Tiefe Beinvenenthrombose: D-Dimer-Bestimmung ist kein Ersatz für Bildgebung

DGIM 2021 Dr. Angelika Bischoff

Die Bildgebung darf nicht übergangen werden bei der Diagnostik einer tiefen Beinvenenthrombose. Die Bildgebung darf nicht übergangen werden bei der Diagnostik einer tiefen Beinvenenthrombose. © iStock/Elena Volf

Ein normaler D-Dimer-Wert schließt eine aktivierte Gerinnung – sprich eine Thrombose – aus. In unklaren Situationen kann das durchaus weiterhelfen. Allerdings wird der Parameter in der Praxis zu häufig ohne begründeten Anlass bestimmt.

Die klinische Wahrscheinlichkeit für eine tiefe Beinvenenthrombose (TVT) oder Lungenembolie lässt sich mit dem Wells-Score ermitteln (s. Kasten). Bei hoher Vortestwahrscheinlichkeit braucht man keine D-Dimere, sondern schreitet sofort zur Bildgebung, betonte Privatdozent Dr. Robert­ Klamroth, Vivantes Klinikum im Friedrichshain Berlin. Der TVT-Verdacht wird mittels Duplexsonographie geklärt, eine Lungenembolie zeigt sich in der Angio-CT oder Szintigraphie. 

Wie wahrscheinlich ist eine tiefe Venenthrombose?

Der Wells-Score für die TVT umfasst folgende klinische Angaben, die jeweils mit einem Punkt gewertet werden:
  • aktive Neoplasie
  • Parese oder kürzliche Immobilisation von Extremität
  • Bettruhe > 3 Tage oder größerer chirurgischer Eingriff vor < 12 Wochen
  • Schmerzen oder Verhärtungen entlang der tiefen Venen
  • geschwollene Extremität
  • Unterschenkel > 3 cm umfangsvermehrt im Vergleich zum anderen Bein
  • eindrückbares Ödem
  • prominente Kollateralvenen
  • frühere Venenthrombose
Ist eine alternative Diagnose mindestens ebenso wahrscheinlich wie die TVT, werden zwei Punkte abgezogen. Bei insgesamt ≥ 2 Punkten besteht eine hohe Vortestwahrscheinlichkeit. Für die Lungen­embolie sieht der (vereinfachte) Wells-Score mit sieben Punkten etwas anders aus.

Bei geringer oder moderater klinischer Wahrscheinlichkeit hilft der D-Dimer-Test zu entscheiden, ob man weiter abklären und eine therapeutische Antikoagulation beginnen muss. Fällt das Ergebnis negativ aus, endet die Diagnostik an dieser Stelle. Auf positive D-Dimere muss eine Bildgebung folgen, bevor man die Antikoagulation startet. Allerdings: Steht eine Duplexsono nicht zeitnah zur Verfügung, z.B. im Nachtdienst, und besteht zusätzlich eine hohe TVT-Wahrscheinlichkeit, rechtfertigt der auffällige Laborwert die Einleitung einer Antikoagulation. Die Bildgebung muss dann sobald wie möglich nachgeholt werden.

