Nur jeder Dritte nutzt Hörgeräte langfristig

Dr. Barbara Kreutzkamp

Hörgeräte werden immer kleiner und unauffälliger. Trotzdem stören sich offenbar viele Patienten daran und nehmen schwere Komplikationen in Kauf. Hörgeräte werden immer kleiner und unauffälliger. Trotzdem stören sich offenbar viele Patienten daran und nehmen schwere Komplikationen in Kauf. © fotolia/edwardolive

Hörgeräte steigern nicht nur die Lebensqualität, sondern senken sogar das Demenzrisiko. Dennoch müssen Kollegen Patienten mit Presbyakusis ausführlich aufklären, um die Akzeptanz zu erhöhen. Dabei hilft es, die Familie mit ins Boot zu holen.

Ein Drittel der Erwachsenen zwischen 61 und 70 Jahren kann nicht mehr besonders gut hören. Bei über 80-Jährigen sind es bereits 80 %. Der langsam progrediente Hörverlust betrifft vor allem die höheren Frequenzen und macht sich zunächst nur in lauter Umgebung bemerkbar. Deshalb registrieren die meisten Betroffenen die Einschränkungen erst nach mehreren Jahren, nehmen sich aber selbst dann nicht unbedingt als schwerhörig wahr, schreiben Dr. Anne-­Claude Guinchard, Service d‘oto-rhino-laryngologie et de chirurgie cervico-faciale, CHUV, Lau-sanne, und Kollegen.

Räumliche Orientierung nimmt ebenfalls ab

Die Folgen sind anscheinend den wenigsten bewusst: Lebensqualität und räumliche Orientierung sind verringert, Gefahren werden später erkannt und aufgrund der als frustrierend empfundenen Kommunikation drohen sozialer Rückzug und Depression. Bleibt die Hörminderung unbehandelt, verschlechtert sich auch die zentrale Sprachverarbeitung, das Risiko für eine Demenz ist erhöht.

Fachgesellschaften empfehlen deshalb, über 60-Jährige routinemäßig nach Hörproblemen z.B. im Res-taurant zu fragen. Bejahen das die Patienten spontan, ist die Überweisung an einen HNO-Arzt oder Hörgeräteakustiker notwendig. Vorher aber immer noch an die Otoskopie denken – Ohrenschmalz vermindert den Schall um bis zu 30 dB!

Durch dieses Verhalten versteht Sie Ihr Patient besser

Mit kleinen Verhaltensänderungen können Sie dafür sorgen, dass der Patient Sie gut versteht:
  • Blickkontakt beim Sprechen 
  • Umgebungsgeräusche dämpfen
  • langsamer statt lauter reden
  • das Gesprächsthema zu Beginn deutlich ankündigen
  • Fragen nicht wiederholen, sondern umformulieren (bessere Verarbeitung im Gehirn)

Verneint der Patient hingegen die Frage nach einer Hörminderung, können Kollegen den Flüstertest durchführen (s. Kasten). Einen genaueren Einblick des Schweregrads liefert darüber hinaus der Fragebogen „Hearing Handicap Inventory for the Elderly“ (HHIE). Therapie der ersten Wahl sind Hörgeräte – wahlweise hinter dem Ohr, in der Ohrmuschel oder im Gehörgang getragen. Eine biaurale Versorgung ist Standard, lediglich bei medizinischen Problemen wie chronischer Otitis oder bei einer asymmetrischen Hörstörung kann auch einseitig versorgt werden. Technisch lassen die neuen Geräte fast keinen Wunsch offen – es existieren Algorithmen zur Sprachverarbeitung in verschiedenen Umgebungen und abhängig von der Blickrichtung. Verbindungen mit Handy, Fernseher und Computer sind ebenfalls möglich.

So einfach funktioniert 
der Flüstertest

Der Patient hält sich ein Ohr zu. Aus etwa 50 cm Entfernung flüstern Sie dem Patienten in das offene Ohr sechs Zahlen oder Buchstaben zu. Eine Hörminderung liegt potenziell vor, wenn der Patient mindestens dreimal falsch liegt. Worte mit zu vielen Konsonanten in hohen Frequenzbereichen sind ungeeignet, da ggf. die Hörminderung überbewertet wird.

Störendes Tragegefühl, nervige Batteriewechsel

Doch die Begeisterung der Patienten hält sich in Grenzen: Nur 25 % der Altersschwerhörigen kaufen sich ein Gerät und nur 30 % der Käufer nutzen es langfristig. Uneinsichtigkeit, überhaupt ein Hörgerät zu benötigen, Kosten und Aufwand bei Anpassung, Reinigung und Batterie­wechsel sowie ein störendes Tragegefühl limitieren die Akzeptanz. Ein aufklärendes Gespräch über die vielseitigen Vorteile der Geräte kann die Bereitschaft erhöhen. Nicht zu unterschätzen ist dabei der Einfluss der Familie: Die Unterstützung bei Kauf und Nutzung durch nahe Angehörige steigert die Versorgungsquote deutlich, erklären die Autoren.

Guinchard A-C et al. Swiss Medical Forum 2017; 17: 230-235

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Hörgeräte werden immer kleiner und unauffälliger. Trotzdem stören sich offenbar viele Patienten daran und nehmen schwere Komplikationen in Kauf. Hörgeräte werden immer kleiner und unauffälliger. Trotzdem stören sich offenbar viele Patienten daran und nehmen schwere Komplikationen in Kauf. © fotolia/edwardolive