Durch Krebsmedikamente ausgelöste Nephrotoxizitäten vermeiden

Ulrike Viegener/Dr. Miriam Sonnet

Krebspatienten mit Nierenerkrankungen haben eine höhere Morbidität sowie eine höhere Mortalität. Krebspatienten mit Nierenerkrankungen haben eine höhere Morbidität sowie eine höhere Mortalität. © iStock/AlexLMX

Zahlreiche Krebstherapien schädigen die Niere. Das betrifft Klassiker wie Cisplatin ebenso wie neuere Präparate. Die Kenntnis der zugrunde liegenden Pathomechanismen hilft, effektive Präventionsstrategien zu entwickeln.

Krebserkrankungen ziehen die Nieren besonders in Mitleidenschaft. Der Tumor kann per se die Organe belasten, außerdem wirken zahlreiche Therapien nephro­toxisch. Die erzielten Fortschritte der Behandlung können speziell durch renale Nebenwirkungen erheblich geschmälert werden, denn eine eingeschränkte Nierenfunktion wirkt sich auf die Prognose der Betroffenen nachweislich negativ aus.

Speziell Patienten mit Prostata-, Brust- oder Lungenkrebs sowie gynäkologischen bzw. kolo­rektalen Tumoren leiden immer häufiger unter akuten oder chronischen renalen Schäden, schreiben polnische Forscher um Professor Dr. Jolanta­ Malyszko­­, Medical University Warschau, in ihrem aktuellen Review. Sie listen rund zwanzig Wirkstoffgruppen bzw. Einzelsubstanzen auf, die die Funktion des Entgiftungsorgans beeinträchtigen. Die Pathomechanismen können dabei ganz unterschiedlich sein, wobei nicht selten ein- und dasselbe Präparat auf mehreren Wegen nephro­toxisch wirkt.

Klassische zytotoxische Agenzien

Zytostatika greifen mitunter die Nieren­tubuli an. So provoziert Cisplatin bei 20–30 % der Behandelten akute renale Schäden. Verantwortlich ist in erster Linie oxidativer Stress, der sich negativ auf die Mitochondrien auswirkt. Das Medikament akkumuliert im S3-Segment des proximalen Tubulus und führt in den Zellen zu einer Verarmung an Glutathion als wichtigem Anti­oxidans. In der Folge steigt die Konzentration an reaktiven Sauerstoffspezies. Strategien zum Schutz der Nieren unter einer Behandlung mit Cisplatin fokussieren sich auf Wirkstoffe mit antioxidativem Potenzial. Interessante Kandidaten sind Vertreter der Sirtuine, einer Familie multifunktionaler Enzyme aus der Gruppe der Histon-Deacetylasen. Sie wirken zytoprotektiv und verringern Entzündungen sowie apoptotische Vorgänge, schreiben die Autoren.

Der Nephrotoxizität von Methotrexat lässt sich mit Glucarpidase vorbeugen. Das bakterielle Enzym verringert die Serumkonzentrationen des Krebsmedikaments auf unter 1 µM/l bei Patienten mit beeinträchtigter Nierenfunktion. Den C5-Inhibitor Eculizumab setzen Ärzte wiederum zur Therapie einer gemcitabin-induzierten thrombotischen Mikroangiopathie ein.

Hormon- und Radiotherapie

Patienten mit Prostatakarzinom erhalten oft eine Androgendeprivationstherapie, die mit einem erhöhten Risiko für akute renale Probleme einhergeht. Die genauen Mechanismen sind bisher nicht bekannt.

Auch eine Radiatio bei Nieren- und urogenitalen Tumoren, Lymphomen oder Sarkomen wirkt nephrotoxisch. Aufgrund von strahlen­bedingten DNA-Schäden kommt es u. a. zu einer verzögerten Proteinurie und einer Hypertension. Außerdem kann eine retroperitoneale Fibrose auftreten, die wiederum eine ureterale Obstruktion verur­sacht, betonen die Forscher. Zur Therapie eignen sich beispielsweise Kortikosteroide. Experten empfehlen, Patienten mit strahleninduzierter Nephropathie von Nephrologen und Urologen betreuen zu lassen.

Interdisziplinäres Konsil

Angesichts der Tatsache, dass immer mehr Patienten immer länger mit ihrer Krebserkrankung leben, gewinnt die Prävention von Nebenwirkungen in der modernen Krebsmedizin weiter an Bedeutung. Die Autoren des Reviews plädieren dafür, Nephrologie und Onkologie einerseits in der Klinik stärker zu verzahnen und andererseits aussagefähige experimentelle Modelle zu entwickeln, um nephrotoxische Effekte speziell auch neuerer Krebsmedikamente schnell und systematisch zu erfassen.

Zielgerichtete Behandlungen

VEGF-Inhibitoren können die Podozyten beeinträchtigen und in einer thrombotischen Mikroangio­pathie münden. Die Behandlung mit EGFR-Hemmern ist manchmal mit einer Hypomagnesiämie verbunden. Präparate, die sich gegen HER2 richten, haben laut den Autoren indirekte Effekte auf die Entgiftungsorgane: Ihre Kardiotoxizität bedingt ein kardiorenales Syndrom. BRAF-Inhibitoren, z.B. Vemurafenib, verursachen teilweise eine akute allergische interstitielle Nephritis, akute tubuläre Nekrosen sowie ein Fanconi-Syndrom. Auch weitere zielgerichtete Therapien wie ALK- oder Proteasom-Blocker führen bei manchen Krebspatienten zu Nierenproblemen. Gegen die meisten dieser Präparate gibt es bisher keine etablierte Präventionsstrategie. Im Fall von VEGF- und Tyrosinkinase-Hemmern steht die Therapie der thrombotischen Mikroangiopathie im Vordergrund. Häufig wird die Medikamenten­gabe abgebrochen und eine supportive Behandlung appliziert.

Checkpoint-Inhibitoren und CAR-T-Zellen

Checkpoint-Inhibitoren können beispielsweise eine akute interstitielle Nephritis und andere renale Beschwerden provozieren. Je nach Symptom und Schweregrad wird die Immuntherapie daraufhin abgebrochen und es werden eventuell systemische Steroide gegeben. Eine CAR-T-Zell-Therapie kann die Nierentubuli beeinträchtigen. Getriggert wird diese durch den Abfall der renalen Perfusion infolge zytokinvermittelter Hypotonie, weshalb die Autoren begleitend zur CAR-T-Zell-Therapie die prophylaktische Gabe eines Vasopressors in Betracht ziehen.

Quelle: Malyszko J et al. Lancet 2020; 396: 277-287; DOI: 10.1016/S0140-6736(20)30540-7

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Krebspatienten mit Nierenerkrankungen haben eine höhere Morbidität sowie eine höhere Mortalität. Krebspatienten mit Nierenerkrankungen haben eine höhere Morbidität sowie eine höhere Mortalität. © iStock/AlexLMX