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Notfall Stromschlag: Was tun, wenn‘s knallt?

Die Häufigkeit von Stromschlägen wird meist unterschätzt, weil keiner sie meldet, schreiben französische Forscher um Dr. Victor Waldmann vom Cardiologie Départment am Hôpital Européen Georges Pompidou in Paris. Allein in den USA rechnet man mit 4800 Stromverletzungen im Jahr, darunter 400 tödlichen. Die meisten Unfälle ereignen sich am Arbeitsplatz, Blitzschlag-Verletzungen sind mit rund hundert Todesfällen im Jahr deutlich seltener.
Membranen durchlöchert, Gewebe verbrannt
Auch jugendlicher Leichtsinn wie das Erklimmen von Strommasten spielt eine Rolle. Kindern werden nach wie vor meist ungesicherte Steckdosen oder Kabel zum Verhängnis.
Stromschläge können die verschiedensten Schäden auslösen: Direkter Elektrokontakt führt zur Depolarisation und zur Elektroporation der betroffenen Zellen, d.h., die elektrischen Eigenschaften werden verändert und die Zellmembran „gelöchert“. Mindestens ebenso schädlich wirken die indirekten Effekte: Durch die Umwandlung der elektrischen Energie in Hitze kommt es häufig zu schweren Verbrennungen. Stürzt der Betroffene, verschlimmert das Trauma die Folgen zusätzlich. Lebensgefahr entsteht durch ausgedehnte Verbrennungen oder Organschäden.
Das Ausmaß der zu erwartenden Schäden lässt sich anhand der Stromspannung abschätzen, wobei man zwischen Hoch- und Niedervolt-Unfällen unterscheidet. Hochspannungsleitungen führen bis zu 400 000 V, Oberleitungen der Eisenbahn ca. 25 000 V und Freileitungen 1500 V. Niedervolt-Unfälle ereignen sich z.B. in der U-Bahn (750 V) oder im Haushalt (230 V).
Trockene Haut kann auch ihr Gutes haben
Die Kontaktdauer und der Widerstand des Gewebes beeinflussen ebenfalls das Ausmaß. Feuchtigkeit reduziert den Hautwiderstand erheblich – mit schwerwiegenden Folgen. Statt oberflächlicher Hautläsionen, wie sie bei entsprechender Spannung und trockener Haut zu erwarten wären, kommt es zu einem lebensgefährlichen Stromschlag mit ausgedehnten inneren Verletzungen. Im Körper nutzt der Strom den Weg des geringsten Widerstands, er breitet sich also entlang von Nerven und Blutgefäßen aus.Hautverbrennungen sieht man vor allem an den Ein- und Austrittsstellen, wobei sich letztere meist dort befinden, wo der Patient Bodenkontakt hatte.
24h-EKG nach Unfall mit Hochspannung
Unter den Organschäden sind vor allem die kardialen Läsionen gefürchtet. Schon wegen seiner Lage ist das Herz besonders exponiert, egal ob der Strom horizontal (von Hand zu Hand) oder vertikal (von Kopf oder Hand bis Fuß) durch den Körper fließt, immer durchdringt er das Herz. Als Folge drohen lebensgefährliche Arrhythmien, die sich gelegentlich erst verspätet manifestieren.
Organschäden im Überblick
- Herz: Arrhythmie, Bradykardie, Herzmuskelschaden
- Atemwege: Paralyse der Atemmuskulatur (z.B. Zwerchfell) oder tetanische Kontraktionen, fehlende Atemkontrolle im Gehirn
- Haut: Ausgedehnte Verbrennungen mit Flüssigkeitsverlust
- ZNS: Bewusstlosigkeit, Amnesie, Rückenmarksverletzung, Paralyse, Hypästhesie in den Extremitäten, posttraumatische Belastungsstörung, Depression, chronische neuropathische Schmerzen
- Blutgefäße: Thrombose
- Niere: Insuffizienz durch tubuläre Präzipitation von Myoglobin infolge von Muskelschäden
- Muskuloskelettales System: Rhabdomyolyse, Frakturen, Luxationen, Kompartmentsyndrom
- Die einfachste Gruppe sind Patienten mit Niedervolt-Unfällen ohne Bewusstseinsverlust oder Herzstillstand. Bei ihnen sind ernste Rhythmusstörungen unwahrscheinlich, wenn das EKG im Krankenhaus normal ausfällt. Sie können ohne Monitoring nach Hause entlassen werden.
- Bei Hochvolt-Unfällen ist wegen der Gefahr von Spät-Arrhythmien ein EKG-Monitoring über 24 Stunden nach der stationären Einweisung bzw. Beendigung der Arrhythmie sinnvoll.
Waldmann V et al. BMJ 2017; online first
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