Neurotoxizitäten der CAR-T-Zell-Therapie erkennen und einordnen

Maria Weiß

Zytokine erhöhen möglicherweise die Kapillardurchlässigkeit im ZNS. Zytokine erhöhen möglicherweise die Kapillardurchlässigkeit im ZNS. © iStock/jes2ufoto, Veleri

In der Onkologie gehören CAR-T-Zell-Therapien zu den neuesten Entwicklungen. Ihre Wirkung hat großes Potenzial und sie werden in verschiedensten Entitäten geprüft. Doch auch die Nebenwirkungen sind nicht zu vernachlässigen. Wie steht es um deren Behandlung

Bei CAR-T-Zell-Therapien gehört die Neurotoxizität neben dem Zytokin-Release-Syndrom (CRS) zu den häufigsten Nebenwirkungen, erinnerte Privatdozentin Dr. Louisa von Baumgarten vom Zentrum für Neuropathologie und Prionforschung der LMU München. Eine Neurotoxizität im Sinne des ICANS* beobachtet man bei etwa 65 % der Patienten. Meist sind die Symptome (siehe Kasten) mild bis moderat und selbstlimitierend. Die Ausbildung könne jedoch rapide fluktuieren, sodass man betroffene Patienten engmaschig kontrollieren sollte. Mit letalen Verläufen mit einem rasch progredienten therapierefraktären Hirnödem ist in etwa 3 % der Fälle zu rechnen, informierte die Referentin.

Mögliche Symptome eines ICANS

  • Delirium
  • Dysarthrie
  • Aphasie
  • Apraxie
  • Veränderungen der Handschrift
  • Krampfanfälle
  • sensomotorische Defizite
  • Bewusstseinsstörungen
  • progressives Hirnödem

Erstmanifestation lässt manchmal auf sich warten

Die mittlere Zeit von der CAR-T-Zell-Infusion bis zum Auftreten der Toxizitäten liegt bei vier Tagen (1–19 Tage). Bei 10 % der Betroffenen beobachtet man die Erstmanifestationen aber auch erst nach 3–4 Wochen. Die Symptome halten im Schnitt fünf Tage an (1–70 Tage), so Dr. von Baumgarten weiter. 90 % der Patienten mit Neurotoxizitäten haben zusätzlich ein CRS mit Symptomen wie Fieber, kardiopulmonalen Störungen, hepatorenalen Dysfunktionen und Koagulopathie. Es wird daher von einem pathophysiologischen Zusammenhang zwischen Zytokinfreisetzung und Neurotoxizität ausgegangen, erläuterte die Onkologin. So könnten Zytokine z.B. auch die Kapillardurchlässigkeit im ZNS erhöhen. Aber auch der direkte Einfluss von ZNS-spezifischen Zytokinen sei denkbar. Zur Einschätzung des Schweregrades der Neurotoxizitäten kann ein einfacher Bedside-Test (ICE-Score; siehe Kasten) angewandt werden. Dieser Test sollte bei Personen mit Anzeichen einer Neurotoxizität alle 4–8 Stunden wiederholt werden. Bei Grad 2–3 kann die Aufnahme auf die Intensivstation erwogen werden, bei Grad 4 ist sie zwingend.

ICE-Score

Folgende Aufgaben soll der Patient erfüllen:
  • Orientierung: Jahr, Monat, Stadt und Klinik: 4 Punkte
  • Benennung: 3 Objekte (z.B. Uhr, Stift, Knopf): 3 Punkte
  • Aufforderung befolgen: z.B. Augen schließen und Zunge austrecken: 1 Punkt
  • Schreiben: Fähigkeit, einen Standardsatz zu schreiben: 1 Punkt
  • Aufmerksamkeit: Von 100 in Zehnerschritten rückwärts zählen: 1 Punkt
7-9 Punkte: Grad 1
3-6 Punkte: Grad 2
0-2 Punkte: Grad 3
Unfähig, den Test durchzuführen: Grad 4

Weitere Untersuchungen wie zerebrale Bildgebung, Liquorpunktion und EEG dienen vor allem dem Ausschluss möglicher Differenzialdiagnosen. Das Kernspin ist bei den meisten ICANS-Patienten unauffällig, bei den schweren Fällen sieht man bei etwa 30 % der Patienten Auffälligkeiten, so die Expertin. Das in der Regel zusätzlich bestehende CRS werde heute mit dem IL-6-Antikörper Tocilizumab behandelt. Bei Anzeichen einer Neurotoxizität muss rasch zusätzlich Dexamethason zum Einsatz kommen (4 x 10 mg i.v. alle 6 Stunden über 24 Stunden), betonte Dr. von Baumgarten. Falls dies nicht ausreicht, kann Methylprednisolon (2 mg/kg/d oder 1 g/d über drei Tage) verabreicht werden. Patienten im Stadium 3 mit Papillenödem werden zusätzlich mit Acetazolamid behandelt, im Stadium 4 erfolgt auf der Intensivstation eine Hyperventilation und hyperosmolare Therapie. Betroffene mit epileptischen Anfällen erhalten zusätzlich Antiepileptika (Levetirazepam) und Benzodiazepine.

Zukünftig wird Einsatz von CAR-T-Zellen wohl steigen

Abschließend wies Dr. von Baumgarten darauf hin, dass CAR-T-Zellen zurzeit in weltweit mehr als 500 Studien auch bei soliden Tumoren geprüft werden. Der Einsatz werde also voraussichtlich in Zukunft deutlich zunehmen, sodass man hinsichtlich der Überwachung und Behandlung der Neurotoxizitäten gut aufgestellt sein sollte. 

* Immune Effector Cell-Associated Neurotoxicity Syndrome

Quelle: Deutscher Krebskongress 2020

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Zytokine erhöhen möglicherweise die Kapillardurchlässigkeit im ZNS. Zytokine erhöhen möglicherweise die Kapillardurchlässigkeit im ZNS. © iStock/jes2ufoto, Veleri