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Von Erstlinie bis Rezidiv

Wie Prof. Dr. Hervé Tilly, Centre Henri Becquerel, Rouen, erinnerte, stellt R-CHOP seit gut 20 Jahren den Standard für die Erstlinientherapie des DLBCL dar.1 Kürzlich wurde das Schema für bestimmte Patient:innengruppen modifiziert. So reichen bei Jüngeren mit geringem Risiko meist vier Zyklen (statt sechs) R-CHOP aus. Weisen die Betroffenen ungünstige Risikofaktoren auf, sind sechs Zyklen genauso gut wie acht. „Sechs Zyklen wird daher als Standard angesehen“, so Prof. Tilly. Forschende versuchten in den vergangenen Jahren, R-CHOP zu verbessern – durch eine angepasste Intensität, Erhaltungsstrategien, der Kombination mit Small-Molecule-Inhibitoren und dem Austausch des Antikörpers.
Intensivere Protokolle schlugen fehl; nur in einer Studie wurde durch das aggressivere R-ACVBP gegenüber R-CHOP ein PFS- und OS-Vorteil erzielt, allerdings ging es mit mehr schweren Nebenwirkungen einher. Auch Erhaltungstherapien mit u.a. Rituximab oder Lenalidomid konnten das OS nicht verbessern, Gleiches galt, zumindest in der primären Analyse der Studien, für Kombinationen von R-CHOP mit Bortezomib, Lenalidomid oder Ibrutinib.
Die Addition von weiteren Antikörpern scheint den größten Erfolg zu versprechen – so geschehen in der POLARIX-Studie mit dem Antikörper-Wirkstoff-Konjugat Polatuzumab-Vedotin. Die Teilnehmenden erhielten randomisiert Pola-R-CHP oder R-CHOP für sechs Zyklen und anschließend zwei Zyklen Rituximab. Das PFS verbesserte sich im Prüfarm signifikant gegenüber der Kontrolle mit einem absoluten Zugewinn von 7,7 % nach 36 Monaten. Das OS unterschied sich jedoch nicht. Allerdings benötigen die Erkrankten unter R-CHOP mehr Folgebehandlungen als diejenigen unter Pola-R-CHP. Seit März 2022 ist Pola-R-CHP für die Erstlinie des DLBCL zugelassen.
Ältere und fragile Patient:innen
Besonders von der neuen Kombination scheinen Personen > 60 Jahre zu profitieren. Betroffene über 70 Jahre lebten mit Pola-R-CHP sogar tendenziell länger. Auch diejenigen mit einem höheren IPI sowie mit DLBCL vom ABC-Typ scheinen einen großen Vorteil aus Pola-R-CHP zu ziehen.
Der Standard R-CHOP ist bei älteren (> 80 Jahre) und fragilen Erkrankten mit signifikanten Toxizitäten assoziiert, weshalb sie R-miniCHOP erhalten – ein Regime mit reduzierter CHOP-Dosis. Um die Effektivität zu erhöhen, prüfen Forschende zurzeit in der POLARBear-Studie Pola-R-mini-CHP gegen R-miniCHOP. Für diejenigen, die R-miniCHOP nicht vertragen, wurden weitere Möglichkeiten vorgeschlagen: Unter anderem R-GEMOx, R-Bendamustin, R-CEOP und R-COMP.
Ausblick für die Erstlinie
In Zukunft lässt sich die Erstlinientherapie des DLBCL weiter verbessern, womöglich durch den Einsatz bispezifischer Antikörper oder CAR-T-Zellen in bestimmten Patient:innengruppen, meinte Prof. Tilly.
Rezidivbehandlung
Prof. Dr. Laurie H. Sehn, The University of British Columbia, Vancouver, gab einen Überblick über das Management von Rezidiven.2 Eine autologe Stammzelltransplantation steht bei dafür geeigneten Erkrankten im Fokus; damit lässt sich das ereignisfreie Überleben gegenüber einer Salvagetherapie signifikant verbessern. Die Situation wird allerdings durch eine vorangegangene Rituximab-Gabe verkompliziert: Die Prognose der Betroffenen verschlechtert sich nach der Transplantation im Vergleich zu denjenigen, die zuvor nicht mit dem Antikörper behandelt wurden.
Doch Rezidiv ist nicht gleich Rezidiv, hob die Referentin hervor. Entscheidend sei der Zeitpunkt des Rückfalls: Tritt dieser erst nach zwei Jahren oder später auf, ist die Überlebenswahrscheinlichkeit nach der Transplantation deutlich höher, als wenn die Erkrankung früh, also innerhalb von 24 Monaten rezidiviert. Noch schlechter fällt die Prognose aus wenn eine primäre Refraktärität vorliegt.
Neuer Algorithmus für rezidivierte/refraktäre LBCL
- Patient:innen mit Rezidiv ≤ 1 Jahr, die sich für eine CAR-T-Zell-Therapie eignen, erhalten Axicabtagen-Ciloleucel oder Lisocabtagen-Maraleucel in der Zweitlinie
- Erkrankte mit Rezidiv ≤ 1 Jahr, die sich nicht für eine CAR-T-Zell-Therapie eignen, können mit unterschiedlichen Regimen behandelt werden, darunter investigative Substanzen, einer Chemoimmuntherapie, Polatuzumab-Vedotin, Selinexor, Tafasitamab + Lenalidomid, Loncastuximab-Tesirin oder best supportive care; Gleiches gilt für diejenigen, deren Krankheit unter einer Zweitlinien-CAR-T-Zell-Therapie progredient wird
- Personen mit Rezidiv > 1 Jahr, die sich für eine ASCT eignen, erhalten eine Zweitlinien-Salvage-Therapie mit oder ohne ASCT; kommen sie dafür nicht infrage, werden sie mit den unter Punkt 2 genannten Optionen behandelt, ebenso diejenigen, deren Erkrankung unter der Salvagetherapie +/- ASCT progredient wird
CAR-T-Zell-Therapie
Eine der größten Veränderungen in der rezidivierten/refraktären Situation war die Einführung von CD19-CAR-T-Zellen, so Prof. Sehn. Gleich drei Studien – ZUMA-1, JULIET und TRANSCEND NHL 001 – belegten den Nutzen ab der dritten Linie. Das PFS nach 24 Monaten bewegte sich zwischen 36 % und 40 %.
