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PAH-Therapie nimmt Fahrt auf

Sie haben kürzlich die Ergebnisse der STELLAR-Studie mit Sotatercept bei pulmonal-arterieller Hypertonie vorgestellt. Welches sind für Sie die wichtigsten Resultate?
Prof. Hoeper: Ich persönlich finde die hämodynamischen Ergebnisse am spannendsten, auch wenn sie „nur“ sekundäre Endpunkte waren. Dass der pulmonal-vaskuläre Widerstand um knapp 3 WU und der pulmonal-arterielle Druck um knapp 14 mmHg abgefallen ist, haben wir so noch nie bei einer Add-on-Therapie beobachten können. Ich glaube, dass dieses starke hämodynamische Ansprechen hinter all den anderen Verbesserungen steht, die wir in der Studie gesehen haben, auch hinter der Reduktion des Risikos für Tod und klinische Verschlechterung um 84 %.
Eckdaten von STELLAR
- multizentrische Phase-3-Studie (randomisiert, doppelblind, placebokontrolliert)
- 323 Patienten mit PAH, WHO-Funktionsklasse II oder III, stabile leitliniengerechte Basistherapie
- Medikation: alle drei Wochen Sotatercept s.c. (Zieldosis 0,7 mg/kg) oder Placebo
- Studiendauer 24 Wochen
- primärer Endpunkt: Veränderung im Sechs-Minuten-Gehtest; Unterschied Sotatercept-Placebo: 40,8 m (p < 0,001)
- acht von neun sekundären Endpunkten* signifikant zugunsten von Sotatercept
- unerwünschte Wirkungen: RR-Anstieg, Teleangiektasien, Nasen-, Zahnfleischbluten, Hb-Anstieg, Thrombozytopenie
* pulmonaler Gefäßwiderstand; NT-proBNP-Spiegel; Verbesserung der WHO-Funktionsklasse; Zeit bis zum Tod oder klinische Verschlechterung; French Risk Score; Veränderungen in drei Domänen des PAH-SYMPACT: Physical Impacts, Cardiopulmonary Symptoms, Cognitive-Emotional Impacts (letztere nicht signifikant verbessert)
Wie schätzen Sie die Chance auf eine Mortalitätsstudie mit diesem Wirkstoff ein?
Vorsicht! Der genannte Endpunkt kombiniert Morbidität, d.h. klinische Verschlechterung, und Mortalität. Nach 24 Wochen gab es sechs Todesfälle, alle in der Placebogruppe. Das wäre sogar formal signifikant gewesen, aber die Zahlen sind viel zu klein, um valide Schlüsse zu ziehen. Eine Mortalitätsstudie müsste ausreichend Patienten einschließen und lange dauern. Das halte ich für unrealistisch. Aktuell laufen zwei weitere Phase-3-Studien. Eine davon, ZENITH, schließt Patienten mit weit fortgeschrittener Erkrankung ein. Sie könnte einen Mortalitätsvorteil zeigen.
Ist eine Monotherapiestudie geplant?
Nein, und ich würde auch dringend davon abraten. Endothelin-Rezeptorantagonisten und PDE5-Hemmer sind bei der PAH gut etabliert und gut verträglich. Sie bleiben die Erstlinientherapie, zeitnah gefolgt von Sotatercept, sobald es zugelassen wird.
Erscheint es angesichts des Wirkmechanismus vorstellbar, dass Sotatercept auch bei anderen Formen der pulmonalen Hypertonie wirkt?
Vorstellbar ist das. Eine Phase-2-Studie zur Therapie in PH-Gruppe 2, also bei Patienten mit pulmonaler Hypertonie und Herzinsuffizienz bei erhaltener Pumpfunktion, hat gerade angefangen. Sogenannte Investigator-initiierte Studien wurden für die Indikationen PH-Gruppe 3 und 4 angefragt. Aber bei Gruppe 3 bin ich etwas skeptisch, ich denke, dass die zugrunde liegende Gefäßpathologie eine andere ist.
Innovativer Wirkmechanismus
Die Widerstandserhöhung in der pulmonalen Zirkulation ist bei der PAH nicht einer übermäßigen Vasokonstriktion geschuldet, sondern dem vaskulären Remodeling aufgrund exzessiver Vermehrung von Endothel- und glatten Muskelzellen. Dem liegt eine Dysbalance pro- und antiproliferativer Signale der TGF-beta-Superfamilie zugrunde, an der das Fusionsprotein Sotatercept ansetzt. Es besteht aus dem Fc-Fragment von humanem IgG und der extrazellulären Domäne des Aktivinrezeptors Typ IIa, die den proproliferativen Signalweg aktiviert. Sotatercept fängt als Ligandenfalle die proproliferativ wirkenden Wachstumsfaktoren ein, sodass das Gleichgewicht wiederhergestellt wird. „Das Faszinierende ist, dass man wahrscheinlich nicht nur die Progression der Gefäßveränderungen hemmen kann, sondern zumindest partiell auch eine Rückbildung des Remodelings bewirken“, sagt Prof. Hoeper. In präklinischen Modellen konnte das bereits gezeigt werden.
Das Nebenwirkungsprofil von Sotatercept erscheint sehr speziell. Rechnen Sie damit, dass besondere Überwachungsmaßnahmen nötig werden?
Es gibt zwei Gruppen von Nebenwirkungen. Die eine sind frühe Veränderungen des Blutbilds mit Hb-Anstieg und Abfall der Plättchenzahl. Damit konnte man vom Wirkmechanismus her rechnen. In den Studien war das nicht klinisch relevant und hat auch nicht zu Studienabbrüchen geführt, aber darauf muss man sicher achten. Wir werden sehen, was die Zulassungsbehörden an Überwachung fordern.
Die aus meiner Sicht relevanteren Nebenwirkungen betreffen die systemischen Gefäße. Innerhalb von relativ kurzen Beobachtungszeiten hat man bei 10–15 % der Patienten Teleangiektasien gesehen. Da werden wir genau hinschauen müssen.
Reichen die Daten für die Zulassung?
Ich gehe fest davon aus. FDA und EMA haben Sotatercept schon einen Prioritätsstatus eingeräumt, der ein beschleunigtes Verfahren ermöglicht. Wir hoffen, das Medikament in der ersten Hälfte 2024 zur Verfügung zu haben.
Medical-Tribune-Interview
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