Resistente Hypertonie mit interventionellen Verfahren bändigen?

Dr. Anja Braunwarth

Hypervolämie oder ein überaktiver Sympathikus liefern bei resistenter Hypertonie Anhaltspunkte für weitere Maßnahmen. Hypervolämie oder ein überaktiver Sympathikus liefern bei resistenter Hypertonie Anhaltspunkte für weitere Maßnahmen. © iStock/VIKTORIYA KABANOVA

Drei maximal dosierte Antihypertensiva inklusive Diuretikum sind im Boot und trotzdem lässt sich der Blutdruck nicht bändigen. Bei einer solchen resistenten Hypertonie sollte man die pharmakologischen Pfade mal verlassen.

Literaturangaben zufolge liegt die Prävalenz der resistenten Hypertonie bei etwa 10 %. Zieht man aber Therapieadhärenz und das Optimierungspotenzial der Medikation ins Kalkül, liegt die Zahl der echten Betroffenen bei etwa 4–5 %, so die Erfahrung des Teams um Professor Dr. Hannes Reuter von der Klinik für Innere Medizin am Evangelischen Klinikum Köln-Weyertal. 

Das ändert aber natürlich nichts an der Gefahr, in der jeder Patient mit ungebändigtem Blutdruck schwebt. Eine Studie ermittelte ein signifikant höheres Risiko für die Entwicklung einer KHK (+ 44 %), eines Schlaganfalls (+ 57 %), einer Herzinsuffzienz (+88 %) und einer terminalen Niereninsuffizienz (+ 95 %) im Vergleich zu den anderen Teilnehmern mit eingestellter Hypertonie. Außerdem lag die Gesamtmortalität um 30 % höher. 

Zwei Pathomechanismen bieten bei Resistenz Ansatzpunkte für weitere Maßnahmen: Der erste ist die Hypervolämie durch exzessive Natriumretention, Niereninsuffzienz oder hohe Aldosteronwerte. Sie lässt sich durch hochdosierte Diuretika oder Beigabe von Mineralokortikoidrezeptorantagonisten günstig beeinflussen. Der zweite ist der überaktive Sympathikus, für dessen Modulation verschiedene interventionelle Verfahren entwickelt wurden, die entweder an den Barorezeptoren oder an sympathischen Nervenfasern ansetzen. 

Langjähriger Hypertonus desensibilisiert Rezeptoren

Arterielle Barorezeptoren sitzen zuhauf am Aortenbogen und in der Karotisgabel. Steigender Blutdruck stimuliert sie, ihr Signal dämpft dann den Sympathikotonus und aktiviert den Parasympathikus, Blutdruck und Puls fallen. Nach langjährigem Hypertonus sind die Rezeptoren aber desensibilisiert und brauchen für den therapeutischen Nutzen eine Überstimulation. 

Die gelingt durch die elektrische Baroreflexaktivierungstherapie, bei der man z.B. eine Art Schrittmacher im Bereich des Glomus caroticum auf die Halsschlagader näht. Dieser lässt sich von extern programmieren (Barostim neo). Für dieses Implantat der 2. Generation gibt es bislang keine größeren randomisierten und kontrollierten Studien, berichteten Prof. Reuter und Kollegen. 

Eine Beobachtungsstudie und mehrere kleinere Untersuchungen zeigen aber einen blutdrucksenkenden Effekt (nach sechs Monaten minus 26/12 mmHg) sowie günstige Einflüsse auf die linksventrikuläre Masse, Pulswellengeschwindigkeit und Augmentationsindex. Darüber hinaus stabilisierte sich bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz die Organfunktion, die Proteinurie nahm ab. 

Für das Gerät der 1. Generation (Rheos), bei dem man die bipolaren Elektroden auf Höhe des Karotisbulbus um die Halsschlagader legen und dafür das Gefäß vollständig mobilisieren musste, gibt es eine placebokontrollierte Doppelblindstudie mit 265 resistenten Hypertonikern. Der Endpunkt „akutes Ansprechen“ wurde darin verfehlt, außerdem fiel der Druck im Vergleichskollektiv mit noch nicht-aktiviertem Gerät ebenfalls deutlich. 

Die kürzlich veröffentlichten Langzeitergebnisse von drei Studien mit dem System machen aber deutlich, dass die aktive Stimulation noch nach sechs Jahren ohne Sicherheitsbedenken eine konsistente RR-Senkung von im Mittel 35 mmHg systolisch und 18 mmHg diastolisch erzielt. Die Patienten konnten die Zahl ihrer Antihypertensiva von 6 auf 3 reduzieren.  

Die Aktivierung der Barorezeptoren erfolgt im Normalfall durch pulsatile Dehnung der Gefäßwände. Mit einem speziell entwickelten Nitinolgerüst (MobiusHD) versucht man, das im Sinne einer mechanischen Baroreflexstimulation nachzuahmen. Es wird kathetergestützt im Karotisbulbus platziert, was den Gefäßquerschnitt von rund zu quadratisch verändert. Auf diese Weise lassen sich die Dehnungskräfte verstärken. Die Intervention macht für drei Monate eine doppelte Plättchenhemmung nötig. 

Doppelblindstudie soll harte Daten liefern

Die erste Studie zu dieser Methode schloss 30 Patienten ein, deren Praxisblutdruck unter im Mittel 4,4 Anti­hypertensiva bei 184/109 mmHg lag. Nach sechs Monaten war er signifikant um 24/12 mmHg gesunken, in der 24h-Langzeitmessung fand sich ein vergleichbarer Abfall. Die Autoren verzeichneten fünf schwerwiegende Ereignisse, darunter zweimal eine kritische Hypotension. 