Mit diesen nach Worten der Referentin „beeindruckenden Daten“ stelle sich die Frage, ob CAR-T-Zellen anstatt einer Salvagetherapie und ASCT genutzt werden sollten. Forschende untersuchten dies ebenfalls in drei Studien: ZUMA-7, Transform und Belinda. Eingeschlossen waren Personen mit primär refraktärer Erkrankung oder mit einem Rezidiv innerhalb von zwölf Monaten. In ZUMA-7 verbesserten sich unter Axicabtagen-Ciloleucel sowohl EFS als auch OS gegenüber einer ASCT, die Transform-Studie hatte einen Vorteil für Lisocabtagen-Maraleucel hinsichtlich des EFS ergeben. Belinda bestätigte die Überlegenheit einer CAR-T-Zell-Therapie nicht.
Lisocabtagen-Maraleucel wurde darüber hinaus in der zweiten Linie bei LBCL-Patient:innen geprüft, die nicht für eine ASCT infrage kommen. Nach einem medianen Follow-up von 12,3 Monaten betrug das mediane EFS 7,23 Monate, berichtete Prof. Sehn. „Die Strategie war machbar und führte zu relativ guten Ergebnissen.“ Die FDA hat Lisocabtagen-Maraleucel für die Zweitlinie nicht-transplantierbarer Personen zugelassen. All diese Ergebnisse führten zu einem neuen Algorithmus für rezidivierte/refraktäre LBCL (s. Kasten).
Die CAR-T-Zell-Therapie kann aber noch lange nicht alle Probleme lösen. Sie bleibt vorerst eine „Designer-Behandlung“ mit nur begrenztem Zugang. Durch die hohen Toxizitäten kommen Betroffene mit schlechtem Allgemeinzustand oder signifikanten Ko-Morbiditäten nicht infrage. Ein Hindernis stellt noch immer die Produktionszeit dar und viele erleiden trotz CAR-T-Zellen ein Rezidiv. „Wir brauchen weiterhin neue Therapien“, betonte die Expertin.
ASCT-ungeeignete Patient:innen
Für Erkrankte mit rezidiviertem/refraktärem DLBCL, die nicht für eine ASCT infrage kommen, stehen verschiedene Optionen zur Verfügung. Darunter Polatuzumab-Vedotin in Kombination mit Bendamustin und Rituximab (BR). Das mediane OS verbesserte sich im Prüfarm auf 12,4 Monate versus 4,7 Monate unter alleinigem BR (HR 0,42; p = 0,0023). Das neue Regime werde „relativ gut vertragen“, Hauptnebenwirkungen umfassen Neutropenie, Infektionen und periphere Neuropathie. Real-World-Daten unterstreichen die Wirksamkeit mit einer ORR von 65,8 % und einem medianen PFS von 5,4 Monaten.
In der L-MIND-Studie wurde Tafasitamib + Lenalidomid bei Personen mit DLBCL nach 1–3 vorangegangenen Regimen geprüft. Primär refraktäre Patient:innen durften nicht teilnehmen. Nach einem medianen Follow-up von 33,9 Monaten betrug das mediane PFS 11,6 Monate (95%-KI 6,3–45,7 Monate). 60 % sprachen an, davon knapp 43 % komplett.
Loncastuximab-Tesirin wiederum hat sich in der Phase-2-Studie Lotis-2 bewährt. Eingeschlossen waren Erkrankte mit rezidiviertem/refraktärem DLBCL nach mindestens zwei Linien. Die ORR erreichte 48,3 % (24,8 % CR), das Zwei-Jahres-PFS 25,9 %. Letzteres belief sich in der Gruppe von Personen mit einer CR auf 72,5 %.
Auch bispezifische Antikörper sind auf dem Vormarsch und werden laut Prof. Sehn „wahrscheinlich eine sehr wichtige Therapie für das DLBCL darstellen“. So wurde Glofitamab, das sowohl an CD3 als auch an CD20 bindet, kürzlich zugelassen für Erwachsene mit DLBCL nach mindestens zwei systemischen Behandlungslinien. In der pivotalen Phase-2-Studie betrug die ORR 51,6 % (39,4 % CR) und 37 % der Teilnehmenden waren nach einem Jahr noch ohne Progress. Als häufigste Toxizität nannte die Referentin CRS, gefolgt von Zytopenien, Neutropenie und Infektionen.
Auch subkutanes Epcoritamab ist mittlerweile nach mindestens zwei Therapielinien zugelassen. Die ORR ist laut Prof. Sehn mit 63 % „sehr beeindruckend“, 39 % erreichten in der dazugehörigen Phase-2-Studie eine CR. Neue Daten nach längerem Follow-up demonstrieren für beide Substanzen, dass Patient:innen mit CR einen anhaltenden Vorteil aus der Behandlung ziehen.
Quellen:
1. Tilly H. ESMO Congress 2023; Session: Diffuse large B-cell lymphoma; Vortrag: „First-line therapy“
2. Sehn L. ESMO Congress 2023; Session: Diffuse large B-cell lymphoma; Vortrag: „Therapy at relapse“
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