Nicht immer muss die Appendix raus

Dr. Dorothea Ranft

Nicht immer ist der sonographische Befund so eindeutig wie im Fall dieser phlegmonösen Appendizitis. Nicht immer ist der sonographische Befund so eindeutig wie im Fall dieser phlegmonösen Appendizitis. © wikimedia/Hellerhoff

Das optimale Management der akuten Appendizitis wird derzeit heftig diskutiert. Die Operation gilt zwar nach wie vor weitgehend als Standard, bekommt aber Konkurrenz durch Antibiotika. Eine neue Leitlinie hilft bei der Entscheidung.

Bei der Wahl der Therapie spielt die Ausdehnung eine wesentliche Rolle. Deshalb sollte diese möglichst schon zum Zeitpunkt der Diagnose ermittelt werden. In unkomplizierten Fällen findet sich lediglich eine Inflammation des Wurmfortsatzes. Als kompliziert wird jede Art gangränöser Appendizitis eingestuft – mit oder ohne Perforation, mit periappendikulärer Phlegmone, freier Flüssigkeit oder perityphlitischem Abszess.

Zur Diagnostik im Verdachtsfall gehört neben der klinischen Untersuchung und der Temperaturkontrolle ein Basislabor. Eine Leukozytose zeigt sich häufig bereits initial, während die CRP- Erhöhung oft erst später auftritt oder ganz ausbleibt.

Schwangerschaftstest und Urinanalyse zwingend

Obligat ist auch eine orientierende Urinanalyse (Harnwegsinfekt, Konkremente) und der Schwangerschaftstest für Frauen im fertilen Alter (Extrauteringravidität), schreiben die Leitlinienautoren um Dr. Mihailo Andric vom Universitätsklinikum Magdeburg.

Vor Therapiebeginn und insbesondere vor einer Operation sollte eine bildgebende Abklärung erfolgen. Methode der ersten Wahl ist die Sonographie. Diese vermag die Verdachtsdiagnose einer akuten Appendizitis zuverlässig zu bestätigen, eignet sich aber nicht zum Ausschluss der Erkrankung. Bei unklarem Befund erfolgt deshalb meist eine Computertomographie. Sie kann die negative Append ektomierate, also die Entfernung histopathologisch gesunder Appendizes, unter 5 % senken. Die Differenzierung zwischen komplizierter und unkomplizierter Entzündung bleibt jedoch schwierig. Außerdem ist die Strahlenbelastung durch die CT nicht zu unterschätzen. Junge Patienten und Schwangere sollten deshalb vorzugsweise mittels MRT untersucht werden.

Klinische Zeichen einer Appendizitis

Bei Patienten mit akuter Appendizitis findet sich in der Anamnese häufig eine Verlagerung des Schmerzes vom Epigastrium in den rechten Unterbauch. Eine lokale Abwehrspannung spricht für eine Irritation des parietalen Peritoneums, die generalisierte Form für eine diffuse Peritonitis. Eine erhöhte Körpertemperatur ist unspezifisch, korreliert aber mit einer fortgeschrittenen Entzündung. Die digitale rektale Untersuchung hat nur einen niedrigen diagnostischen Wert und gilt deshalb heute als verzichtbar.

Bei Erwachsenen gilt die Operation in Deutschland und weltweit nach wie vor als Therapie der Wahl. Diese Einschätzung basiert auf der historischen Überzeugung, dass die Appendizitis eine irreversible entzündliche Erkrankung ist, die unbehandelt zu Perforation und Tod führt. Gegenüber der offenen Resektion bietet die laparoskopische Technik den Vorteil einer niedrigeren Morbidität mit geringerer Wundinfektionsrate, weniger Schmerzen und einem kürzeren stationären Aufenthalt. Sie wird deswegen im Erwachsenenalter als chirurgischer Standard empfohlen. Historisch ging man zudem davon aus, dass Appendizitispatienten möglichst früh operiert werden sollten. Heute richtet sich der Zeitpunkt nach der Ausprägung der Appendizitis. Bei der unkomplizierten akuten Entzündung darf man bis zu 24 Stunden zuwarten, sofern umgehend eine Antibiotikatherapie eingeleitet wurde. Über 65-Jährige und Patienten mit Begleiterkrankungen sollten innerhalb von zwölf Stunden operiert werden. Im Fall einer freien Perforation ist eine sofortige Appendektomie indiziert, für Phlegmone und Abszess erlaubt die Datenlage noch keine Empfehlung zum OP-Zeitpunkt.

