
Rettung aus Eis und Felsen – Mediziner bei der Bergwacht

Es ist Samstagabend 21:30 Uhr, zwei Bergsteiger stecken an einem Klettersteig fest. Einer von ihnen ist gestürzt, mit offener Unterschenkelfraktur, meldet die Integrierte Leitstelle dem Bergwacht-Bereitschaftsdienst. Sogleich nimmt der Einsatzleiter des Teams Kontakt mit den Verunglückten auf. „Eigentlich wollten wir schon längst auf der nächsten Hütte sein, doch wir sind nur langsam vorangekommen“, erklärt der unverletzte Bergsteiger. „An einem Überhang ist mein Kollege beim Umhängen der Sicherung etwa sechs Meter tief gestürzt. Ich sehe, wie sein Knochen durch die Hose spießt!“ fügt er aufgebracht hinzu.
Sofort nach Beendigung des Gesprächs alarmiert der Einsatzleiter weitere aktive Einsatzkräfte der Bergwacht und erkundigt sich nach einem verfügbaren Hubschrauber. Trotz eines herannahenden Gewitters will das Team es versuchen. Keine 25 Minuten später steht der Hubschrauber im Depot bereit. In der Zwischenzeit sind zwölf aktive Einsatzkräfte eingetroffen, doch auch die Wetterfront hat sich bewegt und hängt mittlerweile direkt über der Unfallstelle.
Der Pilot kann die Mannschaft, bestehend aus den Einsatzkräften und dem Bergwacht-Notarzt, sowie deren Equipment nur bis zur Wolkengrenze, ca. 200 Höhenmeter unterhalb der Unfallstelle, transportieren. An einer sicheren Stelle wartet das Team das Gewitter ab und steigt schließlich zu dem verunglückten Kletterer auf.
Umgehend erfolgt die Gabe hochdosierter Schmerzmittel, die Schienung und Abdeckung des verletzten Beines sowie die Umlagerung des Patienten auf eine Gebirgstrage. Auf dieser wird er mittels eines Dyneema-Seilsatzes abgelassen. Währenddessen erfolgt eine dauerhafte klinische Überwachung durch den Bergwacht-Notarzt, der bei diesem Einsatz auf apparatives Monitoring verzichten muss.
Als schließlich die Wolkendecke aufreißt, kann der weitere Transport von Bergwacht-Notarzt und Patient mittels Hubschrauber erfolgen. Das restliche Team steigt über zwei Stunden mit der Ausrüstung in das Tal ab. Als sie zurückkommen, ist der verletzte Kletterer bereits auf dem Weg in die nächste geeignete Klinik. Mittlerweile sind sechs Stunden seit Eingang des Notrufs vergangen. Der Einsatz ist geschafft.
Körperliche Fitness und Sportkenntnisse sind Voraussetzung für den Bergwacht-Notarzt

Bergrettung ist ein Ehrenamt
Wenn Carsten Janzer von gefährlichen Einsätzen berichtet, macht er damit deutlich, wie oft die Teammitglieder der Bergrettung ihr eigenes Leben in Gefahr bringen. Umso schwerer fällt die Vorstellung, dass die Tätigkeit der Bergwachtmitglieder rein ehrenamtlich ist. Nicht nur das: Je nach finanzieller Stellung der entsprechenden Bergwacht muss auch die eigene Ausrüstung anteilig privat gezahlt werden. Neben dieser finanziellen Belastung ist auch der zeitliche Aufwand, den die Mitglieder auf sich nehmen, nicht zu unterschätzen. Abgesehen von Diensten kommen hier regelmäßige Trainings- und Auffrischungskurse sowie Lehrgänge für neue Anwärter hinzu. Das gesellschaftliche Bewusstsein für das enorme Engagement, welches die Tätigkeit bei der Bergwacht fordert, ist leider nicht überall vorhanden. Häufig lernen erst Verunglückte, die harte Arbeit der Mitglieder zu schätzen. „Es ist zwar eine ungeheure Aufopferung, die man bringt, doch die Dankbarkeit, die man dabei von den Patienten erfährt, entschädigt zumindest mich persönlich ungemein“, erklärt Janzer. Auch das Gefühl der Kameradschaft, welches das Team durch die gemeinsame Ausbildung und das Durchstehen gefährlicher Situationen zusammenschweißt, macht die Arbeit für Carsten Janzer so wertvoll. Durch den zunehmenden Bergtourismus gibt es gerade in den Saisonzeiten einiges zu tun. So erfolgten 2018 über 8000 Einsätze der Bergwacht Bayern. 2019 waren es im Sommer bis zu 52 Einsätze am Tag, während es im Winter bis zu 159 Einsätze am Tag gab. Janzer freut sich zwar über das Interesse am Sport in der Natur, warnt jedoch vor der Überschätzung der eigenen Fähigkeiten, da viele seiner derzeitigen Einsätze hieraus resultieren. Im Winter wie im Sommer gilt es also, dem Bergsport mit Geduld und Vorsicht zu begegnen. Damit kommt man auf sicherem Weg hoch hinaus.
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