Pneumologische Spielregeln fürs Asthma

Manuela Arand

Die neue S2k-Leitlinie bringt Klarheit in Punkten, in denen verschiedene Aussagen zu Diagnose und Therapie der Asthma bronchiale bestehen. Die neue S2k-Leitlinie bringt Klarheit in Punkten, in denen verschiedene Aussagen zu Diagnose und Therapie der Asthma bronchiale bestehen. © Orawan – stock.adobe.com

Die Nationale VersorgungsLeitlinie Asthma beantwortet nicht alle Fragen, die für Pneumologen relevant sind. Eine Expertengruppe hat daher eine eigene Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit Asthma erarbeitet und auch bei Punkten einen Konsens erarbeitet, bei denen klare Evidenz fehlt.

Die neue S2k-Leitlinie behandelt Themen, die vor allem Pneumologen beschäftigen, etwa Bodyplethysmografie, Asthma in der Schwangerschaft oder schweres Asthma. Natürlich kann sie das Rad nicht völlig neu erfinden, sie steht im Einklang mit anderen nationalen und internationalen Leitlinien. Aber sie schafft Klarheit für die deutschen Fachärzte, wo andere Leitlinien im Widerspruch zueinander stehen.

Ein Beispiel ist die Reversibilitäts­testung – unverzichtbar in der Dia­gnosestellung. Als Bezugsgröße empfehlen sowohl die Global Initiative for Asthma (GINA) als auch die ­European Respiratory Society (ERS) die vor der SABA-Inhalation bestimmte FEV1 und sie definieren Reversibilität als FEV1-Anstieg nach SABA-Inhalation um mindestens 12 %. Die gemeinsam von American Thoracic Society (ATS) und ERS verfasste Asthmaleitlinie nimmt dagegen den individuellen FEV1-Sollwert als Basis und verlangt als Reversibilitätsnachweis einen Anstieg um 10 %. 

Die Ergebnisse können sich erheblich unterscheiden, wie der Erstautor der Facharztleitlinie, Prof. Dr. Marek Lommatzsch, Universität Rostock, gegenüber Medical Tribune erklärte. Hat ein Patient z.B. eine FEV1 von 2 l bei einem Sollwert von 4 l, beginnt Reversibilität nach GINA und ERS (Diagnostik) bei 240 ml, nach ERS/ATS aber erst bei 400 ml. Die deutsche Facharztleitlinie schließt sich der ersten Strategie an und nutzt einen FEV1-Anstieg von Baseline um 12 % als Kriterium.

Die Reversibilitätstestung nimmt im Diagnostikalgorithmus der neuen Leitlinie eine wichtige Stelle ein. Sie steht an, wenn die Spirometrie bei einem Erwachsenen mit typischen Asthmasymptomen eine Obstruktion zeigt und bestätigt bei positivem Ergebnis ohne weitere Tests die Asthmadiagnose. Fehlende Reversibilität schließt jedoch ein Asthma nicht aus, sondern fordert weitere Untersuchungen. Denn wie eine Analyse deutscher Registerdaten zeigt, ist Reversibilität speziell bei Patienten mit schwerem Asthma eher die Ausnahme als die Regel: Nicht einmal jeder dritte Patient zeigt sie im ­SABA-Test. Deshalb sichert laut Leitlinie auch der Nachweis bronchialer Hyperre­agibilität (BHR) oder einer Peak-Flow-Variabilität über 20 % die Diagnose, alternativ der Nachweis von T2-Biomarkern (FeNO ≥ 25 ppb und/oder > 150 Eosinophile/µl Blut) plus Ansprechen auf eine ICS-Therapie. 

Normale Spirometrie, fehlende BHR und normale Peak-Flow-Variabilität sprechen gegen ein Asthma, es sei denn, FeNO ist massiv erhöht (> 50 ppb). Dann sollte geprüft werden, ob der Patient klinisch auf ICS anspricht – falls ja, „steht“ die Diagnose Asthma. FeNO wird damit aufgewertet, ist aber immer noch eine IGe-Leistung, bedauerte Prof. Lommatzsch. Er hofft, dass die Leitlinie dazu beitragen wird, dass dieser Biomarker in absehbarer Zeit in die Erstattung kommt. 

In der medikamentösen Therapie wird sich auf den ersten vier Stufen im Vergleich zur NVL nicht viel ändern. Inhalative Steroide und lang wirksame Bronchodilatatoren bleiben das Rückgrat der Therapie, wobei SABA in der Bedarfsmedikation auf allen Stufen zunehmend zuguns­ten der Kombination ICS/Formoterol in den Hintergrund rücken. Beim schweren Asthma auf Stufe 5 sollen systemische Steroide (OCS) nur noch dann zum Einsatz kommen, wenn alle anderen Optionen ausgereizt sind und das Asthma weiter unkontrolliert ist. 

Die Hausaufgaben müssen erledigt sein

„Alle anderen Optionen“ bedeutet explizit, dass die pneumologischen Hausaufgaben erledigt sind, also 

  • geprüft ist, ob Patient und Inhalator zusammenpassen und die Inhalationstechnik korrekt ist,
  • vermeidbare Trigger ausgeschaltet sind,
  • Begleiterkrankungen erkannt und effektiv therapiert sind,
  • der Patient geschult wurde und einen Asthma-Aktionsplan erhalten hat und
  • Rehabilitationsmaßnahmen geprüft und ggf. beantragt wurden.

Erst wenn alle diese Punkte abgearbeitet sind und das Asthma immer noch nicht unter Kontrolle ist, darf man von schwerem Asthma sprechen und phänotypspezifische Zusatzmaßnahmen prüfen. Dabei bekräftigt die Leitlinie das Primat der Biologika vor OCS. Der behandelnde Arzt muss künftig sehr klar begründen können, warum er ein OCS in Dauertherapie verordnet, betonte Prof. Lommatzsch. 

Die neue Leitlinie enthält ferner einen Algorithmus, der die Auswahl unter den mittlerweile sechs Biologika aus vier Klassen anhand von drei Kriterien leitet: Indikation laut Zulassung, Responseprädiktoren und Komorbiditäten. Ein wichtiger Faktor ist das Alter bei Erkrankungsbeginn. Das Early-Onset-Asthma ist in aller Regel allergisch bedingt und spricht für den Einsatz von Anti-IgE, während beim intrinsischen Adult-Onset-Asthma vor allem Anti-IL-5(R) infrage kommt. 

Ist die Entscheidung für ein Biologikum gefallen, soll nach drei bis sechs Monaten überprüft werden, ob und wie gut der Patient anspricht. Bei sehr gutem Ansprechen wird die Behandlung unter schrittweisem Zurückfahren der OCS- und eventuell auch der ICS-Dosis fortgeführt. Cave: Mit zunehmender Dauer der OCS-Therapie steigt das Risiko, dass es bei Dosisreduktion zur Nebenniereninsuffizienz kommt. Die Leitlinie widmet diesem Thema deshalb ein eigenes Kapitel, auch weil Symptome der Nebenniereninsuffizienz oft als Nebenwirkung der Biologikatherapie fehlgedeutet werden.

Quelle: S2k-Leitlinie zur fachärztlichen Diagnostik und Therapie von Asthma 2023; AWMF-Registernr.: 020-009; awmf.org 

aktualisiert am 22.03.2023

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