So werden Blutungen unter NOAK gestoppt

Dr. Andrea Wülker

Jährlich muss etwa jeder zehnte Patient mit oraler Langzeitantikoagulation unters Messer. Jährlich muss etwa jeder zehnte Patient mit oraler Langzeitantikoagulation unters Messer. © fotolia/sudok1

Nicht-Vitamin-K-antagonistische orale Antikoagulanzien werden im klinischen Alltag inzwischen häufig eingesetzt. Doch nach wie vor besteht Unsicherheit, was zu tun ist, wenn diese Patienten bluten oder ein erhöhtes Blutungsrisiko besteht. Ein aktuelles Statement der American Heart Association nimmt sich dieser Fragen an.

Die nicht-Vitamin-K-antagonistischen oralen Antikoagulanzien (NOAK) Dabigatran, Rivaroxaban, Apixaban und Edoxaban gelten als Alternative zu Vitamin-K-Antagonisten (VKA) in der Schlaganfallprävention bei Patienten mit Vorhofflimmern und im Management venöser Thromboembolien. Im Vergleich zu Warfarin sind die therapeutischen Effekte besser vorhersehbar, regelmäßige Laborkontrollen erübrigen sich und es treten weniger potenzielle Medikamenteninteraktionen auf.

Antikoagulierte Patienten sind anfällig für spontane, traumatische oder perioperative Blutungen. Bisher gibt es nur wenige klinische Daten zum Vorgehen bei Blutungen und zum perioperativen Management. Eine Expertengruppe der American Heart Association (AHA) unter der Leitung von Professor Dr. Amish N. Raval, University of Wisconsin, Madison, spricht nun basierend auf der aktuellen Datenlage Empfehlungen aus.

Nierenfunktion regelmäßig kontrollieren

Während Dabigatran ein kompetitiver direkter Thrombininhibitor ist, hemmen Rivaroxaban und Edoxaban den Faktor Xa und die Prothrombinaseaktivität und unterbinden dadurch die Konversion von Prothrombin in Thrombin. Die Wirkung der NOAK setzt rasch ein und sie haben im Vergleich zu Warfarin eine kürzere Halbwertszeit. Ein routinemäßiges therapeutisches Monitoring wurde in den klinischen Wirksamkeitsstudien mit NOAK nicht durchgeführt und wird derzeit für die klinische Praxis auch nicht empfohlen. Jedoch sollte die Nierenfunktion in regelmäßigen Abständen kontrolliert werden.

Messungen der NOAK-Spiegel oder des -Effekts können in bestimmten Situationen notwendig werden. Vor allem wenn unklar ist, wann der Patient sein Medikament zum letzten Mal eingenommen hat bzw. wie es um seine Nierenfunktion oder gastrointestinale Absorption steht. Doch gibt es bisher keine zugelassenen spezifischen Labortests. Alle NOAK beeinflussen die herkömmlichen Gerinnungstests – allerdings nicht so, dass eine vorhersagbare und quantitative Messung des antikoagulatorischen Effekts möglich wäre.

Wie also handeln, wenn die NOAK­-Wirkung aufgehoben werden soll, z.B. weil der Patient blutet? Kliniken sollten im interdisziplinären Team Protokolle erarbeiten, die festlegen, was im Ernstfall zu tun ist. Die AHA-Experten empfehlen, folgende Allgemeinmaßnahmen zu ergreifen:

  • falls möglich mechanische Kompression
  • zwei venöse Zugänge legen
  • Plasmaexpander/Erythrozytenkonzentrate nach Bedarf
  • Zeitpunkt der letzten NOAK-Einnahme erfragen. Liegt diese weniger als zwei Stunden zurück, Gabe von Aktivkohle erwägen
  • Labortests: Harnstoff-Stickstoff im Blut, großes Blutbild, Kreatinin, Leberenzyme
  • Hämatologen benachrichtigen

Für Dabigatran steht Idaruci­zumab als spezifisches Antidot zur Verfügung; weitere Antidote sind in Entwicklung. Solange sollten Patienten, die einen der anderen NOAK einnehmen, u.a. ein Prothrombinkomplex-Konzentrat erhalten (s. Tabelle).

Spezifische Maßnahmen bei schweren Blutungen unter NOAK-Therapie
NOAKBluttests auf das Vorliegenoder den Effekt von NOAKSpezifisches AntidotAlternative Therapie-Optionen
DabigatranPTT, TTIdarucizumab 5 g i.v.(2 Infusionen à 2,5 g)4-Faktor-PCC 50 IU/kg i.v., Faktor VIIa 90 μg/kg i.v. alle 2 h,Tranexamsäure 15–30 mg/kg i.v., Hämodialyse
RivaroxabanAnti-Faktor XaNicht verfügbar4-Faktor-PCC 50 IU/kg i.v., Faktor VIIa 90 μg/kg i.v. alle 2 h,Tranexamsäure 15–30 mg/kg i.v.
ApixabanAnti-Faktor XaNicht verfügbarPCC 50 IU/kg i.v., Faktor VIIa 90 μg/kg i.v. alle 2 h,Tranexamsäure 15–30 mg/kg i.v.
EdoxabanAnti-Faktor XaNicht verfügbarPCC 50 IU/kg i.v., Faktor VIIa 90 μg/kg i.v. alle 2 h,Tranexamsäure 15–30 mg/kg i.v.
TT = Thrombinzeit, PTT = partielle Thromboplastinzeit, PCC = Prothrombinkomplex-Konzentrat


Wurden eventuell weitere Medikamente geschluckt?

Wenn Patienten ihr NOAK-Präparat überdosieren, steigt das Blutungsrisiko. Es gibt kaum Daten zum Management von Patienten nach Überdosierung mit/ohne Blutung. Daher orientiert sich die Behandlung an der Pharmakologie der Substanzen und klinischer Erfahrung. In der Akutsituation ist es wichtig herauszufinden, wann der Patient welches NOAK in welcher Dosierung eingenommen hat, ob eventuell weitere Medikamente geschluckt wurden und ob zusätzlich eine Nieren- oder Lebererkrankung vorliegt.

1,2 % erlitten schwere Blutung

Jedes Jahr müssen sich etwa 10 % der Patienten unter einer oralen Langzeit-Antikoagulation einer Op. oder einer anderen invasiven Maßnahme unterziehen. Die Datenlage zu Patienten unter NOAK ist limitiert; sie lässt jedoch vermuten, dass das perioperative Blutungsrisiko bei elektiven Op. eher gering ist. Das Dresdner "NOAC-Register" evaluierte 2179 NOAK-Patienten prospektiv. 595 von ihnen unterzogen sich ingesamt 863 invasiven Eingriffen.

Nur bei 5,3 % der Patienten kam es innerhalb von ca. einem Monat nach dem Eingriff zu einer Blutung, schwere Blutungen traten bei 1,2 % auf. Die Autoren des AHA-Statements empfehlen, dass Kliniken auch zum perioperativen Management von NOAK-Patienten Richtlinien im interdisziplinären Team erarbeiten sollen. Diese Protokolle sollten u.a. definieren, ob der Gerinnungshemmer abgesetzt oder weiterhin eingenommen werden sollte. 

Quelle: Raval AN et al. Circulation 2017; online first

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