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Patienten unter onkologischer Behandlung kardiologisch überwachen

Krebserkrankungen können das Herz belasten. Da allerdings auch deren Behandlung häufig mit einem relevanten kardiotoxischen Potenzial einhergeht, sollten Tumorpatienten schon vor Beginn einer onkologischen Therapie von einem Kardiologen gesehen werden, um entsprechende Risikofaktoren und Komorbiditäten zu erfassen, betonte Dr. Sebastian Göbel vom Zentrum für Kardiologie der Universitätsmedizin Mainz. „Die frühzeitige Initiierung einer kardioprotektiven Therapie ist für den Patienten und den Behandlungserfolg entscheidend“, so der Kollege.
Eine anthrazyklinbedingte Kardiotoxizität zeigt sich in 98 % der Fälle weniger als ein Jahr nach der Chemo als dilatative Kardiomyopathie. Asymptomatische Verlaufsformen sind dabei häufig. Lediglich ca. 2 % der Patienten trifft es erst später – im Median 5,5 Jahre nach der Krebsbehandlung. Bei weniger als 1 % löst bereits die erste Dosis bzw. Infusion eine transiente linksventrikuläre Dysfunktion aus. Es kann zu Arrhythmien und Perikarditiden kommen, sehr selten zu einer Myokarditis. Die individuellen Risikofaktoren für Herzschäden nach Anthrazyklintherapie sind:
- weibliches Geschlecht
- Alter < 18 Jahre oder > 65 Jahre
- Niereninsuffizienz
- kardiovaskuläre Risikofaktoren (insb. arterielle Hypertonie) und kardiale Vorerkrankungen
- genetische Faktoren
Bei welcher kumulativen Dosis des verabreichten Anthrazyklins kardiotoxische Effekte auftreten, ist von Patient zu Patient verschieden. Allerdings besteht insgesamt eine klare Dosisabhängigkeit. So liegt die Inzidenz kardiovaskulärer Schäden unter Therapie mit kumulativ 400 mg/m2 KOF Doxorubicin bei 3–5 %. Wächst die Gesamtdosis auf 700 mg/m2 KOF, steigt sie auf 18–48 %.
Kein Bolus, keine hohen Einzeldosen
Auch die Applikationsform macht einen Unterschied: Die intravenöse Gabe als Bolus sowie sehr hohe Einzeldosen sollten möglichst vermieden werden. Eine vorangegangene Radiatio, Kombinationsbehandlungen mit Cyclophosphamid, Trastuzumab und Paclitaxel sowie die Kombination mit Immuntherapeutika bzw. Tyrosinkinaseinhibitoren erhöhen das kardiotoxische Potenzial von Anthrazyklinen außerdem.
Während die Schäden durch Anthrazykline irreversibel sind (Toxizität Typ 1), lassen sie sich bei anderen Therapieregimen wieder rückgängig machen oder zumindest bessern. So z.B. in der Immuntherapie mit Anti-HER2-Antikörpern wie Trastuzumab oder Pertuzumab. HER2-Rezeptoren finden sich nicht nur auf Tumorzellen, sondern auch auf Kardiomyozyten, wo sie das Organ vor Stress schützen, erklärte Dr. Göbel. Dass HER2-Rezeptorinhibitoren kardiotoxisch wirken können, sei logisch. Eine Antikörpertherapie belastet die Pumpe sogar doppelt: durch den Stress, den sie verursacht, und zusätzlich durch die Stilllegung des Mechanismus, der das Organ vor ebendiesem Stress schützen soll.
In etwa 3–20 % der Fälle kommt es zu einer asymptomatischen linksventrikulären Dysfunktion. Daher ist es wichtig, die so behandelten Patienten sehr sorgfältig und engmaschig zu kontrollieren, betonte der Kollege. Ältere und übergewichtige Patienten sind stärker gefährdet als junge schlanke. Bluthochdruck, eine bestehende linksventrikuläre Dysfunktion sowie eine vorangegangene Anthrazyklintherapie erhöhen das Risiko zusätzlich.
Wenig Zeit, um einzugreifen
Neue Hypertonie bei bis zu 80 % der Behandelten
Erhalten Krebskranke VEGF-Inhibitoren, sollte man immer an die arterielle Hypertonie als Nebenwirkung denken. Zwar tritt auch eine therapieassoziierte Herzinsuffizienz mit 3–10 % vergleichsweise häufig auf. Doch von den Zahlen für Bluthochdruck ist sie meilenweit entfernt: Bis zu 80 % der mit VEGF-Inhibitoren Behandelten sind über kurz oder lang davon betroffen und benötigen Antihypertensiva. Bei diesen Patienten sollte man von Non-Dihydropyridin-Kalziumantagonisten wegen potenzieller Interaktionen über den CYP3A4-Weg die Finger lassen. Nach Beenden oder Pausieren der VEGF-Inhibitor-Gabe kann es zudem zu Rebound-Hypotonien kommen. „Und das ist relativ tückisch“, mahnte Dr. Göbel. Damit es für Patienten nicht gefährlich wird, muss man die antihypertensive Therapie dann sehr rasch reduzieren. Unter der Behandlung mit Checkpoint-Inhibitoren kann es vereinzelt zu Herzmuskelentzündungen kommen. Zwar sind diese selten, können dafür aber sehr ausgeprägt sein und mitunter fulminant verlaufen.Quelle: Rhein-Main Herztage 2020
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