Proktitis – Feuchttücher haben am Anus nichts zu suchen

Birgit Maronde

Mariske mit schmierig belegtem Ulkus: Die Patientin hat eine Gonorrhö durch Analverkehr. Mariske mit schmierig belegtem Ulkus: Die Patientin hat eine Gonorrhö durch Analverkehr. © Dr. Niels Teich, Albertinen-Krankenhaus Hamburg/endoskopiebilder.de

Hinter einer Proktitis kann von Sex bis chronisch entzündlicher Darmerkrankung Vieles stecken. Auf die richtige Spur führt wie so oft die genaue Anamnese. Der Leipziger Proktologe Privatdozent Dr. Niels Teich stellte exemplarische Fälle vor.

Die Symptome, mit denen sich ein Proktitispatient beim Arzt vorstellt, sind überschaubar: wässrige und/oder blutig-eitrige Sekretion aus dem Anus, blutig-eitrige Stuhlbeimengungen sowie Juckreiz. Zudem berichten viele Betroffene über imperativen Stuhldrang, fehlende Stuhlkontrolle oder Schmerzen bzw. Krämpfe bei der Defäkation, erklärte der in einer internistischen Gemeinschaftspraxis für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten niedergelassene Kollege.

Statt Gonorrhö plötzlich M. Crohn diagnostiziert

Was genau hinter den Beschwerden steckt, lässt sich oftmals schon mit der Anamnese klären, wobei man in manchen Fällen durchaus hartnäckig nachfragen muss. So zum Beispiel bei einer 46 Jahre alten, seit vielen Jahren verheirateten Frau, die über Nässen, Jucken und Schwellung am Anus klagte. Dr. Teich entdeckte bei der Inspektion zunächst nur kleinere Marisken – nichts Schlimmes. Beim leichten Spreizen des Anus wurden jedoch schmierig belegte Ulzerationen sichtbar. Bei der Patientin lag eine Gonorrhö vor, die sie sich via Analverkehr zugezogen hatte.

Eine 16-jährige Schülerin brachte ihre Sexualpraktiken dagegen von Anfang an aufs Tapet: Seit ihrem Analverkehr vier Wochen zuvor habe sie hellrote Blutungen, berichtete das Mädchen. Schon bei der rektal-digitalen Untersuchung fielen Dr. Teich granuläre Schleimhautveränderungen auf, die auch bei der Proktoskopie deutlich sichtbar waren und für eine Infektion mit Chlamydia trachomatis sprachen. Via PCR konnte die Blickdiagnose bestätigt werden.

Behandelt wird die C.-trachomatis-Infektion mit 100 mg Doxycyclin jeweils morgens und abends über drei bis sechs Wochen. Bei asymptomatischen Partnern reicht eine Woche Therapie aus. Alternativ kann über drei Wochen Erythromycin in einer Dosierung von 4x 500 mg/d gegeben werden.

Bei einem 18-jährigen Abiturienten mit eitrig-schleimigem analem Ausfluss weckte der endoskopische Befund wiederum den Verdacht auf eine Gonorrhö. 10 cm ab ano zeigte sich eine ringförmige Struktur mit oberflächlicher, schleimig belegter Ulzeration. Doch der junge Mann bestritt vehement, Analverkehr gehabt zu haben. In der Histologie zeigte sich dann ein Morbus Crohn, der mit Azathioprin und Budesonid Rektalschaum behandelt wurde. Die Proktitis bei Morbus Crohn erfordert eine sofortige immunsuppressive Therapie, um langfristig die Entwicklung einer Inkontinenz zu verhindern, betonte Dr. Teich.

Toilettenerziehung bei Mukosaprolaps wichtig

Eine Colitis ulcerosa (CU) war die Ursache für fäkale Blutauflagerungen, über die eine 66 Jahre alte Patientin berichtete. Sie hatte das Gefühl, den Stuhl nicht halten zu können. CU-Neuerkrankungen sind in jedem Alter möglich, erinnerte der Kollege, die früher propagierte Zweigipfeligkeit in der Altersverteilung sei vom Tisch. Die topische Therapie der Proktitis ulcerosa mit Mesalazin oder Budesonid ist gut wirksam, birgt aber auf längere Sicht durchaus Adhärenzprobleme. Die Lebensqualität wird durch den "Applikations-Dyscomfort" beeinträchtigt. Es ist auch schon vorgekommen, dass mit der Plastikthülle des Schaumapplikators eine blutende Schleimhautläsion im Rektum gesetzt wurde, so die Erfahrung des Kollegen.

Ein weiterer Fall: Eine 48-jährige Frau klagte über Nässen und Jucken am Anus. Außerdem blutete sie seit Neuestem rektal. Sie hatte das Gefühl der unvollständigen Entleerung, was ihre "Sitzungszeiten" deutlich verlängerte. Endoskopisch stellten sich im Rektum eine granuläre fleckige Schleimhautrötung und -schwellung sowie oberflächliche Erosionen dar. Bei weiterem Rückzug des Koloskops wurde ein Mukosaprolaps in den oberen Analkanal hinein sichtbar.

Therapeutisch kann man bei solch einem inneren Mastdarmvorfall auf Mesalazin-Zäpfchen und unter Umständen Ligaturen zurückgreifen. Wichtig sind die Toilettenerziehung (Gang zur Toilette nur bei Stuhldrang, um Bauchpresse zu vermeiden) und die Stuhlregulierung z.B. durch Gabe von Flohsamenschalen. Im Einzelfall muss allerdings operiert werden. Last but not least: Eine 23-jährige Finanzkauffrau mit zunehmendem analem Juckreiz, Rötung und Hautmazerationen in den radiären Analfalten.

Sie gab an, zwei- bis dreimal täglich meist weichen, aber geformten Stuhlgang zu haben und sich regelmäßig mit Feuchttüchern ("die sensitiven ohne Alkohol") zu reinigen. Genau das hätte sie besser gelassen, denn der proktologische Befund sprach für eine toxisch-reaktive Entzündung. Dr. Teich riet ihr, die Feuchttücher auf Dauer wegzulassen und passager Mesalazin-Suppositorien zu applizieren.

Feuchttücher sind die Feinde der Proktologen

"Feuchttücher sind seit 15 Jahren das Feindbild der Proktologen, aber sie sind nicht wegzukriegen", konstatierte der Kollege. Sogar in Kindergärten hätten die Feuchttücher Einzug gehalten, was die Erziehung zu falscher Analhygiene fördere. Man müsse immer wieder Überzeugungsarbeit leisten, um Patienten, Eltern bzw. Erziehern klarzumachen, dass Feuchttücher – auch die mit Aloe vera oder Kamille – in der Analregion nichts zu suchen hätten, so Dr. Teich.

Quelle: 11. Symposium Koloproktologie für den Internisten – Falk Foundation e.V.

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Mariske mit schmierig belegtem Ulkus: Die Patientin hat eine Gonorrhö durch Analverkehr. Mariske mit schmierig belegtem Ulkus: Die Patientin hat eine Gonorrhö durch Analverkehr. © Dr. Niels Teich, Albertinen-Krankenhaus Hamburg/endoskopiebilder.de
Bei der Proktitis ulcerosa eignet sich auch eine topische Therapie. Bei der Proktitis ulcerosa eignet sich auch eine topische Therapie. © Dr. Niels Teich, Albertinen-Krankenhaus Hamburg/endoskopiebilder.de