Rektumkrebs – welchen Nutzen haben Chemo- und Radiochemotherapie?

Friederike Klein

Die Rektumkrebs-Therapie umfasste bislang die Resektion des Primärtumors sowie des Mesorektums und des regionären Lymphabflussgebiets. Die Rektumkrebs-Therapie umfasste bislang die Resektion des Primärtumors sowie des Mesorektums und des regionären Lymphabflussgebiets. © ok-foto – stock.adobe.com

Die Resektion des Primärtumors ist zentrales Element der kurativen Therapie des operablen Rektumkarzinoms. Lehnen Patienten eine OP ab, empfiehlt sich unter Umständen eine nicht-chirurgische Strategie.

Seit einiger Zeit diskutieren Experten, ob sie Patienten mit Rektumkarzinomen der Stadien II und III bei Vorliegen einer klinischen Komplettremission nach neoadjuvanter Therapie eine Operation ersparen können. Mittlerweile haben Forscher diese Watch-and-wait-Strategie in mehreren Studien untersucht, auf deren Basis die American Society for Radiation Oncology (ASTRO) nun konkrete Empfehlungen ausspricht.1

Für ein nicht-operatives Vorgehen kommen demnach Patienten infrage, die nach einer totalen mesorektalen Exzision permanent ein Stoma benötigen bzw. bei denen sich eine Stuhlinkontinenz abzeichnet und die eine OP ablehnen. Im Aufklärungsgespräch sollten Kollegen unbedingt auf die Notwendigkeit eines engmaschigen Monitorings hinweisen, das idealerweise in einem darin erfahrenen Zentrum erfolgt, erklärte Professor Dr. Prajnan­ Das­ vom MD Anderson Cancer Center in Houston (vgl. Tabelle).

Monitoring beim nicht-operativen Vorgehen
UntersuchungFrequenz
Proktoskopie/Sigmoidoskopie + digitale rektale Untersuchungalle drei Monate in den ersten zwei Jahren, danach alle 6–12 Monate
rektale MRTalle 3–6 Monate in den ersten zwei Jahren, danach alle 6–12 Monate
CT Brust, Bauch, Beckenalle 6–12 Monate in den ersten zwei Jahren, danach alle zwölf Monate

 

Zwei Metaanalysen liefern konsistente Ergebnisse

Die Ergebnisse einer Registerstudie unterstützen den Appell.2 Von den 880 Teilnehmern mit Rektumkarzinom und klinischer Komplettremission nach neoadjuvanter Radio­chemotherapie hatte jeder Vierte innerhalb der ersten beiden Jahre ein Lokalrezidiv entwickelt. Bei 8 % fanden sich zudem Fernmetastasen. Die Rate des Gesamtüberlebens (OS) über fünf Jahre betrug 85 %, die des krankheitsspezifischen Überlebens (DFS) 94 %.

In einer Metaanalyse auf Basis der Daten von 602 Patienten aus insgesamt elf Studien errechneten Wissenschaftler eine Zwei-Jahres-Lokalrezidivrate von 21 % und nach fünf Jahren eine OS-Rate von 87 % sowie eine DFS-Rate von 81 %.3 Darüber hinaus kamen Forscher in einer weiteren Metaanalyse anhand der Daten von 692 Patienten auf eine Drei-Jahres-Lokalrezidivrate von knapp 22 %, eine Drei-Jahres-OS-Rate von 93,5 % und eine Drei-Jahres-DFS-Rate von 89 %.4 Insgesamt seien dies relativ konsistente Resultate, so Prof. Das. Die lokal neu gewachsenen Tumoren waren operabel, das krankheitsspezifische sowie das Gesamtüberleben ähnelten dem nach totaler mesorektaler Exzision, erklärte der Referent.

Je nach Art der neoadjuvanten Therapie lässt sich die Chance für ein nicht-operatives Vorgehen erhöhen. Prospektiv untersucht eine Arbeitsgruppe derzeit im Rahmen der OPRA-Studie zwei Optionen der totalen präoperativen Therapie und nachfolgendem Watch-and-wait bei Patienten mit Adenokarzinom des Rektums der Stadien II und III nach Staging mittels MRT.5 Die Behandlung folgt dabei entweder

  • einer Induktionsstrategie, bei der eine Radiochemotherapie eine Chemotherapie mit FOLFOX­* oder CAPOX** ergänzt, oder
  • einer Konsolidierung, in der erst die Radiochemotherapie zum Einsatz kommt und anschließend FOLFOX bzw. CAPOX.

Den nächsten Schritt bildet ein Restaging. Sprechen die Teilnehmer klinisch an, müssen sie nicht operiert werden. Bleibt das Ansprechen aus, ist eine totale mesorektale Exzision notwendig.

Ersten Ergebnissen zufolge ließ sich das Organ von etwa der Hälfte der Patienten erhalten, wobei der Anteil unter der neoadjuvanten Konsolidierung größer ausfiel als unter der Induktion. Der Benefit der Sequenz Radiochemotherapie – Chemotherapie kam bereits in der CAO/ARO/AIO-12-Studie zutage.6 Mit konsolidierender Chemotherapie nach Radiochemotherapie lag die Rate der pathologischen Komplettremission bei 25 % versus 17 % im umgekehrten Fall.

Diese neuen Erkenntnisse sind jedoch noch nicht in die Empfehlungen der ASTRO eingeflossen, betonte Prof. Das. Er bezeichnete das Regime Radiochemotherapie – Chemotherapie aber als den zu bevorzugenden Ansatz bei Patienten, die eine OP ablehnen.

* Folinsäure, 5-Fluorouracil, Oxaliplatin
** Capecitabin, Oxaliplatin

1. Wo JY et al. Pract Radiat Oncol 2021; 11: 13-25; DOI: 10.1016/j.prro.2020.08.004
2. Van der Valk MJ et al. Lancet 2018; 391: 2537-2545; DOI: 10.1016/S0140-6736(18)31078-X
3. Chadi SA et al. Lancet Gastroenterol Hepatol 2018; 3: 825-836; DOI: 10.1016/S2468-1253(18)30301-7
4. Dattani M et al. Ann Surg 2018; 268: 955-967; DOI: 10.1097/SLA.0000000000002761
5. Garcia-Aguilar J et al. J Clin Oncol 2020; e17578; DOI: 10.1200/JCO.2020.38.15_suppl.4008
6. Fokas E et al. J Clin Oncol 2019; 37: 3212-3222; DOI: 10.1200/JCO.19.00308

Quelle: DAS P. 2021 Gastrointestinal Cancers Symposium (virtual)

Monitoring beim nicht-operativen Vorgehen

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