Neue Therapien: Worauf man besonders achten sollte 

ESMO 2022 Dr. Daniela Erhard

Die Zahl neuer Medikamente in der Krebstherapie hat rasant zugenommen und damit die Vielfalt möglicher Nebenwirkungen. Die Frage nach dem besseren Management schwerer Nebeneffekte steht im Fokus. Die Zahl neuer Medikamente in der Krebstherapie hat rasant zugenommen und damit die Vielfalt möglicher Nebenwirkungen. Die Frage nach dem besseren Management schwerer Nebeneffekte steht im Fokus. © PhotoSG – stock.adobe.com

Neue Substanzen – weniger Toxizität? Diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt. Auch Immun- und zielgerichtete Therapien verursachen teils schwere Nebeneffekte. Wie kann man sie besser managen?

Die Zahl neuer Medikamente in der Krebstherapie hat rasant zugenommen und damit die Vielfalt möglicher Nebenwirkungen. Denn außer den klassischen Problemen wie Fatigue, Übelkeit und Erbrechen, Haarausfall oder Zytope­nien kommen bei ihnen auch bislang eher seltene oder unbekannte Komplikationen zum Tragen. Falsch oder zu spät behandelt, können diese die Lebensqualität und Therapietreue deutlich beeinträchtigen und mitunter tödlich enden, warnten Wissenschaftler:innen auf dem diesjährigen ESMO-Kongress. Sie betonten daher, dass das Management möglicher Nebeneffekte von Beginn an zur Behandlung dazugehören muss und dabei alle Beteiligten in der Verantwortung stehen.

Antikörper-Wirkstoff-Konjugate

Wie ernst die Toxizitäten unter Antikörper-Wirkstoff-Konjugaten (ADC) sein können, verdeutlichte Dr. ­Maryam Lustberg vom Yale Cancer Center in New Haven am Beispiel von Trastuzumab-Deruxtecan.1 Die Substanz, die bei HER2-positivem Brustkrebs und Lungentumoren zum Einsatz kommt, könne u.a. zu einer interstitiellen Lungenerkrankung führen. Zwar kenne man die ILD bereits von anderen Krebsmedikamenten, sagte die Expertin. „Aber bei den HER2-ADCs sind deutlich mehr Patient:innen davon betroffen.“ Die Quote liege nach aktuellem Stand bei gut 15 %, und 2,2 % verstürben an dieser Komplikation.

Ein höheres Risiko, eine ILD zu entwickeln, haben Studien zufolge u.a. jüngere Patient:innen, Personen, die hohe Dosen erhalten, Betroffene mit Nieren- oder Lungenschädigungen oder auch Menschen mit schlechter Sauerstoffsättigung zu Beginn der Behandlung. Ein Parameter, den man im Klinikalltag leicht überprüfen könne, so die Onkologin.

Besteht der Verdacht auf eine ILD unter Therapie, sei der erste Schritt, die Gabe des Wirkstoffs zu stoppen und die Person beim Lungenfacharzt entsprechend durchchecken zu lassen. Bestätige sich dabei, dass die Erkrankung auf den Wirkstoff zurückgehe, behandle man mit Prednisolon. Je nach Schweregrad könnten dabei auch hohe Dosen indiziert sein, so die Expertin. Eine Wiederaufnahme der Tumortherapie empfahl sie nach momentaner Evidenz nur für Patient:innen mit Grad-1-Toxizität. Und auch nur dann, wenn die ILD innerhalb von 28 Tagen oder – was eine Dosisreduktion nötig macht – maximal 48 Tagen ausheilt.

Checkpoint-Inhibitoren

Frühzeitiges Erkennen und hoch dosierte Steroide sind auch der Schlüssel bei einer der meistgefürchteten Toxizitäten von Checkpoint-Inhibitoren: „Wenn man eine Myokarditis schnell und stark behandelt, kann man seine Patient:innen retten“, brachte es Prof. Dr. Olivier Lambotte von der Université Paris Saclay auf den Punkt.2 Konkret riet er zu dreimal 1 g Methylprednisolon. Geschehe das innerhalb von 24 Stunden, überlebten alle Betroffenen ohne schwerwiegende kardio­vaskuläre Komplikationen. Zögere man 72 Stunden oder länger, sinke die Überlebenschance auf 50 %. Noch schlechter sieht es demnach aus, wenn das Steroid niedrig dosiert wird.

