
Bakterielle Infekte werden bei Betagten oft spät oder gar nicht erkannt

Durch Bakterien verursachte Infektionskrankheiten präsentieren sich im höheren Alter häufig ungewöhnlich: Statt der typischen Symptome treten vielfach unspezifische Zeichen wie Delir, Stürze und Mobilitätseinschränkungen auf. Hinweise auf die beteiligten Organe fehlen häufig und das vermeintlich leichte Beschwerdebild mit oft schleichendem Verlauf verleitet zu Fehldiagnosen.
Der Anstieg der Körpertemperatur ist oft vermindert oder bleibt ganz aus. Fieber ist aber ein Warnsymptom: 90 % der ≥ 65-Jährigen mit derartiger Temperaturerhöhung sind so krank, dass sie stationär behandelt werden müssen, warnen PD Dr. Sandra Schütze und Dr. Oliver Habich vom Agaplesion Markus Krankenhaus in Frankfurt. Sie halten es deshalb für sinnvoll, v. a. bei Hochbetagten schon eine erhöhte Temperatur < 38 °C als Fieber anzusehen. Neben dem Alter wirkt die oft vorhandene Medikation mit Metamizol oder Parcetamol antipyretisch.
Schmerzen am Ort der Infektion oder eine Dysurie bei Harnwegsinfekt sind bei Älteren häufig geringer ausgeprägt oder gar nicht vorhanden. Bei Lungenentzündungen treten die sonst üblichen Symptome wie Husten, Dyspnoe, Thoraxschmerzen und Myalgien seltener auf oder fehlen ganz. Zudem manifestieren sich die Beschwerden oft nicht im betroffenen, sondern im verletzlichsten Organ, z. B. im Gehirn (Delir etc.) oder in der Muskulatur. Verlust der Gehfähigkeit, Stürze, neu aufgetretene Inkontinenz und verminderte Nahrungsaufnahme sind mitunter die ersten und einzigen Zeichen.
Der Nachweis bakterieller Infektionskrankheiten gestaltet sich bei Hochbetagten oft schwierig – nicht zuletzt, weil die unspezifischen Beschwerden fälschlich auf die normale Alterung zurückgeführt werden. Dies hat eine erhöhte Mortalität zur Folge. Die Detektion einer Lungenentzündung z. B. erfolgt häufig verzögert: Rund die Hälfte der älteren Erkrankten leidet bei der Vorstellung in der Notaufnahme bereits an einer schweren Sepsis.
Bei unklarem Funktionsverlust auch an eine Infektion denken
Eine gründliche Abklärung kann dieses Schicksal verhindern. Bei jedem unklaren Funktionsverlust im Senium muss man auch an eine Infektionskrankheit denken, betont das Autorenteam. Diese manifestiert sich überwiegend an Respirationstrakt, Harnwegen, Magen-Darm-Trakt, Haut und Weichteilen. Zudem treten im Alter vermehrt Infektionen in Blut, ZNS und Bewegungsapparat auf.
Die Anamnese, möglichst mit Befragung der Angehörigen, erlaubt eine Einschätzung des vorbestehenden Status (Kognition, Funktionalität, Mobilität). Mit der körperlichen Untersuchung lässt sich der Zustand von Oropharynx, Konjunktiven, Haut (auch sakral, perineal und perirektal), Thorax, Abdomen, Gelenken und Wirbelsäule erheben. Routinemäßig sollten auch Blutdruck, Sauerstoffsättigung sowie Atem- und Herzfrequenz gemessen werden.
C-reaktives Protein und Procalcitonin erleichtern auch bei Älteren die Diagnostik und Verlaufskontrolle. Ein CRP-Wert < 5 mg/l schließt eine systemische bakterielle Infektion so gut wie aus (abgesehen von den ersten 12 bis 24 Stunden). Die Indikation für eine Probenentnahme für eine Bakterienkultur (z. B. aus Urin, Stuhl, Blut oder Liquor) sollte bei Senioren großzügig gestellt werden, wenn verdächtige Symptome vorliegen. Auch für bildgebende Verfahren (z. B. Röntgenthorax) empfehlen die Verfasser einen niedrigschwelligen Einsatz.
Unnötige Antibiotikatherapien gilt es zu vermeiden. Daher ist auf eine sorgfältige Indikationsstellung zu achten. Allerdings ist bei begründetem Verdacht auf eine bakterielle Infektionskrankheit eine möglichst frühzeitige empirische Antibiose indiziert. Bestätigt sich der Verdacht innerhalb von zwei bis drei Tagen nicht, wird die Therapie beendet. Grundsätzlich raten Dr. Schütze und Dr. Habich vor dem Beginn einer Antibiotikatherapie zur Erregersicherung. Die Auswahl des Wirkstoffs richtet sich nach Immunkompetenz, Begleiterkrankungen und möglichen Interaktionen mit der bereits vorhandenen Medikation. Auch das Schadpotenzial der Behandlung ist zu berücksichtigen.
Wechselnde Antibiotikadosis für Nierenkranke
Bei Niereninsuffizienz muss die Dosis einiger Antibiotika ab dem zweiten Tag reduziert werden. In den ersten 24 Stunden sollte zum Erreichen ausreichender Wirkspiegel die volle Dosis verabreicht werden, so das Autorenduo. Die Therapiedauer sollte sich auch nach klinischen Symptomen und Laborparametern richten.
Quelle: Schütze S, Habich O. Hess Ärztebl 2024; 85: 423-428
Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).