Schwere Blutung: Was im DOAK-Notfall zu tun ist

Dr. Angelika Bischoff

Wie gefährlich eine Blutung unter oraler Antikoagulation ist, hängt unter anderem vom Ort der Blutung ab. Wie gefährlich eine Blutung unter oraler Antikoagulation ist, hängt unter anderem vom Ort der Blutung ab. © iStock/powerofforever

Blutet ein Patient unter Antikoagulation, ist eine rasche Risikostratifizierung erforderlich, um die passende Therapie wählen zu können. Dabei sind individuelle Faktoren und Risiken der Antikoagulation selbst zu berücksichtigen. Letzteres ist bei den DOAK nicht ganz einfach.

Die Gefährlichkeit einer Blutung unter oraler Antikoagulation hängt zum einen von individuellen Faktoren ab. Zu den wichtigsten gehören:

  • Ort der Blutung
  • bekannte Hämostasestörung
  • Multimorbidität
  • Multimedikation (Thrombozytenfunktionshemmer, NSAID?)
  • Niereninsuffizienz

Zum andern spielt es eine Rolle, um welches Antikoagulans es sich handelt – Vitamin-K-Antagonist (VKA) oder direktes orales Antikoagulans (DOAK) – und wie viel Zeit seit der letzten Tabletteneinnahme vergangen ist. Je kürzer die Tabletteneinnahme zurückliegt, desto höher liegt die Wahrscheinlichkeit, dass die Restkonzentration des Antikoagulans die Blutung unterhält, erklärte Professor Dr. Edelgard Lindhoff-Last, Cardioangiologisches Centrum Bethanien (CCB), Frankfurt.„Darauf haben wir bisher gar nicht so geachtet.“

Wie die Restkonzentration des DOAK bestimmen?

Um die Restkonzentration zu bestimmen, helfen Routine-Gerinnungsparameter wie Quickwert und aPTT zwar weiter, wenn der Patient einen VKA nimmt, nicht aber, wenn er ein DOAK erhält. Denn die PTT verändert sich auch unter voller Dosierung mit den direkten Oralen kaum. Man bräuchte für die Notfallsituation spezifische kalibrierte Anti-Xa-Tests bzw. für Dabigatran einen chromogenen Faktor-II-Test.

Gegensteuern mit PPSB oder Antidots

Da diese noch nicht verfügbar sind, kann man sich in der Notfallsituation mit der Messung der Thrombinzeit behelfen, um die Restwirkung von Dabigatran zu erfassen, oder mit einem für niedermolekulare Heparine vorgesehenen Anti-Xa-Test, um die Restwirkung von Apixaban, Rivaroxaban und Edoxaban wenigstens grob zu erfassen, riet die Kollegin.

Gegensteuern lässt sich mit Prothrombinkomplexkonzentrat (PPSB). Dessen Effektivität wurde bei DOAK-Patienten zwar bisher in keiner einzigen Phase-III-Studie belegt. Es liegen jedoch Daten aus einem kanadischen Register vor, das Patienten mit schweren Blutungen unter Rivaroxaban oder Apixaban erfasste, die PPSB erhielten. Die Ärzte berichteten über eine effektive Blutstillung bei rund 70 % der Betroffenen, jeder Dritte ist jedoch im Krankenhaus verstorben.

Nur für Dabigatran hat man mit Idarucizumab ein hochspezifisches Antidot, dessen Wirkung sofort einsetzt und mit einer terminalen Halbwertszeit von zehn Stunden einige Zeit anhält. Die mittlere Zeit bis zum Stillstand der Blutung betrug in Studien 2,5 Stunden. Innerhalb von 30 Tagen traten jedoch bei 4,8 % der Patienten Thromboembolien auf, vor allem bedingt durch eine zu späte Wiederaufnahme der Antikoagulation. Das Faktor-Xa-Antidot Andexanet alfa wird voraussichtlich erst Anfang 2019 zur Verfügung stehen.

PPSB und/oder Antidots sollten bei schweren DOAK-Blutungen eingesetzt werden, wenn: 

  • die Blutung lebensbedrohlich ist
  • die letzte Einnahme des Medikaments nur kurz zurückliegt
  • die DOAK-Clearance verzögert ist
  • eine DOAK-Intoxikation vorliegt
  • die gemessene/vermutete Restkonzentration > 50 ng/ml liegt
  • schwere Blutungen trotz lokaler Maßnahmen persistieren
  • bei Patienten mit hohem Blutungsrisiko nicht aufschiebbare Eingriffe durchgeführt werden müssen und die DOAK-Restkonzentration über 30 ng/ml liegt.

Bei Patienten mit akutem Nierenversagen und DOAK-Kumulation werden eventuell wiederholte Injektionen von PPSB bzw. Antidots erforderlich sein, um die Blutung zu stoppen. Es versteht sich von selbst, dass die Antikoagulation im Notfall unterbrochen werden muss. Aktivkohle hilft nur dann bei der Elimination des DOAK, wenn dieses höchstens 2–3 Stunden zuvor eingenommen wurde. Eine ausreichende Diurese muss sichergestellt werden. Auch chirurgische Hämostasemöglichkeiten sind zu erwägen.

Gerade weil die Restkonzentration von DOAK schlecht messbar ist, wäre es eine gute Idee, wenn die Patienten Ausweise mit sich tragen würden, in denen die Einnahmezeitpunkte eingetragen werden. Das gehört im Haus von Prof. Lindhoff-Last längst zur Routine. Der Arzt kann in diese Ausweise auch Laborparameter (Nieren-, Leberwerte, Blutbild) eintragen.

Nur knapp an der Katastrophe vorbei – ein Fallbericht

Eine 81-jährige Frau kollabiert zu Hause und entwickelt dabei ein Kephalhämatom. Bereits in den Tagen davor hat sie durch eine extreme Epistaxis sehr viel Blut verloren. Der Blutdruck bei Klinikaufnahme beträgt nur 70/40 mmHg. Die Patientin ist mit Apixaban behandelt, wobei sie die letzte Tablette am Vorabend um 18.00 eingenommen hat. Ihr Hämoglobinwert liegt bei 4,4 g/dl, die Thromboplastinzeit ist nicht bestimmbar und die aPTT mit 150 s extrem verlängert. Das passt nun gar nicht zu Apixaban. Mit reichlich PPSB kann die alte Dame gerettet werden. Des Rätsels Lösung stellt sich am nächsten Tag heraus: Der Hausarzt hat die Antikoagulation von Phenprocoumon auf Apixaban umgestellt. Der Pflegedienst hat jedoch die Marcumar-Therapie fortgesetzt und das neue Präparat zusätzlich gegeben, berichtete Prof. Lindhoff-Last.

Quelle: 84. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie

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Wie gefährlich eine Blutung unter oraler Antikoagulation ist, hängt unter anderem vom Ort der Blutung ab. Wie gefährlich eine Blutung unter oraler Antikoagulation ist, hängt unter anderem vom Ort der Blutung ab. © iStock/powerofforever