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Nicht zum Schieflachen

Dystonien bezeichnen eine Gruppe hyperkinetischer Bewegungsstörungen. Kennzeichnend sind wiederkehrende, manchmal anhaltende zitternde oder verdrehenden Bewegungen bzw. Körperhaltungen, schreiben Feline Hamami und Prof. Dr. Tobias Bäumer vom Institut für Systemische Motorikforschung am Universitätsklinikum Lübeck. Die häufigste Form der isolierten fokalen Dystonie ist die zervikale Dystonie, auch als Schiefhals oder Tortikollis bekannt. Sie führt zu unwillkürlichen Bewegungen und Fehlhaltungen im Bereich von Kopf, Hals und Schultern.
Die Mehrheit – bis zu 89 % – der Patienten leidet aber nicht nur an motorischen Symptomen, sondern zudem an Schmerzen. Sie können lokal in der Halsmuskulatur auftreten oder sich diffus über Nacken und Schultern ausbreiten. Den Charakter beschreiben viele als scharf stechend oder brennend, etwa ein Drittel berichtet über ein ziehendes Gefühl im Nacken. Die Schmerzen entwickeln sich meist auf der von der Dystonie befallenen Seite, manchmal strahlen sie auf die Seite aus, zu der der Kopf fehlgehalten wird. Viele Patienten geben an, dass die Beschwerden morgens geringer sind und im Tagesverlauf zunehmen. Etwa 10–20 % klagen zudem über ziehende Kopfschmerzen, oft an Schläfe oder Hinterkopf/Nacken lokalisiert. Die Autoren raten deshalb, bei Kopf- und/oder Nackenschmerzen differenzialdiagnostisch immer auch an eine zervikale Dystrophie zu denken und darauf zu achten, ob eine leichte Fehlhaltung des Kopfes vorliegt.
Die Schmerzen bei zervikaler Dystrophie können einen großen Einfluss auf die Lebensqualität bzw. die Einschränkungen der Patienten haben – und sind auch ein Prädiktor dafür, dass der Erkrankte wahrscheinlich seinen Beruf aufgeben wird. Zudem gibt es einen Zusammenhang zum Auftreten von psychiatrischen Problemen wie Depressionen oder Angststörungen. Erfassen lassen sich die Beschwerden mit dystoniespezifischen Fragebögen.
Als Therapie der ersten Wahl bei fokalen Dystonien stehen in der aktuellen Leitlinie intramuskuläre Injektionen im Abstand von zwölf Wochen verabreicht. Botulinumtoxin hemmt die Freisetzung von Acetylcholin an der motorischen Endplatte, was zu einer (vorübergehenden) chemischen Denervierung und damit zur Muskelentspannung führt. Darüber hinaus wirkt das Toxin auf die Schmerzen: Viele Patienten geben schon nach der ersten Spritze eine deutliche Linderung an. Die Wirkung setzt allerdings erst etwa drei bis zehn Tage nach der Injektion ein und lässt nach ungefähr zehn Wochen wieder nach. Bei moderaten bis starken Schmerzen wählt man oft eine höhere Anfangsdosis und spritzt in mehr Muskeln.
Orale Medikamente (Baclofen, Benzodiazepine, Anticholinergika) kommen eher bei generalisierten Dystonien in Frage, wirken manchmal aber auch bei der zervikalen Form. Allerdings ist ihr Effekt geringer als der von Botulinumtoxin, und sie haben ein ungünstiges Nebenwirkungsprofil. Daher sollte man sich ihren Einsatz gut überlegen.
Eine Physiotherapie lindert motorische Symptome und die Schmerzen. Empfohlen wird eine Kombination aus aktiven Übungen, Muskeldehnungen, Positionskorrektur und Entspannungsübungen. Auch Patienten, die trotz einer Botulinumtoxintherapie Schmerzen haben, profitieren deutlich von einer Physiotherapie.
Wenn alle medikamentösen Ansätze keinen ausreichenden Erfolg bringen, kann die tiefe Hirnstimulation eine Option sein. Sie wirkt ebenfalls auf beides: motorische Einschränkungen und Schmerzen. gegen Dabei werden die Elektroden meist in den Globus pallidus internus eingesetzt, um dieses Hirnareal zu stimulieren. Der Effekt setzt jedoch erst ein paar Wochen oder sogar Monate nach der Operation ein. Rund 75 % der Patienten sprechen gut darauf an.
Andere Behandlungsverfahren sind bisher noch nicht ausreichend untersucht. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass Kinesiotaping, Akupunktur sowie Neuromodulationstechniken der transkraniellen Gleich- und Wechselstromstimulation Schmerzen lindern können. Eine Psychotherapie sollte erfolgen, wenn relevante psychiatrische Begleiterkrankungen vorliegen.
Quelle: Hamami F, Bäumer T. Schmerz 2024; 38: 41-47; DOI: 10.1007/s00482-024-00790-5
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