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Risiko mit den richtigen Vorkehrungen kleinhalten
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Die Reisethromboembolie (RTE) kann man als eine besondere Form einer Sitzthrombose sehen. Oft verwendetes Synonym für die Erkrankung ist das Economy-Class-Stroke-Syndrom, was eine Assoziation mit beengtem Sitzen suggeriert. Doch bekannte Patienten wie der ehemalige US-Präsident Nixon und der spätere Vizepräsident Quayle werden sich wohl kaum über zu wenig Beinfreiheit beklagt haben und sind zudem keine Einzelfälle.
Gefahr steigt erst ab längerer Flugdauer
Ist also jegliches Sitzen während des Reisens riskant? Nein, so Prof. Dr. Jürgen Ringwald vom Institut für Transfusionsmedizin des DRK-Blutspendedienstes Nord-Ost in Lütjensee und Schleswig. Erst eine Reise-/Sitzdauer von über vier Stunden birgt eine höhere Gefahr. Insgesamt kommen 215 RTE auf eine Million Passagiere, wobei das Risiko mit der Länge des Fluges steigt. Bei einer Reisedauer über 16 Stunden ist einer von 1.200 Passagieren betroffen. Menschen mit Risikofaktoren erleiden eine RTE zwei bis viermal öfter.
Die Umgebungsbedingungen im Flugzeug beeinflussen die Gerinnung wohl nur wenig. Hauptverusacher scheinen die Sitze zu sein. Ihr Design und die Enge reduzieren den venösen Rückfluss um mehr als die Hälfte und zudem kann das Gefäßendothel der Kniekehle verletzt werden. Daher sind auch lange Zug- und Autofahrten problematisch, so Prof. Ringwald.
Die Prophylaxeberatung orientiert sich an der individuellen Situation des Patienten und der Reisedauer. Man unterscheidet drei Risikostufen:
- keine oder ein Risikofaktor für Thrombose
- zwei oder mehr Risikofaktoren
- venöse Thromboembolien (VTE), Erkrankungen, die das VTE-Risiko stark erhöhen; Immobilisation oder kürzlich zurückliegende große Operationen bekannt
Auf der niedrigsten Stufe reichen schon allgemeine Maßnahmen wie etwas Bewegung, keine enge Kleidung und genügend Flüssigkeitszufuhr. Bei mittlerem Risiko können knielange Kompressionsstrümpfe mit einem Knöchelanpressdruck von 10–20 mmHg (20–40 mmHg für Patienten mit chronisch venöser Insuffizienz) hinzukommen.
Bei sehr langen Flugreisen (16–20 h) oder noch höherer Gefährdung kann zudem im Einzelfall ein Antikoagulans wie NMH oder NOAK in hoher prophylaktischer Dosis verschrieben werden – allerdings off label. Für NOAK gibt es bisher keine explizite Leitlinienempfehlung. Die Einnahme von ASS reicht nicht aus.
Der abnehmende Tourismus während der Pandemie ließ auf weniger Thromboembolie-Fälle hoffen. Und vielleicht wäre es auch so gekommen, wenn das Homeoffice nicht genau die gleichen Gefahren bereit halten würde: zu viel Sitzen, zu wenig Bewegung. „Sitzen ist das neue Rauchen.“, drückte es Prof. Ringwald aus. Seit 2021 beobachtet er vermehrt Fälle bei denen die Patienten direkt vom heimischen Schreibtisch in seiner Gerinnungssprechstunde kommen. Mit einem Augenzwinkern nennt er die neu entdeckte Krankheit „Venöse SARS-CoV-2-Pandemie-assoziierte Homeoffice-Thromboembolie bei Nicht-SARS-CoV-2-Infizierten“.
Kongressbericht: 23. Forum Reisen und Gesundheit
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