Nicht bis zum Knoten warten

Dr. Dorothea Ranft

Typisch für den akuten Gichtanfall ist die plötzlich aufgetretene hochschmerzhafte Entzündung im Großzehengrundgelenk, die oft von einer lokalen Rötung und Schwellung begleitet wird. Typisch für den akuten Gichtanfall ist die plötzlich aufgetretene hochschmerzhafte Entzündung im Großzehengrundgelenk, die oft von einer lokalen Rötung und Schwellung begleitet wird. © chatuphot – stock.adobe.com

Gichtpatienten erscheinen oft erst in der Praxis, wenn sie einige Attacken in Eigenregie behandelt haben. Manche warten sogar, bis Tophi auftreten. Dabei lässt sich die Stoffwechselerkrankung gut behandeln. 

Typisch für den akuten Gichtanfall ist die plötzlich aufgetretene hochschmerzhafte Entzündung im Großzehengrundgelenk, die oft von einer lokalen Rötung und Schwellung begleitet wird. Einen sicheren Nachweis ermöglicht die Detektion von Uratkristallen in Synovialflüssigkeit oder Tophi. Wenn diese Diagnostik nicht zur Verfügung steht, genügt oft schon die charakteristische Klinik (s. Kasten). Im Zweifel kann die Bildgebung weiterhelfen, schreibt Dr. Ted Mikuls aus der Universitätsklinik von Nebraska in Omaha. In der Sonografie fällt das charakteristische Doppelkonturzeichen auf und das Röntgenbild zeigt nach längerem Bestehen Erosionen mit sklerotischen Rändern und überstehenden Knochenkanten

Typisch für die Gicht

  • monoartikuläre Manifestation (besonders 1. Metatarsophalangealgelenk)
  • rascher Beginn und Verstärkung der Symptome (Maximum oft ≤ 24 h) 
  • Erythem über dem Gelenk
  • Druck und Palpation nicht tolerierbar, Bewegung im Gelenk und Gewichttragen nicht möglich
  • ähnliche selbstlimitierende Episoden in der Anamnese
  • Hyperurikämie oder auslösende Medikamente (Diuretika, ASS etc.)
  • subkutane Tophi

Patienten mit Medikamenten für den Notfall ausstatten

Primäres Therapieziel ist die rasche Schmerzlinderung: Zur Erstlinienbehandlung werden je nach Komorbidität Colchizin, NSAR und Glukokortikoide empfohlen, Letztere können oral, parenteral oder intraartikulär verabreicht werden. Ein geeignetes Medikament sollte der Patient auch als Pille für die Hosentasche mitführen, damit er sich bei den ersten Symptomen selbst behandeln kann. 

Um die Gicht dauerhaft in den Griff zu bekommen, muss der erhöhte Harnsäurespiegel gesenkt werden. Wirkstoff der ersten Wahl ist nach Einschätzung des Verfassers weiterhin Allopurinol, als Alternative eignet sich primär Febuxostat. Beide Substanzen erzielen eine vergleichbare Wirksamkeit. Bei mangelndem Ansprechen sollte ein Urikosurikum allein oder in Kombination mit einem Xanthinoxidasehemmer eingesetzt werden. Studiendaten sprechen für eine Überlegenheit von Benzbromaron gegenüber Probenecid

Empfohlen wird eine Reduktion der Harnsäurewerte unter 6 mg/dl. Diese Behandlung sollte nach dem Votum der europäischen Fachgesellschaft für Rheumatologie (EULAR) bereits nach dem ersten Gichtanfall begonnen werden. Die Treat-to-target-Strategie verhindert Attacken besser als eine symptomvermeidende Therapie. Nach zwei Jahren hatten mit Harnsäurereduktion 8 % der Patienten noch mehr als zwei Anfälle pro Jahr, mit symptomorientierter Behandlung waren es 24 %. Außerdem fällt die langfristige Exposition mit Colchizin, NSAR und Steroiden erschwerend ins Gewicht. 

Unter einer raschen Harnsäuresenkung kann es allerdings zu vermehrten Gichtanfällen kommen. Deshalb sollte zu Beginn der Therapie und in Phasen der Dosissteigerung eine antientzündliche Prophylaxe erfolgen. Alternativ kommt eine niedrige Anfangsdosis mit langsamer Steigerung in Betracht. In einer Studie mit Febuxostat verhinderte diese Strategie akute Exazerbationen ebenso zuverlässig wie eine höhere Dosis unter Colchizin-Schutz.

Diverse Begleiterkrankungen können die Gichttherapie erschweren. So leiden 75 % der Patienten zusätzlich an einer Hypertonie, die durch eine Behandlung mit NSAR und Steroiden noch verstärkt werden kann. Unter einer Niereninsuffizienz tritt das Allopurinol-Hypersensitivitätssyndrom vermehrt auf. Diese seltene, aber lebensgefährliche Komplikation macht sich mit schweren Hautmanifestationen, Eosinophilie sowie akuten Leber- und Nierenschäden bemerkbar. 

Auch die medikamentöse Therapie von Begleiterkrankungen bleibt nicht ohne Einfluss. Diuretika zum Beispiel können den Harnsäurespiegel erhöhen. Patienten, die Betablocker, ACE-Hemmer und AT1-Antagonisten (außer Losartan) einnehmen, tragen ein erhöhtes Gichtrisiko. Es gibt aber auch protektive Effekte. So fördern Losartan, Kalziumantagonisten, Fenofibrat und SGLT2-Hemmer die Uratausscheidung. Das Antidiabetikum Metformin verringert die durch Harnsäurekristalle bedingte Inflammation, was sich eventuell in einer niedrigeren Anfallsrate niederschlägt. 

Die Modifikation des Lebensstils kann ebenfalls das Exazerbationsrisiko senken. Dazu zählt, weniger Alkohol (vor allem Bier) zu konsumieren und bei Adipositas das Gewicht zu reduzieren. Zudem sollten purinreiche Lebensmittel wie Fleisch und Schellfisch gemieden werden. 

Viele Patienten setzen die Medikation eigenständig ab

Die dadurch erzielbaren Effekte sind allerdings eher moderat. In Studien zur kalorien- und purinarmen Diät ging der Harnsäurewert um weniger als 1 mg/dl zurück. Wichtig ist in jedem Fall, dass der Patient in puncto Tabletteneinnahme bei der Stange bleibt. Ohne gezielte Motivation setzt mehr als die Hälfte der Behandelten die harnsäuresenkende Medikation schon im ersten Jahr wieder ab. 

Quelle: Mikus TR. N Engl J Med 2022; 387: 1877-1887; doi: 10.1056/NEJMcp2203385

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Typisch für den akuten Gichtanfall ist die plötzlich aufgetretene hochschmerzhafte Entzündung im Großzehengrundgelenk, die oft von einer lokalen Rötung und Schwellung begleitet wird. Typisch für den akuten Gichtanfall ist die plötzlich aufgetretene hochschmerzhafte Entzündung im Großzehengrundgelenk, die oft von einer lokalen Rötung und Schwellung begleitet wird. © chatuphot – stock.adobe.com
Bei fortgeschrittener Gicht bilden sich im Bereich der Gelenke Ansammlungen von Harnsäurekristallen. Bei fortgeschrittener Gicht bilden sich im Bereich der Gelenke Ansammlungen von Harnsäurekristallen. © Science Photo Library/Biophoto Associates