Richtig handeln im hypertensiven Notfall

Dr. Anja Braunwarth

Sieht stark nach Entgleisung aus, doch ein Wert genügt nicht. Messen Sie an beiden Armen und Beinen.
Sieht stark nach Entgleisung aus, doch ein Wert genügt nicht. Messen Sie an beiden Armen und Beinen. © 2002lubava1981 – stock.adobe.com

Ob „nur“ eine hypertensive Entgleisung oder doch ein Notfall, Handlungsbedarf besteht so oder so. Liegt Erstere vor, muss aber nicht gleich die intravenöse Keule her. Wichtig ist vor allem eine gründliche Untersuchung.

Ab einem Blutdruck von 180/120 mmHg drohen akute Schäden an Herz, Hirn und den kleinen Gefäßen. Gibt es bereits Zeichen dafür, spricht man von einem hypertensiven Notfall. Aber auch ohne solche Hinweise besteht Handlungsbedarf, betont Dr. Aldo­ J. Peixoto­ von der Inneren Medizin an der Yale School of Medicine in New Haven.

Die Akuität des Anstiegs verleiht der Sache die gefährliche Note, während anhaltend erhöhte Werte oft weniger anrichten. Interessanterweise wirken sich die Spitzen eher auf lange Sicht aus. Eine Studie an 2435 Patienten mit durchgemachter transitorischer ischämischer Attacke zeigte, dass asymptomatische systolische Ausreißer über 180 mmHg das Schlaganfallrisiko im Vergleich zu stabilen Werten unter 140 mmHg über drei Jahre um das Fünffache erhöhte. Dagegen fanden sich bislang keine Hinweise auf vermehrte Ereignisse in den ersten Tagen bis Monaten nach einer Druckentgleisung.

Ursachen für hypertensive Krisen

  • mangelnde Adhärenz zur Dauermedikation (mit Abstand am häufigsten)
  • erhöhte Natriumaufnahme über die Ernährung
  • akuter Schlaganfall/ Herzinsuffienz (kann Folge oder Ursache sein)
  • Medikamente/Drogen (z.B. Amphetamine, Kokain, nicht-steroidale Antirheumatika, Steroide)
  • Angstzustände
  • akute Glomerulonephritis
  • Präeklampsie
  • Phäochromozytom
  • renale Krise bei Sklerodermie

Um das weitere Vorgehen zu planen, ist es mit einmal Messen nicht getan. Dr. Peixoto rät zu wiederholten Tests an beiden Armen und Oberschenkeln. Wenn man bereits Organschäden vermutet, empfiehlt sich die wesentlich genauere intraarterielle Messung. Die Oszillometrische unterschätzt die Werte z.T. erheblich. Bestätigt sich die Entgleisung, müssen gefährdete Organsysteme abgeklopft werden. Symptome wie Kopfschmerz, Schwindel, Benommenheit, atypischer Brustschmerz, Dyspnoe oder Epistaxis können auf Schäden hindeuten, fehlen aber oft. Zum Check gehören daher neurologische Untersuchung, Fundoskopie, EKG, Rö-Thorax, Troponintest, Labor mit großem Blutbild, Elektrolyten und Kreatinin sowie eine Urinaanalyse (Proteinurie? Hämaturie?). Liegen noch keine Komplikationen vor, lässt sich das Geschehen in der Regel ambulant und mit oraler leitliniengerechter Medikation händeln. Oft genügt für den Anfang sogar eine Ruhepause von 30 Minuten, um den Druck ins Lot zu bringen. Sinkt er unter 180/110 mmHg, können die Patienten nach Hause.

Mit < 180/110 mmHg kann der Patient nach Hause

Hypertensive Notfälle bedürfen der Aufnahme auf die Intensivstation und einer i.v. Therapie. Ziel ist bei maligner Hypertonie und hypertensiver Enzephalopathie eine Reduktion um 20–25 % in der ersten Stunde. In den nächsten 2–6 Stunden sollte der Druck auf 160/100 mmHg runtergehen. Bei akutem Koronarsyndrom und akuter dekompensierter Herzinsuffizienz (Lungenödem) lautet die Vorgabe: binnen einer Stunde systolische Senkung auf < 140 mmHg, bei akuter Aortendissektion auf < 120 mmHg und die Frequenz auf < 60/min.

Mögliche Folgen von Blutdruckspitzen

  • Gehirn: Schlaganfall, intrazerebrale Blutung, reversibles posteriores Enzephalopathie-Syndrom
  • Herz: akutes Koronarsyndrom, akute dekompensierte Herzinsuffizienz
  • große Gefäße: Aortendissektion
  • kleine Gefäße: mikroangiopathische hämolytische Anämie
  • Retina: Hämorrhagien, Exsudate, Papillenödem
  • Nieren: akutes Organversagen

Für die Umsetzung stehen verschiedene Medikamente wie Labetalol, Nicardipin, Esmolol, Nitroprussid oder Nitroglyzerin zur Verfügung. Nach etwa 6–12 Stunden i.v. Therapie kann man den Umstieg auf orale Substanzen erwägen. Den Ablauf verdeutlicht der Autor am Beispiel einer 58-Jährigen, die mit einem Blutdruck von 242/134 mmHg in die Notaufnahme kam. Nach der Anamnese war klar: Die Krise beruhte auf ihrer laschen Adhärenz. Seit drei Wochen hatte die Patientin ihre Antihypertonika nicht mehr genommen. Per Fundoskopie zeigten sich Einengungen der Arteriolen, Blutungen, Cotton-wool-Herde sowie ein Papillenödem, im EKG fanden sich Zeichen der linksventrikulären Hypertrophie. Dr. Peixoto schlug für diesen Fall die initale intensivmedizinische Betreuung und Gabe von Nicarpidin plus Labetolol vor.

Quelle: Peixoto AJ. N Engl J Med 2019; 381: 1843-1852, DOI: 10.1056/NEJMcp1901117

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Sieht stark nach Entgleisung aus, doch ein Wert genügt nicht. Messen Sie an beiden Armen und Beinen.
Sieht stark nach Entgleisung aus, doch ein Wert genügt nicht. Messen Sie an beiden Armen und Beinen. © 2002lubava1981 – stock.adobe.com