Patienten mit Akromegalie brauchen eine lebenslange Nachsorge

Der Akromegalie liegt in 99 % der Fälle ein benigner Tumor der Hypophyse zugrunde, der vermehrt Somatotropin (auch growth hormone, GH) sezerniert. Zwischen der Diagnose und der Erstmanifestation der Erkrankung liegen durchschnittlich fünf Jahre. Um diesen Zeitraum zu verkürzen, gilt es im Praxisalltag, Augen und Ohren für die typischen klinischen Anzeichen offenzuhalten, schreiben Professor Dr. Stephan Petersenn von der Hamburger Endoc-Praxis und seine Kollegen.
Vor allem bei typischen klinischen Zeichen und wenn mehrere der folgenden Symptome gemeinsam auftreten, sollte man Akromegalie-Verdacht schöpfen:
- Vergrößerung der Akren
- Veränderungen im Bereich des Kiefer- und Gesichtsschädels
- Hyperhidrose
- Gelenkschmerzen
- Kopfschmerzen
- Symptome eines Hypogonadismus
- Sehstörungen
- Fatigue
Auch Patienten ohne klassische Akromegalie-Symptomatik sollten getestet werden, wenn sie mehrere assoziierte Erkrankungen aufweisen (Schlafapnoesyndrom, Typ-2-Diabetes, schwere Arthrose, Karpaltunnelsyndrom, Hypertonus). Die Diagnostik stützt sich primär auf die Bestimmung des Insulin-like growth factor 1 (IGF-1).
Normale IGF-1-Werte schließen eine Akromegalie mit hoher Sicherheit aus. Bei erhöhten Werten folgt ein Growth-Hormone-Suppressionstest, bei dem die GH-Spiegel nach der Aufnahme von 75 g Glukose gemessen werden. Typisch für die Akromegalie ist die fehlende GH-Suppression im oralen Glukosetoleranztest. Zur Standarddiagnostik gehört auch ein MRT der Sella-turcica-Region.
Strahlentherapie wirkt sich erst nach Jahren aus
Die operative Entfernung des Hypophysenadenoms ist die Therapie der Wahl und verbessert bei über 90 % der Patienten die Symptome. Die transsphenoidale Operation sollte jedoch an spezialisierten Zentren erfolgen, da die Ergebnisse stark mit der Erfahrung des Neurochirurgen korrelieren.
Eine medikamentöse Therapie eignet sich z.B. für Patienten, die nach Operation und/oder Bestrahlung unzureichend hormonell kontrolliert sind. Zur Verfügung stehen drei Substanzgruppen, Somatostatin-Analoga (Lanreotid als Autogel, Octreotid LAR), Dopaminagonisten und der GH-Antagonist Pegvisomant.
Kann der Tumor nur teilweise oder gar nicht entfernt werden, kommt eine stereotaktische Strahlentherapie infrage – sofern diese genügend Abstand zum Sehnerv einhält. Da sich der Effekt erst nach mehreren Jahren zeigt, bedürfen die Patienten für die Zwischenzeit einer zusätzlichen Medikation und engmaschiger Nachkontrollen (Cave: Hypophyseninsuffizienz!).
Grundsätzlich brauchen Patienten mit Akromegalie eine lebenslange Nachsorge. Dabei sollte man vor allem auf Folgeprobleme des Hormonexzesses und diverse Begleiterkrankungen achten, die sich wir folgt manifestieren können:
Kardiovaskuläres System
Die Hypertonie und die oft wenig symptomatische Kardiomyopathie mit Herzrhythmus- und Herzklappenstörungen sind je nach Krankheitsdauer reversibel. Wegen der kardialen Spätfolgen sollte konsequent behandelt und engmaschig kontrolliert werden (Blutdruckkontrolle alle sechs Monate/EKG jährlich).
Schlafapnoe
Jeder Patient mit Akromegalie sollte mindestens einmal auf ein Schlafapnoe-Syndrom gescreent werden, da etwa jeder zweite davon betroffen ist. Gefährdet sind vor allem ältere Patienten sowie Personen mit Adipositas, Diabetes oder arterieller Hypertonie.
Glukosestoffwechsel
Insulinresistenz, gestörte Glukosetoleranz und Diabetes sind häufige Folgen einer Akromegalie oder einer Therapie mit Somatostatin-Analoga (Kontrolle von Blutzucker und HbA1c nach dreimonatiger Therapie). Die Behandlung des Diabetes erfolgt primär mit Metformin.
Schilddrüse
Etwa 36–75 % der Akromegalie-Patienten haben eine Struma und wurden bereits zum Zeitpunkt der Erstdiagnose an der Schilddrüse operiert. Häufig finden sich Schilddrüsenautoantikörper im Blut.
Außerdem besteht bei Patienten mit Akromegalie eine erhöhte Inzidenz maligner Erkrankungen, insbesondere Schilddrüsenkarzinome und kolorektale Karzinome. Deshalb sollte zum Zeitpunkt der Diagnose bzw. bei Patienten > 40 Jahre eine Koloskopie erfolgen.
Auch die Psyche und das Gedächtnis leiden
Auch neuropsychiatrische Komplikationen treten bei Akromegalie vermehrt auf. Es besteht ein vierfach erhöhtes Risiko für eine affektive Störung, und zwei Drittel der Patienten haben eine kognitive Beeinträchtigung (Aufmerksamkeit, Gedächtnis). Zudem müssen Sie mit Erkrankungen des Skelettsystems (z.B. Wirbelkörperfrakturen) rechnen.
Quelle: Petersenn S et al. Der Internist 2017; 58: 1171-1182
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