Neuroleptika und Benzodiazepine nur mit großer Vorsicht einsetzen

Dr. Dorothea Ranft

Die weitaus meisten Menschen mit Alzheimer-Erkrankung entwickeln zusätzlich zur Demenz neuropsychiatrische Symptome, oft mehrere zugleich. Die weitaus meisten Menschen mit Alzheimer-Erkrankung entwickeln zusätzlich zur Demenz neuropsychiatrische Symptome, oft mehrere zugleich. © iStock/Ildar Abulkhanov

Eine medikamentöse Strategie, die bei allen Formen der Demenz gleichermaßen greift, gibt es nicht. Aber es stehen einige Wirkstoffe zur Verfügung, die die Progression bei den verschiedenen Demenzformen verzögern. Außerdem können sie Lebensqualität bewahren sowie psychische Symptome und Verhaltens­auffälligkeiten abmildern.

Zur Behandlung von Patienten mit leichter bis mittelschwerer Alzheimer-Demenz werden bevorzugt ­Donepezil, ­Galantamin und ­Rivastigmin eingesetzt. Die Acetylcholinesterase-Hemmer sind die erste Substanzgruppe, für die eine relevante Wirksamkeit bei kognitiven Defiziten infolge der Alzheimer-Erkrankung klar gezeigt wurde. Die Effekte beruhen auf einer Erhöhung der Konzentration von Acetylcholin im synaptischen Spalt, schreiben ­Mareike ­Kirsch und Prof. Dr. ­Christine von ­Arnim von der Abteilung für Geriatrie der Universitätsmedizin ­Göttingen.

Um einen optimalen Effekt zu erzielen, sollte die Behandlung unmittelbar nach Diagnosestellung starten. Mit langsamem Aufdosieren und der Einnahme zur Mahlzeit lassen sich typische unerwünschte Begleiterscheinungen wie Erbrechen und Durchfall vermeiden.

Begleitsymptome des geistigen Abbaus

Die verhaltensbezogenen und psychologischen Symptome, die bei Demenzerkrankungen regelmäßig auftreten, werden in vier Cluster zusammengefasst:
  • affektive Veränderungen wie Angst, Reizbarkeit, Depression 
  • Hyperaktivität/Enthemmung, z.B. Agitation, Impulsivität, repetitive Bewegungen 
  • psychotische Symptome, etwa Halluzinationen, Wahnvorstellungen, nächtliche Unruhe, Paranoia
  • Apathie inkl. Essstörungen

Wenig Nebenwirkungen bei Memantin

Bei zerebralen Erkrankungen wie ­Morbus ­Alzheimer haben auch Störungen im glutamatergen System große Bedeutung. Entsprechend ist der NMDA*-Rezeptorantagonist ­Memantin für Patienten mit mittelgradiger bis schwerer Demenz zugelassen. Eine Metaanalyse belegt die Wirksamkeit der Substanz auf Kognition und Alltagsfunktionen sowie auf psychische Begleitsymptomatik und Verhaltensauffälligkeiten. Nebenwirkungen sind eher selten, am ehesten muss man mit Kopfschmerz, Schwindel, Schläfrigkeit und Hypertonie rechnen. Patienten mit schwerem M. ­Alzheimer, die bereits mit Acetylcholinesterase-Hemmern behandelt werden, können von zusätzlichem Memantin profitieren. Bei der medikamentösen Therapie der vaskulären Demenz steht die Verbesserung der zerebralen Perfusion an erster Stelle. Auch die Acetylcholinesterase-Hemmer und ­NMDA-Rezeptorantagonisten zeigen bei dieser Demenzform günstige Effekte auf die Kognition. Diese fallen zwar geringer aus als bei M. ­Alzheimer, dennoch halten die beiden Autorinnen die Off-Label-Verordnung im Einzelfall für vertretbar. Die gemischte Demenz, z.B. Alzheimer-Erkrankung plus Gefäßschaden, sollte wie die Alzheimer-Demenz angegangen werden. Zur Therapie bei leichter bis mittelschwerer Parkinson-Demenz wird ­Rivastigmin in Kapselform empfohlen. Die Wirkung der Pflasterapplikation bzw. anderer Acetylcholinesterase-Blocker ist noch nicht ausreichend belegt. Auch bei der Lewy-Körperchen-Demenz spielt das cholinerge Defizit eine wichtige Rolle. Entsprechend konnte für ­Donepezil und Rivastigmin eine Wirksamkeit auf Kognition und Alltagsaktivitäten belegt werden.

