Thrombose und Embolie bei Krebskranken verhindern

Manuela Arand

Nach einer tiefen Venenthrombose ist die Antikoagulation unstrittig. Nach einer tiefen Venenthrombose ist die Antikoagulation unstrittig. © wikipedia/Hellerhoff

Lungenembolie und tiefe Venenthrombose können erste Symptome eines Karzinoms sein. Das ist zwar kein Grund, routinemäßig per CT nach Malignomen zu fahnden. Hat man jedoch einen Tumor nachgewiesen, stellt sich die Frage, welche Antikoagulation künftig angezeigt ist.

Vor vier Jahren hat die SOME-Studie mit über 850 Patienten gezeigt, dass ein Tumorscreening mit Abdominal-CT und virtueller Koloskopie bei Patienten mit unprovozierter venöser Thrombembolie (VTE) weder mehr Malignome zutage fördert als Anamnese und klinische Untersuchung noch die krebsassoziierte Sterblichkeit senkt. Die Frage nach dem Sinn der Tumorsuche per Bildgebung gilt damit als beantwortet, zumal immer auch das Risiko zu berücksichtigen ist, das eine invasive Abklärung mit sich bringt. „Aber wir müssen eine wirklich gute Anamnese machen und gründlich klinisch untersuchen“, betonte Professor Dr. Stefan Andreas, Chefarzt an der Lungenfachklinik Immenhausen.

Lungenembolie-Inzidenz von 4 % beim Bronchialkarzinom

Das gilt besonders für das Bronchialkarzinom, bei dem gehäuft Lungenembolien beobachtet werden. Das Risiko ist durch das Karzinom selbst erhöht, aber auch durch spezifische Therapien (vor allem Cisplatin und Bevacizumab), durch Diarrhöen als Nebenwirkung und durch Immobilisierung. Knapp 4 % pro Jahr beträgt die Inzidenz – eine Antikoagulation dürfte also sinnvoll sein, sofern schon eine VTE eingetreten ist. Dagegen steht aber das durch die Krebserkrankung erhöhte Blutungsrisiko.

Bis vor Kurzem wurde bei Tumorpatienten standardmäßig niedermolekulares Heparin (LMWH) eingesetzt, doch aktuelle Daten lassen die neuen Antikoagulanzien (NOAK) als mindestens ebenbürtige Alternative erscheinen. Schon 2015 kam eine erste Metaanalyse heraus, die eine um etwa ein Drittel niedrigere Rate sowohl von VTE-Rezidiven als auch von schweren Blutungen suggerierte, wenn Krebspatienten statt niedermolekularem Heparin oder einem Vitamin-K-Antagonisten ein NOAK erhielten. Allerdings stützte sich die Analyse ausschließlich auf retrospektive Daten.

Inzwischen gibt es aber auch prospektive Studien, die das bestätigen. So eine Studie mit Edoxaban versus Dalteparin, an der über 1000 Patienten teilnahmen. Auch hier zeigten sich unter dem NOAK weniger VTE, allerdings bei etwas höherem Blutungsrisiko. Die europäische Kardiologiegesellschaft ESC hat das in ihrer neuen Praxisleitlinie zum Vorhofflimmern in die Empfehlung umgesetzt, NOAK bei Krebspatienten zumindest in Erwägung zu ziehen und die Entscheidung NOAK versus niedermolekulares Heparin nach Patientenpräferenz zu treffen. „Ich glaube, die meisten Patienten werden die Tablette der täglichen Spritze vorziehen“, meinte Prof. Andreas.

Unter NOAK in die Lunge piksen

Die NOAK haben im Gegensatz zu den Vitamin-K-Antagonisten eine so kurze Halbwertzeit, dass bei operativen Eingriffen in der Regel kein parenterales Bridging erforderlich ist. Es reicht, die Antikoagulation kurz zu pausieren, je nach Wirkstoff und Kreatinin-Clearance. Bei Dabigatran sind die längsten Pausen vorgesehen, bei schlechter Nierenfunktion und Hochrisikoeingriffen, zu denen auch die transbronchiale Lungenbiopsie (TBB) etwa im Rahmen der Krebsdiagnostik zählt, bis zu 72 Stunden. Cave: Auch eine duale Plättcheninhibition wegen Koronarstents erhöht das Blutungsrisiko der transbronchialen Lungenbiopsie. Unter ASS allein scheint es dagegen keine Probleme zu geben. Gut zu wissen, dass Patienten schon einen Monat nach Implantation eines modernen Drug-eluting Stent auf ASS mono umgesetzt werden können. Expertenkonsensus.

JACC 2017; 69: DOI 10.1016/j.jacc.2016.11.024

Aber: NOAK dürfen nicht mit jeder Krebstherapie kombiniert werden. Bei bestimmten Tyrosinkinasehemmern etwa besteht ein hohes Risiko für Interaktionen am CYP450-System, ebenso bei Doxorubicin. Die ESC-Leitlinie enthält eine Tabelle, die eine genaue Orientierung erlaubt, wo Kontraindikationen bestehen, wo Vorsicht angebracht ist und welche Wirkstoffe problemlos zusammengehen. Bisher ist es nicht üblich, Krebspatienten unter Chemotherapie, die noch keine VTE entwickelt haben, routinemäßig zu antikoagulieren. Studien mit niedermolekularem Heparin signalisierten zwar einen Schutzeffekt, Experten stuften den jedoch als zu gering ein, um daraus eine allgemeine Empfehlung pro Antikoagulation abzuleiten. Eine Analyse, in der Daten der NOAK-Studien AVERT (Apixaban) und CASSINI (Rivaroxaban) zusammengefasst wurden, weist nahezu eine Halbierung des VTE-Risikos versus Placebo aus mit einer Number Needed to Treat zwischen 21 und 24.1 Das Risiko für schwere Blutungen war dagegen nicht signifikant erhöht.

Besser nur die Anamnese intensivieren?

Die primärprophylaktische Antiko­agulation beträfe sehr viele Patienten. Prof. Andreas: „Wir haben das in unserer Klinik überlegt und werden es erst einmal nicht umsetzen, aber verstärkt darauf achten, ob eine Thrombose oder Lungenembolie in der Anamnese vorliegt.“

Quellen:
60. Kongress der DGP*
1. Agnelli G. N Engl J Med 2019; 380: 781-783

* Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin

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Nach einer tiefen Venenthrombose ist die Antikoagulation unstrittig. Nach einer tiefen Venenthrombose ist die Antikoagulation unstrittig. © wikipedia/Hellerhoff
Nach einer tiefen Venenthrombose ist die Antikoagulation unstrittig. Nach einer tiefen Venenthrombose ist die Antikoagulation unstrittig. © wikipedia/Hellerhoff