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Bakterielle Fehlbesiedelung: Gereizte Stimmung im Dünndarm

Patienten mit einer bakteriellen Fehlbesiedelung des Dünndarms, (SIBO*), klagen über unspezifische Beschwerden wie Blähungen, Bauchschmerzen, Nausea sowie Stuhlgangsveränderungen. Damit präsentieren sie sich mit einer ähnlichen Symptomatik wie an Reizdarm Erkrankte, schreiben Dr. Martin Wilhelmi von der Central-Praxis Gastroenterologie Zürich und Kollegen. Die Abgrenzung beider Erkrankungsbilder ist zwar nicht immer einfach, doch sollte gerade bei therapierefraktären Reizdarmbeschwerden an die Differenzialdiagnose der Fehlbesiedelung gedacht werden, so die Experten.
Pathophysiologisch liegt der SIBO eine bakterielle Besiedelung des normalerweise sehr keimarmen Dünndarms zugrunde. Die überwiegend aus dem Kolon stammenden aerob und anaerob lebenden Bakterien fermentieren die Kohlenhydrate aus der Nahrung und produzieren dadurch Gase, die die Symptome auslösen. Das erklärt auch, warum die Patienten bei langen Nüchternphasen oder morgens häufig deutlich weniger Beschwerden haben.
Neben den Leitsymptomen Blähungen, Bauchschmerzen und Diarrhö sowie dem Vorliegen von Risikofaktoren (s.Kasten) sind weitgehende Beschwerdefreiheit in Nüchternphasen und Beschwerdezunahme nach besonders kohlenhydratreichen Mahlzeiten wie beispielsweise Pasta und Pizza diagnoseweisend. Auch eine vorübergehende Besserung der Symptome unter einer (probatorischen) Antibiose ist ein Hinweis auf eine Fehlbesiedelung des Dünndarms.
Bei wem sich die Keime gerne verirren
In der Praxis kommen eher Atemtests zum Einsatz
Goldstandard zur Diagnosesicherung ist die Bakterienkultur eines unter sterilen Bedingungen endoskopisch gewonnen Dünndarmflüssigkeitsaspirats mit einem Krankheitsschwellenwert von 103 koloniebildenden Bakterien. In der Praxis kommen allerdings eher die weniger aufwendigen, allerdings auch weniger sensitiven und spezifischen Atemtests zum Einsatz. Hierbei werden nach Gabe einer standardisierten Kohlenhydratlösung die in das Blut und damit in die Ausatemluft übergegangenen bakteriellen Fermentationsprodukte Methan und Wasserstoff gemessen. Im Labor zeigen sich bei SIBO anfangs meist keine Auffälligkeiten. Bei schon länger Erkrankten finden sich Anämie, Vitamin-A-, -D-, -E-, K-, B12-, Eisenmangel und eine Hypalbuminurie. Wurden andere Ursachen für die Abdominalbeschwerden – z.B. chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED), Zöliakie oder eine Pankreatitis – ausgeschlossen, Grunderkrankungen wie Diabetes oder Fisteln optimal behandelt und potenziell schädliche Medikamente wie Motilitätshemmer (z.B. Opiate) und PPI abgesetzt, beginnt die eigentliche Therapie der Fehlbesiedelung. Diese umfasst bei eingeschränkter Motilität den Einsatz von Prokinetika wie Metoclopramid, Domperidon oder Erythromycin. Auch eine Aerobier und Anaerobier abdeckende Antibiotikagabe über sieben bis zehn Tage oder ggf. länger kann probiert werden. Mittel der Wahl ist das nicht resorbierbare Antibiotikum Rifaximin in einer Dosierung von 1650 mg/Tag, alternativ stehen Neomycin, Doxycyclin, Amoxicillin und Ciprofloxacin zur Verfügung. Bei Therapieansprechen verschwinden die Beschwerden zumindest über mehrere Monate, bei Rezidiven kann erneut mit Rifaximin behandelt werden. Pflanzliche Produkte u.a. auf Basis von Knoblauch, Oregano, Zimt oder Neem wirken ebenfalls antibiotisch und erwiesen sich in einigen Studien einer Antibiotikaeinnahme als gleichwertig. Ob Probiotika, Präbiotika und Synbiotika bei der SIBO etwas bringen, ist jedoch umstritten. So ergaben z.B. größere verblindete Studien keine über Placebo hinausgehenden Effekte für Probiotika.Ernährungsberatung ist unabdingbar
Langfristig am Erfolg versprechendsten ist die Ernährungsumstellung. Die Autoren empfehlen zuerst eine „Specific Carbohydrate Diet“ und dann eine Erweiterung mit FODMAP**. Die Patienten meiden dabei Lebensmittel mit fermentierbaren Kohlenhydraten wie Getreide, Reis sowie stärkehaltiges Gemüse und laktosehaltige Milch und ernähren sich vollwertig mit Fleisch, Fisch, Eiern, Gemüse, Hülsenfrüchten, Nüssen, Ölen und Fetten. Eine ernährungstherapeutische Beratung und Begleitung ist hier allerdings unabdingbar, so die Gastroenterologen.* small intestinal bacterial overgrowth
** fermentable oligo-, di- and monosaccharides and polyols
Quelle: Wilhelmi M et al. Swiss Med Forum 2018; 18: 191–200
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