Hautsymptome lindern und Krebstherapie fortsetzen?

Dr. Anne Benckendorff

Hautpflege und topische Kortikosteroide sind die wichtigsten Therapiepfeiler. Hautpflege und topische Kortikosteroide sind die wichtigsten Therapiepfeiler. © iStock/DragonImages

Die Immuncheckpointblockade ist ein Meilenstein der Krebstherapie. Bei bis zu 40 % der Patienten treten jedoch dermatologische immunassoziierte Nebenwirkungen auf. Wie gelingt das Gleichgewicht zwischen Sym­ptomlinderung und unbehinderter onkologischer Therapie?

Die Therapie mit Checkpointinhibitoren kann zu verschiedenen dermatologischen Nebenwirkungen führen: makulopapuläre, psoriatische, lichenoide und exzematöse Ausschläge, autoimmune bullöse Erkrankungen, Pigmentstörungen, Pruritus, orale mukosale Läsionen, Haar- und Nagelveränderungen sowie einige seltene potenziell lebensbedrohliche Toxizitäten. Die meisten lassen sich anhand der Klinik auf den ersten Blick diagnostizieren, schreiben die Autoren der Task Force „Dermatology for Cancer Patients“ der European Academy of Dermatology and Venerology (EADV). Eine Histologie ist nur bei schweren, atypischen oder persistierenden Formen nötig.

Die Arbeitsgruppe hat detaillierte, auf die einzelnen Phänotypen abgestimmte Behandlungsempfehlungen formuliert. In allen Fällen ist eine konsequente Hautpflege unabdingbar. Die Grundpfeiler der Therapie bilden in der Regel Steroide. Nach einer i.d.R. 2–4-wöchigen Therapie sollten sie wenn möglich wieder ausgeschlichen oder durch steroidsparende Alternativen ersetzt werden. Bei schwereren oder persistierenden Reaktionen kommt man (nur nach Absprache!) dennoch um eine Therapiepause manchmal nicht herum, zumindest so lange bis die Symptome zurückgehen. Gegebenenfalls muss der Checkpointinhibitor (CI) vollständig abgesetzt werden.

Bei persistierendem Juckreiz Laborwerte checken

Pruritus wurde unter Anti-CTLA4-­basierten Regimen häufiger beob­achtet (bis ~50 % der Patienten) als unter Nivolumab oder Pembrolizumab (bis zu 20 %). Meist tritt er früh (3–10 Wochen) im Verlauf der Behandlung auf und kann, muss aber nicht, von einem makulopapulären Ausschlag begleitet sein. 

Die Therapie erfolgt bei milder Ausprägung zusätzlich zu topischen Kortikosteroiden (TCS) ggf. mit oralen Antihistaminika. Bei höhergradigen Ausprägungen werden außerdem GABA-Analoga empfohlen. Neurokinin-1-Rezeptorantagonisten und Omalizumab kommen eher bei persistierenden Formen infrage. Dann sollten u.a. auch Eosinophile, GFR, IgE und Leberwerte im Labor gecheckt und ab Grad 3 (u.a. Pruritus flächig und konstant) die Checkpointinhibition pausiert werden. 

Ein makulopapulärer Ausschlag tritt bei bis zu zwei Dritteln der Betroffenen unter CTLA4-gerichteten Therapien und bei bis zu einem Fünftel unter PD1-/PDL-1-gerichteter Therapie auf. Er manifestiert sich typischerweise etwa 3–6 Wochen nach Therapiebeginn meist an Rumpf oder Extremitäten, oft begleitet von Pruritus. Therapeutisch raten die Experten zu TCS und systemischen Antihistaminika. Schwere Formen werden ggf. mit oralen Steroiden behandelt. 

Schuppenflechte wird mit den üblichen Topika behandelt

Eine Psoriasis – meist in Form einer Plaquepsoriasis wurde bei 3,5 % der Patienten unter Anti PD1/PD-L1-Therapie innerhalb von 5–12 Wochen nach Therapiebeginn beobachtet, die Anti-CTLA4-Häufigkeit ist nicht bekannt. Es kommt sowohl zu Exazerbationen bei bekannter Erkrankung als auch zu Erstmanifestationen. Bei Ausprägungen von Grad 1 reichen die üblichen Topika-Medikamente. Bei höhergradigen Beschwerden können zusätzlich eine Phototherapie, Acitretin oder MTX erwogen und ab einer BSA > 30 % die CI ggf. pausiert und Biologika erwogen werden. 