Konservatives Vorgehen in unkomplizierten Fällen

Der Stellenwert der Operation als einzige sichere Therapie einer Appendizitis wird heute zunehmend hinterfragt. Studienergebnisse deuten darauf hin, dass eine konservative Behandlung mit Antibiotika vielen Patienten die chirurgische Intervention erspart. Allerdings ist mit einer erheblichen Rezidivrate zu rechnen. Nach Einschätzung der Leitlinienautoren können Erwachsene ohne Komplikationen rein medikamentös behandelt werden, auch wenn die chirurgische Lösung effektiver ist. Beim Nachweis eines Appendikolithen ist dagegen eine primäre Operation indiziert. Außerdem erfordert das Versagen der antiinfektiven Behandlung eine zeitnahe Resektion. Bei der komplizierten Appendizitis setzen viele deutsche Kliniken nach wie vor auf die primäre Operation. Die Studienlage hierzu ist diskrepant. Aber es gibt Hinweise, dass ein konservatives Vorgehen in bestimmten Fällen mit einer verringerten Komplikationsrate einhergeht und die Rekonvaleszenz beschleunigt. Nach Ansicht der Leitlinienautoren können klinisch stabile Patienten mit Phlegmonen ohne Risikofaktoren antibiotisch behandelt werden. Abszesse lassen sich eventuell mit einer Kombination von Drainage und antibakterieller Therapie sanieren. Die bisher übliche Intervall-Appendektomie nach konservativer Behandlung sollte wegen vermehrter Komplikationen nur noch bei persistierenden Symptomen und anderen begründeten Indikationen erfolgen. Die notwendige Dauer einer Antibiotikatherapie bei konservativem Vorgehen ist noch unklar und richtet sich vor allem nach dem klinischen Verlauf. Meistens erfolgt eine intravenöse Applikation (1–3 Tage) mit anschließender oraler Gabe (5–7 Tage).

Vom Kotstein blockiert

Die genaue Pathogenese der akuten Appendizitis ist noch nicht geklärt. Am wahrscheinlichsten ist eine Obstruktion durch Kotsteine. In etwa 40 % der unkomplizierten Fälle finden sich Fäkolithen, bei der gangränösen Entzündung sogar in 60 % und bei der perforierten Form in 90 %. Die Blockade führt zu einer Schleimansammlung im Lumen mit konsekutiver Drucksteigerung und verstärktem Bakterienwachstum. Die Folgen reichen von Gangrän und Perforation bis zur Sepsis.

Wundinfektionen durch Prophylaxe vorbeugen

Perioperativ ist eine antibakterielle Behandlung immer indiziert. Sie verringert das Risiko für Wundinfektionen und Abszesse und sollte direkt nach Sicherung der Diagnose begonnen werden. Patienten mit Peritonitis, Abszess oder gesicherter Perforation brauchen eine postoperative Fortsetzung. Die akute Appendizitis ist auch in der Schwangerschaft die häufigste Ursache für ein akutes Abdomen. Wegen der erhöhten Abortgefahr sollte die Behandlung operativ erfolgen, wobei sowohl das laparoskopische als auch das offene Vorgehen möglich ist. Vorwiegend laparoskopisch sollte die Appendektomie bei alten Menschen angegangen werden. Bei ihnen verlängert das offene Verfahren sowohl den Krankenhausaufenthalt als auch die Rekonvaleszenzdauer. Auch für Adipöse empfehlen die Autoren die laparaskopische Appendektomie: Damit kommt es bei diesen Patienten seltener zu Wundinfektionen und anderen Komplikationen als beim offenen Vorgehen. Quelle: S1-Leitlinie „Empfehlungen zur Therapie der akuten Appendizitis“, AWMF-Register-Nr. 088- 011, www.awmf.org

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Nicht immer ist der sonographische Befund so eindeutig wie im Fall dieser phlegmonösen Appendizitis. Nicht immer ist der sonographische Befund so eindeutig wie im Fall dieser phlegmonösen Appendizitis. © wikimedia/Hellerhoff