis, chronische Rhinosinusitis mit Nasenpolypen und Asthma (T2-Endotypen). Für die Typ-IVb-Reaktion spielen Th2-Zellen, ILC2, natürliche Killerzellen, Eosinophile und bestimmte Makrophagen eine wichtige Rolle. Typ IVc (T3-Immunantwort): Beispiel hierfür ist das neutrophile Asthma. Wichtiges Merkmal bei der Typ-IVc-Allergie ist die Infiltration des Gewebes mit Neutrophilen, die durch IL-17 und andere Interleukine angelockt werden.
Typ V – Defekt der Epithelbarriere
In den letzten Jahren gab es neue Erkenntnisse zu entzündlichen Erkrankungen der Haut und Schleimhäute wie z.B. atopische Dermatitis, Asthma, allergische Rhinitis, eosinophile Ösophagitis oder Zöliakie. Diesen Krankheitsbildern können unterschiedliche Pathomechanismen zugrunde liegen. Manchmal handelt es sich nicht um eine primäre Immunfehlregulation, sondern um eine Störung der Haut- oder Schleimhautbarriere, die dann das Immunsystem aktivieren und eine chronische Inflammation nach sich ziehen kann.
Typ VI – metabolisch induzierte Immundysregulation
Diese kann beispielsweise bei adipösen Personen mit Asthma vorliegen. Ein hoher BMI ist mit erhöhten zirkulierenden Entzündungsmediatoren assoziiert. Bei diesen Patienten kommt es jedoch nicht nur zu einer vermehrten Freisetzung von inflammatorischen Substanzen und einer (allergischen) Atemwegsentzündung, sondern auch zu ungünstigen Veränderungen des Mikrobioms in Darm, Nase, Mundhöhle und Lunge.
Typ VII – direkte zelluläre und inflammatorische Reaktion auf chemische Substanzen
Typ-VII-Reaktionen treten u.a. bei Patienten mit allergischer Rhinitis/Rhinokonjunktivitis, Asthma, akuter Urtikaria oder Medikamentenallergie auf. Ein Beispiel für eine Typ-VII-Reaktion ist AERD* (aspirin-exacerbated respiratory disease). Bei AERD kommt es zu einer übermäßigen Produktion von entzündungsfördernden Cysteinyl-Leukotrienen, die eine Bronchokonstriktion, erhöhte Gefäßpermeabilität und Mukusbildung verursachen.
Allergie-Definition der EAACI
Eine Allergie ist laut EAACI-Definition eine abnorme oder übertriebene Reaktion auf einen exogenen Stimulus. Sie umfasst verschiedene Typen von Hypersensitivitätsreaktionen, an denen Antikörper, immunzellvermittelte, gewebsgesteuerte und metabolische Mechanismen beteiligt sind. Dies führt zur Entwicklung von respiratorischen, gastrointestinalen, Augen-, Haut- und weiteren Symptomen und schließt auch die Anaphylaxie ein.
* AERD = aspirin-exacerbated respiratory diseases; T1/T2/T3 = Typ-1/Typ-2/Typ-3-Immunantwort
Quelle: Jutel M et al. Allergy 2023; 78: 2851-2874; DOI: 10.1111/all.15889
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