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Non-ST-Hebungsinfarkt: ESC legt aktualisierte Leitlinie vor

Fünf Jahre sind seit der letzten Aktualisierung vergangen, die Kardiologie hat seither dazugelernt. Die neue Leitlinie1 fasst in 131 Empfehlungen auf knapp 80 Seiten den Stand des Wissens zusammen. Was auf den ersten Blick aussieht, als hätten sich die Autoren aufs Wesentliche beschränkt, entpuppt sich auf den zweiten als Dokument mit diversen Hyperlinks zu „Supplementary Data“.
Grafiken per Audioguide erklären lassen
So wurden gleich zu Beginn klinische Symptomatik und körperliche Untersuchung ausgegliedert. Immerhin ist die Leitlinie deutlich übersichtlicher als die alte Version. Außerdem gibt es die Möglichkeit, sich Grafiken per Audioguide erklären zu lassen, ein Link dazu steht jeweils in der Bildunterschrift.
Von den Biomarkern hat nur das hochsensitiv gemessene kardiale Troponin (hs-cTn) überlebt, weil es den Myokardschaden wesentlich sensitiver und spezifischer spiegelt als CK, CK-MB oder Myoglobin. Bei typischer Klinik beweist ein dynamischer Anstieg von hs-cTn über die 99. Perzentile den Infarkt – je nach Assay liegt diese zwischen 10 und 20 ng/l. Die meisten Point-of-care-Tests sind noch nicht sensitiv genug, aber sie werden besser, und die neuesten reichen an die Qualität der Zentrallabors heran. Da auch hs-cTn nur den Myokardschaden anzeigt, aber nicht dessen Ursache, müssen – vor allem bei ungewöhnlicher Symptomatik – Differenzialdiagnosen wie Herzinsuffizienz, Myokarditis oder Hochdruckkrise ausgeschlossen werden. Mit den hs-cTn-Assays konnte das Intervall bis zum zweiten Test deutlich verkürzt werden.
Schnelle Algorithmen setzen sorgfältige Analyse voraus
Die ESC empfiehlt eine Stunde als beste und zwei Stunden als zweitbeste Option (statt wie vorher drei Stunden), bevor über Entlassung oder Verlegung auf Normal- respektive Intensivstation entschieden wird. Die „schnellen“ Algorithmen setzen eine sorgfältige Analyse der Klinik und des EKGs voraus. Damit segnet die Leitlinie ein Verfahren ab, das in deutschen Kliniken vielfach bereits praktiziert wird.
Bei der antithrombotischen Therapie empfiehlt die ESC Prasugrel vor Ticagrelor für Patienten vor PCI und – als „Kann erwogen werden“-Empfehlung – die Deeskalation der dualen Plättchenhemmertherapie z.B. per Switch von Prasugrel oder Ticagrelor auf Clopidogrel, v.a. wenn der Patient für eine potente Plättchenhemmung ungeeignet erscheint. NSTEMI-Patienten mit Vorhofflimmern sollen für maximal eine Woche eine Dreifachtherapie mit (N)OAK, ASS plus P2Y12-Inhibitor erhalten und anschließend ein (N)OAK plus P2Y12-Inhibitor, vorzugsweise Clopidogrel. Der Plättchenhemmer soll nach zwölf Monaten wieder abgesetzt werden.
MINOCA-Sekundärprävention mit Kann-Empfehlungen
MINOCA, dem Myokardinfarkt mit nicht-obstruierten Koronararterien als Sammelbegriff für Krankheitsbilder wie Takotsubosyndrom und myokarditisinduzierte Herzmuskelschäden, widmet die Leitlinie ein eigenes Kapitel. MINOCA-Patienten sind meist jünger und häufiger weiblich, ihr Risikoprofil zeigt oft weder Diabetes noch Hochdruck oder Dyslipidämie, was Diagnose, Prognose und weitere Therapieführung schwierig macht. Die Leitliniengruppe weist darauf hin, dass betroffene Patienten eine bessere Prognose haben als andere Infarktpatienten, im Vergleich zu Gesunden aber ein erhöhtes Sterberisiko aufweisen. Aufgrund unzureichender Evidenz beschränkt sich die Leitlinie auf Kann-Empfehlungen für die medikamentöse Sekundärprävention: ASS, Statine, ACE-Hemmer und Kalziumantagonisten – eben das übliche Postinfarktarsenal.
* European Society of Cardiology
** Non-ST-Hebungsinfarkt
Quelle: 1. Collet JP, Thiele H et al. Eur Heart J 2020; DOI: 10.1093/eurheartj/ehaa575
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