
Nicht immer reicht ein halbes Jahr

Etwa bei 10 % der reif geborenen Kinder entwickelt sich im Laufe der ersten Lebenswochen ein infantiles Hämangiom, bei Frühgeborenen betrifft es jedes dritte Baby. Trotz primär unkomplizierten Verlaufs und Rückbildung während der Involutionsphase bleiben in über der Hälfte der Fälle Residuen zurück, betonte PD Dr. Hagen Ott vom Fachbereich Pädiatrische Dermatologie und Allergologie des Kinder- und Jugendkrankenhauses Auf der Bult, Hannover. Dazu gehören: Teleangiektasien, seltener Anetodermie und fibrolipomatöses Restgewebe. „Wir sollten also im Elterngespräch vorsichtig sein und nicht initial suggerieren – mit dem Wissen, dass 90 % der infantilen Hämangiome unkompliziert sind –, dass sich das Ganze schon wieder von selbst erledigen wird.“
Bevor man die Diagnose stellt und evtl. bei einer behandlungsbedürftig erscheinenden Läsion eine Therapie in die Wege leitet, müssen benigne vaskuläre Tumoren von malignen sowie vaskulären Malformationen differenzialdiagnostisch abgegrenzt werden. Auch die Trennung zwischen infantilen und kongenitalen Hämangiomen ist wichtig, da Propranolol bei letzteren nicht wirkt.
Kongenital vs. infantil
Notfall Ulzeration
Wenn Tumoren nur kurz aufhören zu wachsen
In manchen Fällen kommt es, auch nach einer Propranololtherapie, später zu einem erneuten Wachstum der Hämangiome, z.T. jenseits des dritten Geburtstags, so dass der Betablocker wieder angesetzt werden muss. Das Ansprechen scheint diesbezüglich nicht abzunehmen, gab der Experte Entwarnung. Um langwierige Behandlungen zu vermeiden, sei aber bei älteren Kindern auch eine Laserbehandlung denkbar. In der Regel hört man gemäß Fachinformation nach sechs Monaten mit der Propranololtherapie auf. Tumoren z.B. mit hohem Rebound-Risiko machen aber ggf. ein Abweichen von diesem Schema erforderlich. Meist handelt es sich um Hämangiome im Kopf-Hals-Bereich mit tiefem subkutanem Anteil und solche, die die Patienten bei Rebound oder Persistieren kosmetisch extrem beeinträchtigen (beispielsweise an Nasenspitze, Lid, Lippen, Parotisregion), sowie große und/oder segmentale Läsionen. Liegen solche Risikofaktoren vor, „ist es sinnvoll, schon im Erstgespräch mit den Eltern zu diskutieren, dass wir wahrscheinlich länger als sechs Monate, z.B. mindestens bis zum ersten Geburtstag, behandeln wollen und müssen“. Eine aktuelle Studie3 zeige sogar, dass Gesichtshämangiome eigentlich bis zum 24. Monat behandelt werden sollten. Diese Fälle bespreche man aber besser mit Experten aus einem spezialisierten Zentrum.Vorsicht mit pauschalen Therapieaussagen
Wie lange tatsächlich behandelt wird, bleibt für jeden Patienten individuell zu entscheiden. Was man laut Dr. Ott im Gespräch mit den Eltern immer vermeiden sollte, ist die Aussage, dass die Therapie nach sechs Monaten in jedem Fall beendet sei. Nicht vergessen dürfe man bei einem segmentalen Tumor außerdem die Diagnostik zur Abschätzung eines PHACE-Syndroms (Angio-cMRT, Herz-Echo oder ggf. Herz-MRT, Funduskopie und weitere klinische Untersuchungen) vor der Therapie.Quellen:
1. Léauté-Labrèze C et al. Pediatrics 2020; 145:e20191628; DOI: 10.1542/peds.2019-1628
2. Fernández Faith E et al. JAMA Dermatol 2021; 157:566-572; DOI: 10.1001/jamadermatol.2021.0469
3. Schmid F, Hoeger PH. J Am Acad Dermatol 2021; S0190-9622(21)02744-4; DOI: 10.1016/j.jaad.2021.10.054
Kongressbericht: 15. Dermatologie-Update-Seminar
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