Legendärer Wunderbaum

Die Studienlage zur Wirkung von Ginkgo-­biloba-Extrakten bei Demenz stufen ­Mareike ­Kirsch und Prof. von Arnim als heterogen ein, mit geringer Effektstärke und fraglicher klinischer Relevanz. Laut Fachinformation besteht eine Zulassung für die altersbedingte kognitive Beeinträchtigung und eingeschränkte Lebensqualität bei leichter Demenz. Ein Vorteil dieser nicht-verschreibungspflichtigen, symptomatischen Phytotherapie ist die geringe Nebenwirkungsrate. Der Einsatz in der 240-mg-Dosis könne also erwogen werden. Zu Vitamin-E-Präparaten, Nootropika und NSAR findet sich in der S3-Leitlinie Demenzen keine Empfehlung.

Die weitaus meisten Menschen mit Alzheimer-Erkrankung entwickeln zusätzlich zur Demenz neuropsychiatrische Symptome, oft mehrere zugleich. Diese können in jedem Krankheitsstadium auftreten und zählen zu den wichtigsten Gründen für eine Heimeinweisung. Therapeutisch stehen auch bei diesen Veränderungen Antidementiva an erster Stelle. Psychotrope Pharmaka kommen im Allgemeinen erst bei schweren refraktären Störungen in Betracht. Gegen Unruhe, Wahngedanken und Sinnestäuschungen werden am häufigsten Neuroleptika verordnet. Sie haben aber nur eine mäßige Wirksamkeit und bergen ein um 25–55 % erhöhtes Mortalitätsrisiko. Wenn man sich für diese Medikamente entscheidet, sollte die Therapie langsam einschleichend, mit der minimal wirksamen Dosis und über einen möglichst kurzen Zeitraum erfolgen. Die Autorinnen empfehlen eine Verlaufskontrolle mindestens alle sechs Wochen sowie regelmäßige Absetzversuche. Bei Parkinson- und Lewy-Körperchen-Demenz sind Neuroleptika wegen der möglichen Verschlechterung von Beweglichkeit und Vigilanz kontraindiziert. Von Benzodiazepinen raten die Autorinnen ausdrücklich ab. Denn diese Arzneistoffe beeinträchtigen die kognitive Leistungsfähigkeit, erhöhen die Sturzgefahr und bergen erhebliche Abhängigkeitsrisiken. Zudem drohen paradoxe Reaktionen wie Agitation statt Beruhigung. Eine Ausnahme bilden Wirkstoffe mit kurzer oder allenfalls mittellanger Halbwertszeit wie ­Lorazepam oder ­Oxazepam in Notfallsituationen.

Medikamente bei demenziellen Erkrankungen
Medikamente bei demenziellen Erkrankungen
Tageszieldosis und Einnahmeintervall
Donepezil10 mg, einmal täglich (abends)
Galantamin

Kapseln: 16–24 mg, einmal täglich (morgens)

Lösung: 16–24 mg, auf zwei Dosen aufgeteilt

Rivastigmin

Kapseln: 6–9 mg (bis zu 12 mg), auf zwei Dosen aufgeteilt

Pflaster: 9,5–13,3 mg, einmal täglich

MemantinTabletten: 20 mg, ein- oder zweimal täglich Tropfen: 20 mg, auf zwei Dosen aufgeteilt

Antidepressiva sind gute Kombinationspartner

Auch Antidepressiva eignen sich zur Behandlung demenzbedingter Verhaltens-, Angst- und Zwangsstörungen. Aufgrund des günstigen Nebenwirkungsprofils sind selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer wie ­Citalopram und ­Paroxetin sowie reversible Monoaminoxidase-Hemmer und der Serotonin-Nor­adrenalin-Wiederaufnahmehemmer ­Venlafaxin zu bevorzugen. Sie lassen sich gut mit Antidementiva kombinieren, bis zum Wirkbeginn vergehen aber mindestens zwei Wochen. Tri- und tetrazyklische Antidepressiva führen oft zur Verschlechterung der Kognition und Delir.

* N-Methyl-D-Aspartat

Quelle: Kirsch M, Armin C. Dtsch Med Wochenschr 2022; 147: 157-164; DOI: 10.1055/a-1593-8205

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Die weitaus meisten Menschen mit Alzheimer-Erkrankung entwickeln zusätzlich zur Demenz neuropsychiatrische Symptome, oft mehrere zugleich. Die weitaus meisten Menschen mit Alzheimer-Erkrankung entwickeln zusätzlich zur Demenz neuropsychiatrische Symptome, oft mehrere zugleich. © iStock/Ildar Abulkhanov