Per Anamnese und richtiger Medikation weitere Brüche bei Senioren verhindern

DGIM 2023 Tobias Stolzenberg

Osteoporose-Patient:innen, die mehr als einmal im Jahr Stürzen, sollten auf mögliche klinische Ursachen untersucht werden. Osteoporose-Patient:innen, die mehr als einmal im Jahr Stürzen, sollten auf mögliche klinische Ursachen untersucht werden. © Racle Fotodesign – stock.adobe.com

Fällt ein älterer Patient wiederholt, besteht Handlungsbedarf. Arzt und Patient sollten den Ursachen nachgehen und in den Erhalt von Muskulatur und Knochenmasse investieren. Grundpfeiler der Osteoporosetherapie ist die ausreichende Zufuhr von Kalzium und Vitamin D. Allerdings lassen sich Vorteile einer osteoanabolen Therapie nicht von der Hand weisen. 

Unachtsamkeit, Stolpern und orthostatische Dysfunktion gelten als typische Ursachen aufgrund derer ältere Menschen hinfallen. Faktoren, die das Risiko erhöhen, sind Stürze in der Vergangenheit, Polypharmazie oder kognitive Defizite. Dazwischen gibt es eine gewisse Überlappung von Risikofaktor und Ursache, beschrieb Dr. Markus­ Hobert­ von der Klinik für Neurologie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein am Campus­ Kiel­ etwa bestimmte Gang- und Gleichgewichtsstörungen. Er machte dies anhand eines Videos anschaulich, in dem ein Patient mit Parkinson aufgrund einer L-Dopa-bedingten hyperkinetischen Gangstörung sich so schwungvoll hinsetzt, dass er mit dem Stuhl hinterrücks umkippt.

Fällt ein Patient mehr als einmal im Jahr, ist das ohne Frage klinisch relevant und muss untersucht werden, erläuterte der Neurologe. Zu klären sind die Umstände für den Unfall, dazu gehören auch Uhrzeit und Ort. So lassen sich womöglich Stolperfallen im Umfeld des Patienten identifizieren oder eine tageszeitliche Dynamik, die Hinweise auf die abnehmende Wirkung von Medikamenten geben kann. „Für den Neurologen ist auch wichtig, in welche Richtung der Patient gestürzt ist“, erklärte Dr. Hobert­. Denn bei gewissen atypischen Parkinson­erkrankungen fallen die Betroffenen vornehmlich nach hinten. Zur Sturzanamnese gehören auch Fragen nach einem möglichen Bewusstseinsverlust.

Wie der Patient sich dreht und wendet

Im Rahmen der Gang- und Gleichgewichtsanamnese fragt man außerdem Erkrankungen und Medikamente ab, die zu Gleichgewichtsproblemen führen können oder das Sturzrisiko erhöhen. Manche Senioren kommen auch nicht mit ihrer Gehhilfe klar oder haben eine ausgeprägte Angst zu stürzen, was wiederum einen Risikofaktor darstellt.
Zudem sollte man erfassen, wie der Patient aufsteht und geht, ob er Schmerzen hat und wie er sich dreht und hinsetzt, riet Dr. Hobert­. Zu den weiteren Funktionstests und Untersuchungen gehören: 

  • Romberg-Versuch und Pull-Test 
  • Überprüfen von Kraft und Muskeltonus
  • Tests auf das Vibrationsempfinden
  • Kopfimpulstest
  • Blutdruckmessen im Stehen und Liegen

Ziel eines geriatrischen Assessments ist, Ursachen zu identifizieren und zu quantifizieren. Es eignen sich laut Dr. Hobert z.B. die Gehgeschwindigkeit, die ohne Einschränkungen nicht unter 0,8 m/s liegen sollte, oder der Timed-Up-and-Go-Test. Alternativ oder ergänzend kommt die Short Physical­ Performance­ Battery­ infrage. Diese ermittelt Gleichgewicht, Geh- und Aufstehgeschwindigkeit. Die Kognition lässt sich mittels Montreal­ Cognitive­ Assessment einschätzen­ oder per Dual-Tasking­ im Gehen – dabei muss der Patient z.B. laufen und gleichzeitig kopfrechnen. Zudem sollten Handkraft, Frailty­ und Sturzangst ermittelt werden, Letztere z.B. mittels der Falls Efficacy­ Scale­.

Dr. Thomas­ Brabant­ von der Kardiologisch-Angiologischen Praxis am Herzzentrum Bremen­ beschrieb, wie die Osteoporoseprävention und -therapie beim geriatrischen Patienten heutzutage auszusehen hat. „Entscheidend bei der Osteoporose ist die erste Fraktur, denn sie erhöht das Risiko für ein Folgeereignis deutlich“, so Dr. Brabant­. 

Der typische ältere Patient leidet nicht nur an Knochenschwund, sondern auch an Sarkopenie. Bedingt durch Malnutrition, anhaltende Entzündungsprozesse („Inflammaging“) oder eine hormonelle Dysregulation nimmt die Muskelmasse ab, wobei vor allem die schnellen Muskelfasern verschwinden. Komorbiditäten und die resultierende Inaktivität tun ihr Übriges und bereiten den Weg in die Altersgebrechlichkeit, nannte der Referent die Kausalfaktoren und funktionellen Konsequenzen des Muskelschwunds. Für den alternden Menschen ist es demnach wichtig, mit möglichst viel Kraft und Fitness in diese Lebensphase einzutreten. „Es nützt nichts, erst mit 70 anzufangen zu trainieren. Training ist das ganze Leben über notwendig.“

Therapeutisch begegnet man der Osteoporose mit der Basisbehandlung aus Vitamin D und Kalzium, mit Bisphosphonaten sowie mit Denosumab­ oder Teriparatid­, neuerdings auch mit Romosozumab­. „Ohne Vitamin D haben wir Probleme in der Muskelstruktur, in der Muskelarbeit und in der neurogenen Versorgung“, erklärte der Geriater. Mit Blick auf die Bisphosphonate zeigte Dr. Brabant anhand von Studiendaten, dass sich mit diesen Substanzen das Frakturrisiko noch bei über 80-Jährigen deutlich senken lässt. Allerdings nimmt die Adhärenz bei oralen Medikamenten mit dem Alter ab. 

Auch für das osteo­anabol wirkende Teriparatid sind gute Effekte auf Knochendichte und Frakturrisiko bei Älteren belegt. Das zeige auch, dass man bei einem Patienten, der ein, zwei Frakturen hintereinander erlitten hat, nicht zögern sollte zu sagen „Ich gebe jetzt was Anaboles.“ „Denn nur das Anabole hat tatsächlich auch eine Wirkung auf den Knochen, von der Sie sich versprechen können, dass hier auch wirklich eine richtige Verbesserung einsetzt“, so Dr. Brabant. Mit allem anderen versuche man meist nur, den Status zu erhalten. Sehr gut geeignet zur Prävention einer ganzen Reihe von Frakturen ist Romosozumab. Aufgrund seiner schweren kardiovaskulären unerwünschten Effekte lässt es sich aber nur bei wenigen Patienten einsetzen.

Quelle: Kongressbericht 129. Kongress der Deutschen ­Gesellschaft für Innere Medizin

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Osteoporose-Patient:innen, die mehr als einmal im Jahr Stürzen, sollten auf mögliche klinische Ursachen untersucht werden. Osteoporose-Patient:innen, die mehr als einmal im Jahr Stürzen, sollten auf mögliche klinische Ursachen untersucht werden. © Racle Fotodesign – stock.adobe.com