NSCLC: Diagnose und Therapie sind Präzisionsarbeit

Dr. Judith Lorenz

Durch die Identifizierung onkogener Treibermutationen werden individualisierte Behandlungsstrategien möglich. Durch die Identifizierung onkogener Treibermutationen werden individualisierte Behandlungsstrategien möglich. © fotolia/RFBSIP

Weltweit sterben jährlich 1,6 Millionen Menschen an Lungenkrebs. Eine im New England Journal of Medicine veröffentlichte Arbeit gibt einen Überblick über die modernen mole­ku­lar­genetischen Dia­gnostikmöglichkeiten und geht auf die aktuellen Therapieoptionen ein.

Zwar ist Rauchen nach wie vor der wichtigste Risikofaktor für das Bronchialkarzinom. In den USA wird jedoch rund ein Viertel aller Karzinome bei Nierauchern dia­gnostiziert. Diese Tumoren rücken daher zunehmend in den Fokus des wissenschaftlichen Interesses: Die Identifizierung onkogener Treibermutationen eröffnet die Möglichkeit individualisierter Behandlungsstrategien.

Bekanntlich sind etwa 85 % aller Bronchialkarzinome nicht-kleinzellige (NSCLC) Tumoren. Insbesondere bei nicht-plattenepithelialen ­NSCLC wird eine molekulargenetische Dia­gnostik empfohlen. Hierbei sollte nach Mutationen der Gene EGFR, BRAF V600E, ALK sowie ROS1 gefahndet werden. Die Analyse der Expression von PD-L1 ist – unabhängig vom histologischen Subtyp – bei allen Tumoren ohne Nachweis einer der bekannten onkogenen Alterationen zu empfehlen. Die meisten molekulargenetischen Tests können an kleinen Gewebeproben oder zytologischem Material erfolgen, erklärt Professor Dr. Martin Reck von der LungenClinic Grosshansdorf.

Breites Behandlungsspektum in der First Line verfügbar

Die Therapieentscheidung, so die weiteren Ausführungen des Autors, richtet sich im Wesentlichen nach den molekulargenetischen Tumoreigenschaften. Können beim fortgeschrittenen NSCLC keine onkogenen Treibermutationen nachgewiesen werden, sollte eine platinbasierte Chemotherapie erfolgen. Erhaltungstherapien, beispielsweise mit Pemetrexed, sowie Zweitlinienregimes tragen zu einer weiteren Prognoseverbesserung bei. Immunologische und antiangiogenetische Therapieoptionen erweitern das Behandlungsspektrum.

 

Individualisierte Therapie des NSCLC
HistologieMolekulare PathologiePD-L1-Status (TPS)ErstlinieErhaltungZweitlinie
Plattenepitheliales NSCLCentfällt< 50 %platinbasierte Chemotherapie; Gemcitabin oder Cisplatin + Necitumumab bei EGFR+NecitumumabPembrolizumab, Nivolumab oder Atezolizumab; Chemotherapie; Docetaxel + Ramucirumab; Afatinib; platinbasierte Chemotherapie
entfällt≥ 50 %PembrolizumabPembrolizumabplatinbasierte Chemotherapie
Nicht-plattenepitheliales NSCLCEGFR-MutationentfälltErlotinib + Bevacizumab; Erlotinib; Afatinib; GefitinibErlotinib + Bevacizumab; Erlotinib; Afatinib; Gefitinib Osimertinib; platinbasierte Chemotherapie
ALK-TranslokationentfälltCrizotinib (auch bei ROS1+); CeritinibCrizotinib (auch bei ROS1+); CeritinibAlectinib (nach Crizotinib); platinbasierte Chemotherapie
Wildtyp< 50 %platinbasierte Chemotherapie (Bevacizumab bei geeigneten Patienten)Pemetrexed (auch Switched-Maintenance); BevacizumabPembrolizumab, Nivolumab oder Atezolizumab; Chemotherapie; Docetaxel + Ramucirumab; Docetaxel + Nintedanib (Adenokarzinome); Erlotinib
Wildtyp≥ 50 %PembrolizumabPembrolizumabplatinbasierte Chemotherapie

 TPS = Tumor Proportion Score; weitere Hinweise siehe jeweilige Fachinformation mod. nach Reck M et al. NEJM 2017

 

Molekulargenetische Therapiestrategien

Im Rahmen klinischer Studien konnte für verschiedene antiangio­genetische Therapeutika eine synergistische Wirksamkeit in Kombination mit einer Chemotherapie belegt werden. Ein prognostischer Nutzen zeigte sich beispielsweise für den VEGF-Antikörper Bevacizumab in Kombination mit einer platinbasierten Chemotherapie beim nicht-plattenepithelialen NSCLC sowie für Necitumumab plus Cisplatin und Gemcitabin beim EGFR-exprimierenden plattenepithelialen NSCLC. Onkogene Treibermutationen bieten die Möglichkeit einer präzisen, zielgerichteten Tumortherapie. Für NSCLC mit Nachweis einer EGFR-Mutation stehen zur Erstlinientherapie verschiedene EGFR-Tyrosinkinaseinhibitoren (Gefitinib, Erlotinib, Afatinib) zur Verfügung. Sie bieten im Vergleich zur alleinigen Chemotherapie ein besseres Tumor­ansprechen sowie ein längeres progressionsfreies Überleben. Kommt es nach neun- bis zwölfmonatiger Behandlung zu einem Tumorprogress, kann mit Osimertinib, einem irreversiblen EGFR-Tyrosinkinase­inhibitor der dritten Generation, eine Prognoseverbesserung erreicht werden.

NSCLC mit Translokationen der Gene ALK bzw. ROS1 sprechen gut auf den Tyrosinkinasehemmer Crizotinib an. Bei Crizotinib-Resistenz – aber auch bei nicht vorbehandelten Tumoren – haben sich ALK-Tyrosinkinaseinhibitoren der zweiten Generation (Ceritinib, Alectinib) als effektiv erwiesen.

Für NSCLC mit einer Mutation im Gen BRAF V600E zeigten sich vielversprechende Ergebnisse bei Therapie mit dem BRAF-Inhibitor Vemurafenib bzw. mit Dabrafenib in Kombination mit dem MEK-Inhibitor Trametinib. Weitere klinisch interessante molekulare Therapieziele, so Prof. Reck, sind RET-Translokationen, HER2- und NTRK1-Mutationen sowie MET-Alterationen.

Nachgewiesene PD-L1-Expression in Erstlinie nötig

Erfolg versprechende immuntherapeutische Strategien beim fortgeschrittenen NSCLC umfassen die Behandlung mit Antikörpern gegen PD-1 oder PD-L1. Voraussetzung für eine Erstlinientherapie mit Pembrolizumab ist gemäß der US-amerikanischen und europäischen Arzneimittelbehörde FDA bzw. EMA eine verstärkte PD-L1-Expression des Tumorgewebes. Onkologisch vorbehandelte Patienten können Nivolumab oder Atezolizumab erhalten. Zukünftiges Ziel der wissenschaftlichen Forschung, so der abschließende Ausblick von Prof. Reck, ist die Identifikation weiterer molekularer Marker zur Vorhersage des Tumoransprechens auf eine Immuntherapie.

Quelle: Reck M et al. N Engl J Med 2017; 377: 849-861

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Durch die Identifizierung onkogener Treibermutationen werden individualisierte Behandlungsstrategien möglich. Durch die Identifizierung onkogener Treibermutationen werden individualisierte Behandlungsstrategien möglich. © fotolia/RFBSIP