Kontraindikationen sind fortgeschrittene autonome Neuropathien, bekanntes oder vermutetes Baroreflexversagen, Karotisplaques mit einer Intima-Media-Dicke > 1,5 mm im Interventionsbereich sowie sekundäre Hypertonieformen mit Ausnahme des Schlafapnoe-Syndroms. Aktuell läuft eine größere, randomisierte, doppelverblindete Studie, die genauere Erkenntnisse über den Stellenwert der mechanischen Stimulation liefern soll.  

In der Adventitia der Nierenarterien finden sich viele afferente und efferente Sympathikusfasern, was diese Gefäße ebenfalls zum Ziel von Interventionen macht. Die Verödung der Efferenzen mindert die Reninfreisetzung und die renale Vasodilatation, während die Natriumausscheidung steigt. Gehen afferente Fasern verloren, kommt es vermutlich zu einer Senkung des zentralen Sympathikotonus. 

Die renale Denervierung erfolgt über einen femoralarteriellen Zugang entweder mittels Hitze, erzeugt durch fokussierte Radiofrequenz- oder Ultraschallenergie, oder chemisch-toxisch mit Alkohol bzw. Guanethidin. Nachdem erste kleinere Studien vielversprechend ausfielen, enttäuschte eine größere Untersuchung aus Nordamerika. Die Blutdrucksenkung unterschied sich nicht von der nach einer Schein­prozedur. 

Dann stellte sich heraus, dass Patienten mit isolierter systolischer Hypertonie schlechter auf eine Sympathikusmodulation ansprechen, außerdem wurde ein neuer Multielektrodenkatheter entwickelt, mit dem man alle vier Gefäßquadranten zuverlässig abladieren kann. Im damit initiierten Studienprogramm, das mit und ohne begleitende Antihypertensiva an besser selektierten Patienten durchgeführt wurde, führte die Denervierung schließlich zu einer signifikanten Blutdrucksenkung. 

Sonderfall Schlafapnoe

Patienten mit einer Schlafapnoe weisen auch tagsüber eine erhöhte Sympathikusaktivität auf, was die Hypertonie begünstigt. Eine Subgruppenanalyse aus einer der frustranen renalen Denervierungsstudien mit der früheren Radiofrequenzmethode zeigte für diese Gruppe eine signifikant stärkere Drucksenkung als für das Vergleichskollektiv. Diese Patienten könnten sich also evtl. für die Denervierung der Nierenarterien besonders gut eignen.

Keine ausreichende Erfahrung bei resistenter Hypertonie

Inzwischen wurde auch ein ultraschallbasiertes Ablationssystem bei Patienten mit einer Hypertonie Grad I-II ohne antihypertensive Medikation geprüft. Der mittlere systolische 24-Stunden-Blutdruck sank zwar signifikant um 4,1 mmHg, beim diastolischen tat sich hingegen nur wenig (-1,8 mmHg).   Nach Auffassung von Prof. Reuter und seinen Kollegen ist die renale Sympathikusdenervation zumindest in erfahrenen Zentren eine wirksame Therapiemaßnahme. Sie geben jedoch zu bedenken, dass eine moderate Blutdrucksenkung nur bei Paienten mit Hypertonie Grad I-II und maximal drei Antihypertensiva gezeigt wurde. Ob sich die Methode auch für resistente Hypertoniker eigne, könne man noch nicht sagen. 

Arteriovenöser Shunt sorgt für prompte Drucksenkung

An Kontraindikationen nennen die Autoren fibromuskuläre Dysplasie, Nierenarterienstenosen > 50 % und Einzelnieren. Außerdem erfassten die Studien keine Patienten mit einer fortgeschrittenen Niereninsuffizienz (GFR < 45 ml/min) sowie Atheromen, Aneurysmen oder ausgeprägter Sklerose der renalen Arterien.  Neu in der Indikation resistenter Hypertonie ist die kathetergesteuerte Anlage einer iliakalen arteriovenösen Anastomose unter Durchleuchtung. Die Idee dahinter: Durch die Verbindung einer zentralen Arterie mit dem venösen Niederdrucksystem sinken peripherer Widerstand und effektives arterielles Blutvolumen abrupt. Damit fällt nicht nur der Blutdruck, es bessern sich auch vaskuläre Compliance und die Windkesselfunktion der Aorta.  Überprüft wurde die Methode an 83 Patienten im Vergleich zu einer Standardmedikation. Nach sechs Monaten war im Therapiearm der Praxisblutdruck um 27/20 mmHg und der 24-Stunden-Blutdruck um 14/14 mmHg gefallen. In der Kontrollgruppe gab es keine Änderung der Werte. Sogar eine Subgruppe von zehn Teilnehmern, die sich bereits einer renalen Denervation unterzogen hatte, profitierte erheblich (Abfall um 34/22 mmHg bzw. 12/15 mmHg). Zwölf Patienten (29 %) mit Anastomose entwickelten allerdings innerhalb von neun Monaten eine behandlungsbedürftige, symptomatische Stenose in der V. iliaca, bei weiteren 13 gab es periprozedurale Komplikationen.  Der Shunt steigert das Herzzeitvolumen um etwa 1 l/min. Damit ist er bei Herzinsuffizienz und jeglicher instabiler kardialer Erkrankung kontraindiziert. Die Autoren raten auch davon ab, ihn Patienten mit pulmonaler Hypertonie, fortgeschrittener Niereninsuffizienz oder schweren Schäden der peripheren Gefäße einzusetzen.

Quelle: Reuter H et al. internistische praxis 2020; 62: 381-392

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