Umfangreiches Labor kann Therapieentscheidung ändern

Hilfreich ist ein D-Dimer-Test u.a. auch bei Patienten mit einer akuten Hämorrhagie. Das Standardlabor unter der Therapie mit einem Vitamin-K-Antagonisten umfasst Quick, partielle Thromboplastinzeit und Thrombozytenzahl. Die Konstellation aus erniedrigt, verlängert und normal würde womöglich die Gabe von Prothrombinkomplex-Konzentrat (PPSB) nach sich ziehen. Liegen jedoch zusätzlich erniedrigtes Fibrinogen und erhöhte D-Dimere vor, sieht die Lage anders aus. Dann besteht eine Hyperfibrinolyse, die im Notfall primär ein Antifibrinolytikum erfordert, so Dr. Klamroth. Laut dem niedergelassenen Angiologen Privatdozent Dr. Ludwig Caspary­ aus Hannover erlauben Abrechnungsdaten von Krankenkassen den Rückschluss, dass D-Dimer-Tests im klinischen Alltag zu häufig zum Einsatz kommen. In Niedersachsen wurde im Jahr 2020 bei einem von 50 erwachsenen GKV-Versicherten eine solche Untersuchung abgerechnet. Dies verursache unnötige Folgeuntersuchungen, unnötige Ängste und unnötigen Aufwand. Dr. Caspary berichtete von mindestens zehn Praxis-Patienten in den letzten fünf Jahren, bei denen eine Venenthrombose allein aufgrund der Symptome und erhöhter D-Dimere gestellt worden war – ohne Sonographie. Retrospektiv lässt sich nicht sicher ausschließen, ob initial wirklich eine Thrombose vorlag, auch wenn man nachträglich ein normales Venensystem ohne postthrombotisches Syndrom findet. Dem Betroffenen verbleibt dann das Etikett „abgelaufene Thrombose“.

Corona und D-Dimere

Im Kontext von COVID-19 haben D-Dimere an Bedeutung gewonnen. Denn Patienten mit erhöhten Werten haben eine viel geringere Überlebenschance. Daraus lässt sich eventuell die Indikation zu einer Antikoagulation ableiten. Darüber hinaus spielt die Bestimmung bei Thrombosen im Rahmen der Impfung mit der AstraZeneca-Vakzine eine Rolle. Die Komplikation beruht vor allem auf einer Thrombozytenaktivierung. Finden sich neben einer Thrombozytopenie niedrige D-Dimere und normale Gerinnungsparameter, ist ein Zusammenhang mit der Impfung unwahrscheinlich. Dagegen weisen sehr hohe D-Dimer-Spiegel auf eine Immunthrombose hin. Unterbrechen kann man den Pathomechanismus dann wahrscheinlich durch hoch dosierte intravenöse Immunglobuline. Eine Antikoagulation sollte ebenfalls erfolgen.

Die Fehl- bzw. Überinterpretation kann für Patienten gefährliche Folgen haben, wie der Kollege anhand eines Falls verdeutlichte. Der Hausarzt einer 59-Jährigen hatte bei ihr wegen einer Schwellung im linken Bein und erhöhter D-Dimere eine Antikoagulation mit Apixaban eingeleitet.

„Bekannte TVT“ seit acht Monaten – ohne Sonographie

Vier Monate später landete die Patientin mit blutenden Divertikeln notfallmäßig in der Klinik. Dort stellte man im Verlauf ebenfalls auffällige D-Dimere fest. Apixaban wurde „bei bekannter linksseitiger TVT“ nach einem zweiwöchigen Bridging fortgesetzt. Eine entsprechende Bild­gebung blieb aus. Vier Monate darauf sah Dr. Caspary die Patientin dann in seiner Praxis mit mäßig geschwollenem linken Unterschenkel – und führte eine Ultraschalluntersuchung durch. Es zeigte sich eine morphologisch und funktionell völlig normale venöse Strombahn, weshalb der Arzt „sehr an der initialen Dia­gnose zweifelt“. Den Gerinnungshemmer setzte er ab. Sein Fazit:
  • Ein D-Dimer-Test darf die Bildgebung niemals ersetzen und reicht allein nicht aus, um eine Antikoagulation zu begründen.
  • Wenn eine Thrombose klinisch wahrscheinlich ist, braucht man keine D-Dimere, da sowieso eine Bildgebung ansteht.
  • Erhöhte D-Dimere nach Beginn einer Antikoagulation beweisen nicht deren Unwirksamkeit.

Quelle: 127. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin*

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Die Bildgebung darf nicht übergangen werden bei der Diagnostik einer tiefen Beinvenenthrombose. Die Bildgebung darf nicht übergangen werden bei der Diagnostik einer tiefen Beinvenenthrombose. © iStock/Elena Volf