
Herzschwäche und Krebserkrankungen überlappen sich mehr, als man denkt

Ihr Patient raucht, ist übergewichtig und bewegt sich zu wenig? Da liegt es doch nahe, dass ihm demnächst ein Myokardinfarkt ins Haus steht. Tatsächlich kann er ebenso gut an einem Bronchialkarzinom erkranken. Denn die Risikofaktoren für kardiale Leiden – insbesondere für eine Herzinsuffizienz – und für Malignome ähneln sich mitunter erheblich. Wouter C. Meijers und Professor Dr. Rudolf A. de Boer von der Abteilung für Kardiologie der Universitätsklinik Groningen plädieren daher für einen holistischeren Ansatz, der den Schnittpunkten gerecht wird.
Vermeintlich klassische kardiovaskuläre Risikofaktoren bezeichnet ein Kollege aus der Onkologie womöglich als typische Krebsrisiken. Die Kardioonkologen ihrerseits konzentrieren sich eher auf spezifische Folgen von Zytostatika und Strahlentherapie. Nebenwirkungen und Risikokonstellationen bilden aber nur einen Teil der Mechanismen, die Karzinome und Herzerkrankungen teilen. Die Autoren hoffen daher, dass ein besseres Verständnis des komplexen Zusammenspiels hilft, Patienten besser zu behandeln.
Mutation kann beides triggern
Pathophysiologische Gemeinsamkeiten umfassen unter anderem erhöhten oxidativen Stress und Immundysregulationen. Vor allem die Inflammation erregt zunehmend Interesse. So führte der Interleukin-1β-Blocker Canakinumab bei Patienten mit Gefäßerkrankungen nicht nur zu einer Reduktion der kardiovaskulären Ereignisse. Er reduzierte auch die Krebsmortalität und die Lungenkrebsinzidenz – ein Indiz, dass Entzündungsreaktionen Herzleiden und Karzinome verknüpfen.
Einer der üblichen Verdächtigen für eine Verbindung ist die Genetik. Ein Beispiel: Der Wnt/β-Catenin-Signalweg mischt bei Zellproliferation, -migration und -tod mit. Eine Mutation trägt sowohl zur Entstehung der Atherosklerose bei als auch zur Pathogenese einiger Krebsarten.
Weiterhin können diverse Blutdruck- und Herzmedikamente das Karzinomrisiko beeinflussen:
- Blocker des RAAS (Renin-Angiotensin-Aldosteron-System) beispielsweise waren in Studien mit längeren Überlebenszeiten von Krebskranken verbunden.
- Betablocker hemmen möglicherwiese die Tumorinvasion und -proliferation von Pankreaskarzinomen.
- ASS wurde immer wieder ein Effekt in der Krebsprävention zugeschrieben.
Allein die lange Liste an gemeinsamen Risikofaktoren erklärt die häufige Koinzidenz von Herzinsuffizienz und Tumoren, schreiben die Autoren. Beispielsweise wird spekuliert, dass sich 20 % aller Krebsfälle auf Übergewicht zurückführen lassen. Darüberhinaus scheint es aber auch eine direkte Wechselwirkungen zwischen dem kardialen Leiden und Karzinomen zu geben. Wie komplex die Dynamik ist, zeigt ein Blick auf die Angiogenese, die in Herz und Tumor unterschiedlich vonstattengeht.
Interessanterweise kurbelt ein Malignom über Wachstumsfaktoren die Gefäßneubildung an, während die Gewebshypoxämie bei einer Herzinsuffizienz nicht das Einsprießen neuer Gefäße triggert. Angiogenese fördernde Mediatoren fehlen hier oder werden unzureichend produziert.
Eine Therapie mit gefäßproliferierenden Substanzen wie VEGF* könnte das Defizit kompensieren und wurde entsprechend von einigen Experten vorgeschlagen. Allerdings eröffnet sich damit eventuell ein Teufelskreis, denn ein etwaiger Tumor oder eine Metastase könnten mitwachsen. Umgekehrt wirken die antiangiogenen Substanzen wie VEGF-Inhibitoren zur Reduktion der Tumorgröße kardiotoxisch.
Gibt es gewebespezifische Angiogenese-Schalter?
Hier sollten den Autoren zufolge weitere Untersuchungen ansetzen. Man müsste eine Art gewebespezifischen Angiogenese-Schalter als Zielstruktur finden, damit z.B. der Krebs schrumpft, ohne dass das Herz in Mitleidenschaft gezogen wird. Mehr und mehr rücken also das Mikromilieu und die kardiale Extrazellulärmatrix in den Vordergrund.
* Vascular endothelial growth factor
Quelle: Meijers WC, de Boer RA. Cardiovasc Res 2019; 115: 844-853
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