Auch neurologische Toxizitäten würde man so behandeln, um Folgeschäden zu vermeiden. Verzichte man auf eine Steroidgabe und stoppe lediglich die Immuntherapie, erholten sich nur 56 % der Betroffenen und mehr als drei Viertel litten unter Langzeitschäden, merkte Prof. Lambotte an. Die Kombi aus Therapiestopp und Steroiden führe dagegen zu einer Erfolgsquote von 74 %. Allerdings blieben immerhin noch 45 % von Sequelae betroffen.

Ein Blick auf die Compliance

Nebenwirkungen können sich nicht nur auf Outcome und Lebensqualität, sondern auch auf die Therapietreue auswirken – und bessere Adhärenz geht oft mit weniger schweren Toxizitäten einher. Während Behandelnde bei Infusionstherapien eine genaue Kontrolle über die verabreichten Dosen haben, ist dies bei der Verwendung oraler Präparate, wie den zielgerichteten Therapien, nur schwer möglich. Ein Aspekt, auf den Prof. Dr. ­Ines ­Vaz-Luis, Institut de Cancérologie Gustave Roussy in Villejuif, hinwies.3 Zwischen 11 und 84 % seien nicht therapieadhärent. Und den Angaben der Patient:innen könne man wohl auch nicht trauen, wenn man die Therapietreue bestimmen möchte. Aus dem Vergleich mit Serumproben wisse man, dass etwa ein Zehntel der Personen, die sich selbst als adhärent bezeichneten, ihr Medikament nicht korrekt einnahmen.

Die Gründe dafür können vielschichtig sein und hängen nach Ansicht der Onkologin von den Patient:innen genauso ab wie von der Arzt-Patienten-Beziehung sowie beispielsweise der Zufriedenheit der oder des Behandelnden im Job. Sie riet dazu, die Betroffenen mehr in die Verantwortung zu nehmen, sie schon bei der Auswahl des Therapeutikums eng einzubeziehen und gut aufzuklären. Bei Chemotherapien würden digitale Monitoring-Programme helfen, die Lebensqualität zu verbessern, so Prof. Vaz-Luis. „Warum sollte das nicht auch bei oralen Therapien funktionieren?“

Toxizitätsmanagement

Auch ihr Kollege von der Cyprus University of Technology, Prof. Dr. Andreas Charalambous hielt es für zielführend, alle Beteiligten in das Management von Toxizitäten einzubinden.4 Als wesentlich erachtete er neben der größeren Selbstwirksamkeit der Patient:innen auch gezielte Schulungen von Pflege und behandelnden Ärzt:innen in Klinik und Praxis. Der Wissenschaftler schlug vor, neue Toxizitäten stärker in die Aus- und Weiterbildung sowie in Tumorboards zu integrieren. In den USA gebe es auch spezielle „Toxicity-Response-Teams“, die die Betroffenen bei Nebenwirkungen unterstützten. Zudem könnten Archive oder Sammlungen von Probenmaterial, Patient:innenregister und stärkere Kooperationen zwischen Instituten helfen, aussagekräftigere Daten zu generieren und so die Forschung auf dem Gebiet zu verbessern. Denn am Ende sei jede Managementstrategie nur so gut wie die Informationen, auf denen sie basiere, gab Prof. Charalambous zu be­denken. 

Quellen:
1. Lustberg M. ESMO 2022; Special Session „Emerging toxicities to targeted therapies: Management strategies and future directions“; Safety management of Antibody-Drug-Conjugates

2. Lambotte O. ESMO 2022; Special Session „Emerging toxicities to targeted therapies: Management strategies and future directions“; Immune-checkpoint inhibitors: From acute to long term toxicities 

3. Vaz-Luis I. ESMO 2022; Special Session „Emerging toxicities to targeted therapies: Management strategies and future directions“; New oral targeted therapies: Main toxicities, improve management to increase adherence

4. Charalambous A. ESMO 2022; Special Session „Emerging toxicities to targeted therapies: Management strategies and future directions“; How to step up systems to better learn and manage new toxicities?

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