NOAK ist nicht gleich NOAK

Dr. Judith Lorenz

Alle NOAK zeichnen sich durch ein schnelles An- und Abfluten aus. Alle NOAK zeichnen sich durch ein schnelles An- und Abfluten aus. © fotolia/7activestudio

Als Rattengift kam der erste Vitamin-K-Antagonist zunächst zum Einsatz, bevor er 1954 zur Antikoagulation zugelassen wurde. Die relativ unspezifische Wirkung gilt heute noch als Problem. Nicht-Vitamin-K-antagonistische Präparate bieten demgegenüber viele Vorteile – für den sicheren Umgang muss man sie aber genau auseinanderhalten.

Vier nicht-Vitamin-K-antagonistische orale Antikoagulanzien, kurz NOAK, stehen aktuell in Deutschland zur Verfügung. Sie hemmen selektiv, kompetitiv, reversibel und antithrombinunabhängig den aktivierten Gerinnungsfaktor II (Dabigatran) bzw. X (Rivaroxaban, Apixaban, Edoxaban). Die Präparate ermöglichen eine einfache und bei korrekter Anwendung relativ sichere Gerinnungshemmung, schreibt Professor Dr. Bettina Kemkes-Matthes von der Abteilung für Hämostaseologie der Universität Gießen und Marburg.

Rivaroxaban mit der Nahrung einnehmen

Alle NOAK zeichnen sich durch ein schnelles An- und Abfluten aus. Bei normaler Nierenfunktion erreichen sie nach 2–4 Stunden den maximalen Wirkspiegel, nach 24 Stunden sollte kein medikamenteninduziertes erhöhtes Blutungsrisiko mehr bestehen, so die Expertin. Die Einahme von Rivaroxaban muss mit der Nahrung bzw. mit einer kleinen Menge Fett erfolgen, um die vollständige Resorption zu gewährleisten. Bei den drei anderen Präparaten existieren keine derartigen Einschränkungen.

Zur Therapie und Sekundärprophylaxe der Thrombose/Lungenembolie sowie bei nicht-valvulärem Vorhofflimmern sind alle verfügbaren NOAK zugelassen. Der Gabe von Dabigatran bzw. Edoxaban muss bei frischer thromboembolischer Komplikation zunächst eine etwa einwöchige Behandlung mit z.B. niedermolekularem Heparin vorausgehen. Die Dosierung von Rivaroxaban und Apixaban liegt in diesem Fall zum Einstieg über der Erhaltungsdosis.

Zur Thromboseprophylaxe bei elektiver Hüft- und Kniegelenkchirurgie darf Edoxaban nicht eingesetzt werden. Die perioperative Prophylaxe erfordert zudem geringere Dosierungen.

Von Vitamin-K-Antagonist auf NOAK umsatteln

Bei der Umstellung der gerinnungshemmenden Therapie von einem Vitamin-K-Antagonisten auf ein NOAK ist die verzögerte Wirkungsabnahme von Phenprocoumon bzw. Warfarin zu berücksichtigen. Mit der Einnahme des NOAK sollte erst dann begonnen werden, wenn der INR-Wert auf ≤ 2,0 abgefallen ist (engmaschige Kontrolle!).

Therapie bei Tumorpatienten bleibt Einzelfallentscheidung

Kontraindikationen für eine NOAK-Behandlung bestehen allgemein für Patienten mit künstlichen Herzklappen, Schwangere und Stillende, Kinder und Jugendliche sowie Patienten mit schwerer Niereninsuffizienz. Als Standarddosierung bei normaler glomerulärer Filtrationsrate nennt die Autorin:
  • Dabigatran: 2 x 150 mg/d
  • Rivaroxaban: 1 x 20 mg/d
  • Apixaban: 2 x 5 mg/d
  • Edoxaban: 1 x 60 mg/d
Eine eingeschränkte Nierenfunktion, niedriges Körpergewicht sowie ein Patientenalter über 80 Jahre gehen gegebenenfalls mit einer Dosisreduktion einher, um eine Übertherapie zu vermeiden und das Blutungsrisiko zu minimieren (siehe Tabelle). Bei Tumorpatienten bleibt die Behandlung zunächst eine Eizelfallentscheidung. Im Gegensatz zu Vitamin-K-Antagonisten sind NOAK weniger anfällig für Wechselwirkungen, schreibt Prof. Kemkes-Matthes. Dabigatran z.B. interagiert mit P-gp-Inhibitoren bzw. -Induktoren. Bei gleichzeitiger Ve­rapamiltherapie sollte die Dosis daher auf 2 x 110 mg/d gesenkt werden. Unter der Gabe von Faktor-Xa-Hemmern kann es zu Interaktionen u.a. mit Arzneien kommen, die den Cytochrom-P450-vermittelten Metabolismus beeinflussen. Von Azol­antimykotika rät die Expertin bei paralleler Rivaroxaban- und Apixaban-Behandlung komplett ab. Die simultane Anwendung mit anderen Antikoagulanzien oder Thrombolytika ist kontraindiziert. Zusammen mit Thrombozytenaggregationshemmern muss das deutlich erhöhte Blutungsrisiko bedacht werden. Eine Zulassung besteht allerdings für die Kombination aus niedrig dosiertem Rivaroxaban und ASS bei akutem Koronarsyndrom. Schwere Hämorrhagien treten unter NOAK insgesamt seltener auf als mit Vitamin-K-Antagonisten. Ein spezifisches Antidot gibt es zurzeit nur für Dabigatran. Gemäß der klinischen Erfahrung sprechen Blutungen unter allen NOAK aber gut auf Prothrombinkomplexkonzentrat (PPSB) an. Bei leichten Blutungen, so die gängigen Empfehlungen, genügt i.d.R. eine Einnahmepause.

Vier Wirkstoffe, vier verschiedene Vorgaben
Dosisanpassung an GFRDosisanpassung an Alter/Gewicht
Dabigatran< 30 ml/minPräparat kontraindiziert≥ 80 Jahre und/oder ≤ 50 kg Reduktion auf 2 x 110 mg/d erwägen
30–50 ml/minevtl. Reduktion auf 2 x 110 mg/d
Rivaroxaban15–49 ml/minReduktion auf 1 x 15 mg/dKeine Anpassung nötig
Apixaban15–29 ml/min

Bei TVT ist Vorsicht geboten

Bei VHF Reduktion auf 2 x 2,5 mg/d

≥ 80 Jahre und ≤ 60 kg Reduktion auf 2 x 2,5 mg/d
Edoxaban15–50 ml/minReduktion auf 1 x 30 mg/d≤ 60 kg Reduktion auf 1 x 30 mg/d
GFR: Glomeruläre Filtrationsrate, TVT: Tiefe Venenthrombose, VHF: Vorhofflimmern

Apixaban beeinflusst Gerinnungstests am wenigsten

Bekanntlich entfällt mit den direkten Gerinnungshemmern das lästige Monitoring der Wirkspiegel. In besonderen Fällen lassen sich die Konzentrationen jedoch über spe­ziell kalibrierte Tests erfassen. Wichtig für die tägliche Praxis: Praktisch alle gängigen funktionellen Gerinnungstests werden durch die Präparate beeinflusst – am wenigsten noch durch Apixaban. Das Blut für die entsprechende Analytik sollte man am bes­ten unmittelbar vor der nächs­ten NOAK-Einnahme abnehmen.

Quelle: Kemkes-Matthes B. Internist 2017; 58: 585-596

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