Zu Lichen-planus-ähnlichen Ausschlägen kommt es unter PD1-/PDL-1-Inhibitoren mit oder ohne Anti-CTLA4-Therapie. Allerdings kann es mitunter Monate dauern bis sie sich manifestieren. Für die niedrig-gradige Form empfiehlt das EADV-Team TCS plus orale Antihistaminika. Bei höhergradigen Beschwerden setzen sie auf orale Steroide oder orale Retinoide (ggf mit CI-Pause). Bleiben die Läsionen hartnäckig, sollte über UV-Therapie oder MTX sowie bei persistieren über eine stationäre Aufnahme bis zur Symptomkontrolle nachgedacht werden. Nicht vergessen darf man bei hypertrophen Läsionen die Diffenrenzialdiagnose Plattenepithelkarzinom.

Autoimmune bullöse Erkrankungen treten meist in Form eines bullösen Pemphigoids unter PD1-/PDL-1-gerichteter Therapie auf (1–5 %). Und das Wochen bis Monate nach Therapiebeginn. Mitunter kommt es bereits im Vorfeld zu juckenden, makulopapulösen oder urtikariellen Plaques. Eine frühe Erkennung und Therapie mit Stero­iden (topisch und ggf. oral) können ein Absetzen der CI möglicherweise verhindern. Sind mehr als 30 % der Körperoberfläche betroffen, sollte man zudem eine stationäre Aufnahme erwägen.

Bei oralen mukosalen Läsionen, (v.a. lichenoiden Veränderungen), existiert vermutlich eine hohe Dunkelziffer, da sie nicht systematisch erfasst werden. Sie können von anderen mukosalen und kutanen Veränderungen begleitet werden und oft mild und selbstlimitierend sein. Neben einer guten Mundhygiene und -pflege erfolgt die Therapie mit Steroiden, als Lösung, Mundspülung bzw. Gel (evtl. Tacrolimus-Gel) sowie in schwereren persistierenden Fällen systemisch mit Steroiden oder Retinoiden. Bei hartnäckigen Läsionen sollten die CI ggf. pausiert und Immunsuppressiva erwogen werden.

Das Sicca-Syndrom mit einem trockenen Mund trifft insb. ältere, männliche Patienten. Wichtig sind gute Mundhygiene und -pflege evtl. mit Speichelersatzmitteln. Nasenspülungen können die nasale Atmung erleichtern. In schweren Fällen sollte ein Sjögren ausgeschlossen und Steroide eingesetzt werden. Schwere oder persistierende orale Symptome machen es zudem erforderlich, den Ernährungsstatus des Patienten im Auge zu behalten. Je nachdem sollte man Hilfen oder Nahrungsalternativen erwägen.

Von Vitiligo-ähnlichen Ausschlägen sind vor allem Melanompatienten unter Therapie mit Nivolumab oder Pembrolizumab betroffen. Sie treten nach mehreren Monaten bei bis zu einem Viertel der Patienten auf. Die Experten empfehlen photoprotektive Maßnahmen und Camouflage-Make-up, um die Auswirkungen auf die Lebensqualität zu lindern, TCS oder Tacrolimus wären ebenfalls denkbar. Ein Absetzen der CI ist nicht notwendig.

CI-Therapie trotz Alopezie fortführen

Alopezien treten bei bis zu 5 % der Patienten meist eher spät im Behandlungsverlauf auf. Intraläsionale oder TCS plus Minoxidil stellen Behandlungsmöglichkeiten dar. Topische Immunmodulationen bzw. MTX könnte man bei starkem bzw. persistierendem Haarverlust ebenfalls erwägen. Ein Absetzen des Checkpoint-Inhibitors ist nicht notwendig. Nagelveränderungen unter Immuncheckpointblockade sind wenig untersucht. Wenn topische Therapien nicht ansprechen oder eine zusätzliche Hautbeteiligung vorliegt, sollten orale Retinoide erwogen werden.

Zu den schweren, potenziell lebensbedrohlichen kutanen Reaktionen gehören das Drug Reaction with Eosinophilia Systemic Syndrome/Drug Induced Hypersensitivity Syndrome (DRESS/DIHS), Stevens-Johnson-Syndrome (SJS)/TEN und die akute generalisierte exanthematöse Pustulose (AGEP). Wie häufig sie auftreten, ist nicht bekannt­. In diesen Fällen sind eine stationäre Aufnahme, multidisziplinäre Betreuung und sofortiges Absetzen­ des Checkpoint-Inhibitors und supportive Therapie nötig. Aufgrund der oft langen Halbwertszeit der Substanzen gibt es Überlegungen, ob eine Plasmapherese die Eliminationsrate erhöhen kann.

Quelle: Apalla Z et al. J Eur Acad Dermatol Venereol 2022; 36: 332-350; DOI: 10.1111/jdv.17855

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