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Kardiotoxische Effekte moderner Krebstherapien werden zunehmen

Das Potenzial für immunvermittelte Toxizitäten wird sich in Zukunft wohl verschärfen. Denn „Checkpoint-Inhibitoren sind das heiße Ding in der Medizin. Sie revolutionieren die onkologische Therapie mit geradezu dramatischen Ergebnissen“, sagte Professor Dr. Javid J. Moslehi, Vanderbilt University School of Medicine, Nashville. Im Zuge dieses Erfolgs werden die gegen die Immuncheckpoints CTLA-4**, PD-1*** oder dessen Ligand gerichteten Substanzen bei immer mehr Tumoren erprobt. Auch Kombinationen kommen zum Einsatz.
Der Hauptrisikofaktor für eine therapieassoziierte Myokarditis scheint eine kombinierte Behandlung mit einem CTLA-4- und einem PD-1-Hemmer zu sein. In diesem Fall trifft die Nebenwirkung etwa einen von 100 Patienten. „Wir werden das künftig noch häufiger sehen, wenn Checkpoint-Inhibitoren (CPI) mit anderen Therapien kombiniert werden“, prophezeite Prof. Moslehi. Er empfahl, Patienten unter diesen Wirkstoffen zumindest in den ersten Monaten der Behandlung regelmäßig zu screenen:
- EKG und Troponin fürs Herz
- CK für den Skelettmuskel
Natürlich können auch Krebspatienten einen Myokardinfarkt bekommen. Deshalb sollte man bei erhöhten Biomarkern erst das Wahrscheinlichere ausschließen: ein akutes Koronarsyndrom!
Myokarditiden unter Immuncheckpoint-Hemmern unterscheiden sich von denen anderer Ursachen. Sie treten gehäuft gemeinsam mit einer Myasthenia gravis auf. Prof. Moslehi wertet dies als Zeichen, dass es sich nicht um eine isolierte Herzmuskelentzündung handelt, sondern um ein systemisches muskuläres Syndrom. Histologisch finden sich T-Zell- und Makrophageninfiltrate in den quergestreiften Muskelzellen, klinisch Arrhythmien und weitere EKG-Veränderungen.
Die CPI-Myokarditis ereignet sich gewöhnlich früh im Therapieverlauf, lässt sich aber bisher nicht anhand bestimmter Patientencharakteristika vorhersagen. Das ist umso bedauerlicher, da die Letalität mit ca. 50 % enorm hoch ist. Möglicherweise werden genetische Analysen künftig eine bessere Voraussage erlauben.
Aus Tierversuchen geht hervor, dass vor allem deletäre Mutationen von CTLA-4 mit einem erhöhten Risiko verbunden sind. Das brachte einen Mitarbeiter aus Prof. Moslehis Team auf die Idee, einer Frau mit schwerer steroidrefraktärer CPI-assoziierter Myokarditis Abatacept zu verabreichen. Der T-Zell-Inhibitor, der sonst zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis dient, wirkt aufgrund seiner Struktur wie ein CTLA-4-Agonist.
Bereits im Tierversuch schien das Biologikum bei der CPI-Myokarditis sowohl protektiv als auch therapeutisch zu wirken. Auch die Patientin in Nashville, bei der die Ärzte mit dem Rücken zur Wand standen, sprach hervorragend auf die probatorische Therapie an. Das Troponin sackte von knapp 6000 ng/l binnen weniger Stunden auf die Hälfte und nahm dann kontinuierlich ab. Die ventrikuläre und muskuläre Symptomatik besserte sich zusehends, ohne dass der Tumor fortschritt.
CPI sind keineswegs die einzigen modernen Krebstherapeutika, die in seltenen Fällen ungewöhnliche und schwerwiegende Nebenwirkungen am Herzen auslösen. Prof. Moslehis Arbeitsgruppe hat eine internationale Pharmakovigilanz-Datenbank ausgewertet. 303 kardiovaskuläre Todesfälle waren allein mit dem bei Leukämien und Lymphomen eingesetzten Tyrosinkinase-Inhibitor (TKI) Ibrutinib assoziiert. Unter den Nebenwirkungen fanden sich u.a. supraventrikuläre und ventrikuläre Arrhythmien, Herzinsuffizienz und zentralnervöse Blutungen, teils mit tödlichem Ausgang.
Mögliche Protektion durch SGLT2-Hemmer
Teils erhebliche Unterschiede im Toxizitätspotenzial
Auch von anderen TKI sind kardiale Nebenwirkungen bekannt, wobei sich das Toxizitätspotenzial der einzelnen Wirkstoffe teilweise erheblich unterscheidet. Bei Patienten, die bereits per se ein hohes kardiovaskuläres Risiko aufweisen und einen besonders nebenwirkungsträchtigen TKI bekommen sollen, empfiehlt sich ein intensives Risikoassessment und -management.Quelle:ESC* Congress 2019
* European Society of Cardiolgy
** cytotoxic T-lymphocyte-associated protein 4
*** programmed cell death protein 1
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