Off-label und häufig auch off-data

Dr. Anja Braunwarth 

Gegen venöse Beinulzera sind bisher keine systemischen Pharmaka zugelassen. Gegen venöse Beinulzera sind bisher keine systemischen Pharmaka zugelassen. © kittyfly - stock.adobe.com

Wer systemisch gegen ein Ulcus cruris venosum vorgehen will, hat es nicht leicht. Alle Therapeutika, die dafür infrage kommen, haben in dieser Indikation keine Zulassung. Überdies mangelt es an Evidenz.

Fünf Substanzen bzw. Wirkstoffgruppen finden in der systemischen Therapie des venösen Ulcus cruris Einsatz. Dr. Moritz­ Ronicke­ von der Hautklinik am Uniklinikum Erlangen beleuchtete die jeweils vorhandenen Daten. 

Acetylsalicylsäure

In ein Cochrane-Review von 2016 wurden aus 62 vorliegenden Studien zwei randomisierte kontrollierte Untersuchungen (RCT) mit ASS 300 mg/d über vier bis fünf Monate mit oder ohne Kompressionstherapie eingeschlossen. In der einen zeigte sich ASS gegenüber Placebo deutlich überlegen, was den Anteil der Teilnehmer mit vollständiger Abheilung anging (38 % vs. 0 %). Die Wundfläche verkleinerte sich unter Verum um 6,5 cm2, unter dem Scheinmedikament blieb sie gleich. In der anderen Studie lagen die Raten der kompletten Abheilung dagegen gleichauf (75 % vs. 74 %), dafür verkürzte sich mit ASS die Zeit bis zum Abheilen erheblich (12 vs. 22 Wochen). Nebenwirkungen wurden in beiden Untersuchungen nicht beschrieben. Die Cochrane-Autoren konstatieren, dass die Evidenz nicht ausreicht, um sichere Schlüsse zu ziehen.

In einer RCT von 2017 schnitten 150 mg ASS/d (über bis zu 24 Wochen) schlechter ab als Placebo. Komplette Abheilung erzielten damit 70 % vs. 80 % im Placebokollektiv, und es dauerte 77 vs. 69 Tage bis dahin. Von Nebenwirkungen berichteten 40 % bzw. 37 % der Teilnehmer. In 2019 zeichnete eine weitere RCT mit 300 mg ASS/d ein ähnlich schlechtes Bild: Ohne zeitlichen Unterschied erlebten 43 % vs. 58 % eine Abheilung. Die Nebenwirkungsraten betrugen 52 % unter ASS, 36 % bei den Kontrollen. Im Jahr 2021 schließlich ermittelten Wissenschaftler einen Vorteil für 300 mg ASS/d: Abheilungsraten 58 % vs. 48 %, Nebenwirkungsraten 11 % vs. 19 %. Alles in allem fällt ASS aber eher in die Kategorie „Daumen runter“, so Dr. Ronickes Fazit.

Doxycyclin

Mit 100 mg Doxycylin zweimal täglich ließ sich 2012 an zehn Patienten ohne Placebogruppe über vier Wochen eine signifkante Reduktion der Wundfläche und eine Abnahme der Matrix-Metalloproteinase-1 im Wundsekret erzielen. 2015 wurde die Substanz (20 mg zweimal täglich) in einer monozentrischen Open-Label-Studie über drei Monate mit Placebo verglichen. In Gewebe, Blut und Wundexsudat fanden sich mit dem Antibiotikum geringere Konzentrationen an Matrix-Metalloprotei­nase-9, Vascular Endothelial Growth Factor und Neutrophilen-Gelati­nase-assoziiertem Lipocalin. Über die Abheilung gab es keine Aussage. Für Dr. Ronicke­ fällt damit auch diese Substanz durch

Heparin

Im Jahr 2015 wurde in einer mono­zentrischen randomisierten Studie Nadroparin (2850 IU, 3 ml/d) mit einer Basistherapie – jeweils plus Kompression – verglichen. Die Behandlung lief über zwölf Monate, das Follow-up betrug fünf Jahre. Komplettes Abheilen verzeichnete man bei 84 % aus der Heparingruppe und 61 % unter Basistherapie. Besonders bemerkenswert: Bei den über 80-Jährigen betrug diese Rate unter Heparin sogar 91 % (vs. 28 % im Vergleichskollektiv). Pro Woche reduzierte sich die Wundfläche unter Nadroparin um 1,3 cm2, unter der Basistherapie um 0,9 cm2. Nebenwirkungen wurden nicht beschrieben. Laut Dr. Ronicke heißt das: empfehlenswert, bei allerdings unzureichender Datenlage

Pentoxifyllin

Pentoxifyllin (400 mg dreimal täglich) stand 2012 in einem Cochrane-Review mit zwölf vergleichenden Studien auf dem Prüfstand. Die Auswertung ergab einen klaren Vorteil für das Rheologikum. Die Autoren ermittelten insgesamt eine Risk Ratio­ (RR) von 1,7, wobei als Risiko die Chance auf komplette Abheilung zu verstehen war. Allerdings ging die Therapie mit mehr Nebenwirkungen einher (RR 1,65), vornehmlich gastrointestinaler Natur. Und 2021 zeigte eine Analyse von acht Studien, dass sich mit einer Kompressionstherapie ein vergleichbar großer Effekt erzielen lässt wie mit Pentoxifyllin. In dem Cochrane-Review wirkte das Xanthinderivat aber ohne Kompression deutlich besser als Placebo oder keine Behandlung (RR 2,25), sodass die Substanz insgesamt als positiv zu bewerten ist.

Statine

Simvastatin 40 mg/d brachte 2014 in einer Studie ohne vermehrte Nebenwirkungen deutlich mehr Ulzera zum Verschwinden als Placebo (72 % vs. 32 %, jeweils mit Kompression). Die Zeit bis zur Abheilung war auch kürzer (6,7 vs. 8,4 Wochen) und die Wundflächenreduktion größer (28,9 cm2 vs. 19,6 cm2). 2022 zeigte eine Subgruppenanalyse von drei Studien, dass unter Statinen mehr Teilnehmer die komplette Heilung erreichten (64,5 % vs. 56,5 %). Signifikanz erhielt der Unterschied nach der Adjustierung auf Variablen wie Alter, Diabetes oder Ulkusgröße. Zusammengefasst kommt Dr. Ronicke­ für Statine ebenfalls zu dem Schluss: Daumen hoch.

Quelle: Dr. Moritz Ronicke auf dem 6. Nürnberger Wundkongress 2023
 

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