Nicht jung und fit – was nun?

WCLC 2024 Dr. Moyo Grebbin

Durchschnittlich sind Lungenkrebspatient:innen bei der Diagnose über 70 Jahre alt und wären damit von vielen Studien ausgeschlossen. Durchschnittlich sind Lungenkrebspatient:innen bei der Diagnose über 70 Jahre alt und wären damit von vielen Studien ausgeschlossen. © lettas - stock.adobe.com

Menschen mit Lungenkrebs sind meistens älter und gebrechlicher als im Studiensetting. Ein Experte gab jetzt Tipps zur Immuntherapie bei betagten NSCLC-Patient:innen sowie Betroffenen mit Spenderorganen oder Auto­immunerkrankungen.

Als „beeindruckend“ würdigte Prof. Dr. Siow Ming Lee von den University College London Hospitals den Fortschritt des vergangenen Jahrzehnts im Bereich der Immuntherapien. Eine Sache dürfe man dabei allerdings nicht vergessen: „All die entscheidenden Immuntherapie-Studien wurden mit jungen Teilnehmenden durchgeführt. Wir reden hier über fitte 65-Jährige mit NSCLC, deren Symptomatik vom Krebs dominiert wird und mit minimalen Komorbiditäten.“

Mit IPSOS adressierten die Forschenden ein älteres und gebrechlicheres Patient:innenkollektiv mit NSCLC im Stadium IIIB/IV, das nicht für ein platinhaltiges Regime geeignet war. In dieser Phase-3-Studie verglichen sie in der Erstlinie die Gabe des Checkpoint-Inhibitors Atezolizumab mit einer Mono-Chemotherapie (Vinorelbin oder Gemcitabin). Die Studie erreichte mit median 10,3 Monaten vs. 9,2 Monate OS ihren primären Endpunkt (HR 0,78; p = 0,028). Auch die Ansprechrate und die Dauer der Krankheitskontrolle fielen unter Atezolizumab etwa doppelt so hoch aus, bei stabiler gesundheitsbezogener Lebensqualität. Der Vorteil zeigte sich konsistent über zentrale Subgruppen hinweg. 

„Nach zwei Jahrzehnten hatten wir endlich etwas gefunden, das für unsere älteren und gebrechlicheren Patient:innen funktioniert“, so Prof. Lee. Im Jahr 2024 hielt auf Basis dieser Daten eine entsprechende Empfehlung Einzug in die NCCN-Richtlinien, im Juli passte die EMA ihre Zulassung an. Auf andere Immuntherapien lassen sich die Ergebnisse allerdings nicht übertragen, betonte der Referent. Laut Daten der Studie eNerGy verkürzte das Duo aus Nivolumab plus Ipilimumab bei PS 2 sogar das Überleben gegenüber einer platinbasierten Dublette mit oder ohne Pemetrexed-Erhaltung. 

Die klinische Realität

Laut britischen Registerdaten betreffen die Mehrheit der Lungenkrebsdiagnosen Menschen mit schlechtem Performance-Status (PS) und Ältere, die nicht fit genug für ein platinbasiertes Regime sind. 2021 betrug das mediane Alter bei Diagnosestellung 74 Jahre. Bei knapp der Hälfte lag bereits eine Stadium-IV-Erkrankung vor und 46 % hatten einen ECOG-PS ≥ 2. Besonders hob Prof. Lee hervor: „Die Mehrheit der Erkrankten erhielt nicht die Standardbehandlung. Selbst unter denjenigen mit PS 0–1 waren das nur etwa 60 %.“ 

Als weiteres spezielles Kollektiv widmete sich Prof. Lee Menschen mit Autoimmunerkrankungen (AID). In den meisten dieser Fälle ist eine onkologische Immuntherapie nicht kontraindiziert, betonte er. Voraussetzung bleibt laut den ­NCCN-Richtlinien u. a., dass die AID gut unter Kontrolle ist. Dann seien Nebenwirkungen handhabbar und die Ansprechraten ähnlich wie ohne die Erkrankung. Unter folgenden Voraussetzungen solle man von CPI hingegen Abstand nehmen

  • bestimmte AID, z. B. neurologisch und/oder lebensbedrohlich
  • schlecht kontrollierte Erkrankung 
  • Bedarf an hohen Dosen von Immunsuppressiva

Als Take-Home-Message benannte der Referent außerdem, dass Erkrankte mit NSCLC und Autoimmunkrankheit offenbar längere mediane Überlebenszeiten aufweisen als ohne zugrunde liegende AID.

Als letzte Gruppe befasste sich der Referent mit Krebspatient:innen nach einer Organtransplantation (SOT, solid organ transplantation). Das Hauptproblem beim Einsatz von CPI liegt entitätsübergreifenden Daten zufolge in einer hohen akuten Abstoßungsrate von gut 40 % begründet, die in rund 65–80 % der Fälle zum Verlust bzw. Versagen des transplantierten Organs führt. Ärzt:innen sollten sich auf Empfänger:innen einer Spenderniere beschränken, da mit der Dialyse eine lebenserhaltende Ersatzmethode zur Verfügung steht. Das Anti-Tumor-Ansprechen schien mit knapp 40 % andererseits recht akzeptabel. 

Eine Strategie, bei der es unter zwölf Behandelten einer Phase-1-Studie in keinem Fall zur Abstoßung oder dem Verlust einer Spenderniere kam, sei das sogenannte Hanna’s SOT Regime. Es beruht auf der Gabe von Cemiplimab, mit einem mTOR-Inhibitor und Steroid­pulsen zur Immunsuppression. Die Ansprechrate bezifferte sich auf 46 %, in zwei Fällen hielt es länger als ein Jahr an. 

Quelle: Lee SM. IASLC 2024 World Conference on Lung Cancer; Vortrag „Challenge: How Should We Treat Special Populations of PTS With Immunotherapy: Poor PS, the Elderly, Prior Transplant and Autoimmunity“
 

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Durchschnittlich sind Lungenkrebspatient:innen bei der Diagnose über 70 Jahre alt und wären damit von vielen Studien ausgeschlossen. Durchschnittlich sind Lungenkrebspatient:innen bei der Diagnose über 70 Jahre alt und wären damit von vielen Studien ausgeschlossen. © lettas - stock.adobe.com